Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 1.925,93 EUR (darin enthalten 320,99 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die M***** Ltd (M*****) ist eine Aktiengesellschaft nach dem Recht von J***** mit Sitz auf J*****. Nach dem dort geltenden Recht können nur Namensaktien emittiert werden. Eigentum an diesen Namensaktien erwirbt man nach dem Recht von J*****, indem man als Eigentümer in das „Company Register“ (= Firmen-/Aktienbuch) eingetragen wird. Aus diesem Grund hat sich die Österreichische Kontrollbank (OeKB) als Eigentümerin der M*****-Namensaktien ins Company Register eintragen lassen und für alle Aktien ein Globalzertifikat ausgestellt. Zu diesem Zweck wurde am 11. 11. 2002 ein Vertrag zwischen der M*****, der Beklagten als Depotbank und der OeKB geschlossen. Die OeKB gab als Eigentümerin der Namensaktien Einzelzertifikate - „Austrian Depositary Certificates“ (ADCs) - aus, die börsenhandelsfähig sind. Im Zuge der Vermarktung wurden die Zertifikate in den Werbeunterlagen und Marketingmaßnahmen immer als „Aktien“ bezeichnet, ohne dass die Endverbraucher im Speziellen darüber informiert wurden, dass es sich um Aktien vertretende Zertifikate handle.
Im „Konto- und Depoteröffnungs- antrag/Kaufauftrag“ ist „Aktien der M***** Ltd“ vermerkt. Die Kläger gaben der Beklagten am 3. 1. 2005, am 24. 10. 2005 und am 24. 2. 2006 den Auftrag zum Kauf von insgesamt 1.957 Stück „Aktien“ der M***** und erhielten dafür die beschriebenen ADCs zu einem Gesamtpreis von 27.709,04 EUR.
Die Ausgabe von ADCs erfolgte - mit Wissen der Beklagten - deshalb, weil eine J*****-Gesellschaft unbeschränkt Zertifikate erwerben kann, die auf ihre Aktien begeben wurden, der Rückerwerb eigener Aktien jedoch zwingend zum Einzug der Aktien und zur sofortigen Kapitalherabsetzung führt. Die notierten Zertifikate sollten jene Rechte und Pflichten widerspiegeln, welche die nicht notierten Aktien der M***** verbriefen.
Die Kläger begehren mit ihrer am 30. 12. 2010 eingebrachten Klage die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen die Rückstellung der 1.957 Zertifikate, hilfsweise die Feststellung der Haftung der Beklagten für jeden Schaden der Kläger aus dem Kauf der Zertifikate, hilfsweise die Aufhebung der Kauf- und Kommissionsverträge. Die Kläger schränkten aus „prozessökonomischen Überlegungen“ ihr Begehren auf Ansprüche aus der „Lieferung eines Aliuds“ ein und bezogen sich in der Folge auf den Klammerausdruck „(§§ 870, 918 ABGB)“. Die Kläger hätten den Erwerb eines besonders sicheren, (auf Grund der in den Informationsbroschüren in Aussicht gestellten Mindestrenditen von 9 bis 14 %) „moderat ertragsstarken“ Investment mit M*****-Papieren beabsichtigt, wobei sie im Vertrauen auf den „guten Namen M*****“ und die Versprechungen in den ihnen übergebenen Informationsbroschüren gehandelt hätten. Die Beklagte habe die Wertpapiere als „Aktien“ angeboten, tatsächlich jedoch keine Aktien, sondern nur Aktien vertretende Zertifikate geliefert. Diese stellten gegenüber Aktien ein Aliud dar, weil die Kläger etwas anderes erhalten als sie in Auftrag gegeben hätten. Sie seien berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten und hätten Nichterfüllungsansprüche nach § 918 ABGB. Die Beklagte habe durch die Fehlbezeichnung der Zertifikate als Aktien in ihren Werbeunterlagen die Kläger listig in die Irre geführt. Bei Kenntnis der wahren Tatsachen hätten die Kläger die Kaufverträge nicht abgeschlossen. Der Schaden bestehe darin, dass die Kläger bei Kenntnis der wirklichen Umstände ihr erspartes Geld nicht in M*****, sondern in ein Kapitalsparbuch investiert hätten.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Ansprüche seien verjährt. Der Kurssturz sowie die angeblichen Malversationen der Beklagten seien bereits seit Ende August 2007 allgemein bekannt gewesen. Die Zertifikate seien Aktien in allen wesentlichen Punkten gleichwertig und verbrieften vergleichbare Rechte wie diese. Der Wille der Kläger sei im Ankaufszeitpunkt nur darauf gerichtet gewesen, jene Anlageform an der M***** zu erwerben, die auf dem Kapitalmarkt angeboten worden und handelbar gewesen sei. Die Vertragsparteien seien sich über den Leistungsgegenstand einig gewesen und hätten diesen bloß unrichtig bezeichnet. Die Beklagte habe die Fehlbezeichnung „Aktie“ der Einfachheit halber deswegen verwendet, um sich nähere Erklärungen zu ersparen.
Das Erstgericht wies das Haupt- und die Eventualbegehren ab. Vertragsgegenstand seien die auf dem Kapitalmarkt tatsächlich vorhandenen Papiere geworden. Die Parteien seien sich über den Leistungsgegenstand „Zertifikate“ subjektiv einig gewesen, weshalb ein natürlicher Konsens darüber bestanden habe. Die Falschbezeichnung der Beklagten spiele daher keine Rolle. Der wahre Wille der Parteien habe übereingestimmt und habe Vorrang gegenüber den nach außen getretenen Erklärungen. Es liege keine Aliudleistung vor. Das allgemeine Vorbringen, die Kläger seien an einer sicheren, moderat ertragreichen Anlage interessiert gewesen, reiche zur Geltendmachung eines rechtlich relevanten Irrtums nicht aus.
Das Berufungsgericht bestätigte das von den Klägern angefochtene Urteil. Es übertrug die vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 93/11x dargelegten Erwägungen auf den vorliegenden Fall. Auf den subjektiven Willen der Kläger komme es nicht an. Die Beklagte habe die Kaufaufträge der Kläger als redliche Erklärungsempfängerin so verstehen dürfen, wie sie dem Werbeprospekt entsprochen hätten, nämlich mit dem Inhalt, Zertifikate erwerben zu wollen. Es fehle damit sowohl an einem Irrtum (die Anfechtung sei überdies verjährt) als auch an Arglist.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine erhebliche Rechtsfrage zu lösen sei.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
In der der Beklagten vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt sie, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Die Kläger beabsichtigten im vorliegenden Fall ein sicheres, moderat ertragsstarkes Investment und entschieden sich für M*****-Papiere, wobei sie im Vertrauen auf den „guten Namen M*****“ und die Versprechungen in den ihnen übergebenen Informationsbroschüren handelten. Die Kaufaufträge für die „Aktien“ der M***** wurden auf Grund des von der Beklagten erstellten Werbematerials (Informationsfolder) erteilt, in welchem sich nur die Bezeichnung „Aktien“, nicht aber „Zertifikate“ findet.
Wie in dem der Entscheidung 4 Ob 93/11x (zustimmend Leupold, Aktien vs Zertifikate - Zur aliud-Problematik, Zak 2012/44, 23; Schima [verfahrensbeteiligter Rechtsvertreter], OGH: Aktienzertifikate kein „Aliud“ gegenüber Aktien, RdW 2012/13, 3; kritisch Riedler, Memo: Aktien erklärt, Zertifikate gekauft - „[k]ein Zweifel“?, ecolex 2012, 20; Geroldinger/Radler, Entscheidungsanmerkung, JBl 2012, 177; Liedermann, Entscheidungsanmerkung, JAP 2011/2012, 177; Wilhelm, Das unbekannte Qualifikations-Aliud, ecolex 2011, 1073; derselbe, Entscheidungsanmerkung ecolex 2012, 28) zu Grunde liegenden Fall stellt sich auch hier nicht die Frage, ob die Lieferung von Zertifikaten statt der bestellten Aktien ein Aliud ist.
In der zitierten Entscheidung legte der Oberste Gerichtshof bereits dar, dass in den Werbematerialien der Beklagten zwar die Wertpapiere als „Aktien“ bezeichnet worden seien, dass aber gleichzeitig auf den Börsenkurs abgestellt werde, indem mit den in den vorangegangenen Jahren stets erzielten Kurssteigerungen geworben werde. Damit sei klar, dass sich die Erklärung auf die auf dem Kapitalmarkt tatsächlich vorhandenen Papiere bezogen hätten. Die Beklagte habe die Erklärung der Kläger objektiv nur so verstehen können, dass sie das von der Beklagten tatsächlich angebotene, auf dem österreichischen Kapitalmarkt handelbare Wertpapier hätten kaufen wollen. Dem habe sie zugestimmt. Damit bestehe kein Zweifel, dass - unabhängig von der in den Verkaufsprospekten aufscheinenden Bezeichnung „Aktie“ - liquide und börsefähige Wertpapiere, nämlich die ADCs (und nicht Namensaktien der M*****) Vertragsgegenstand geworden seien.
Der vorliegende Rechtsfall ist damit vergleichbar, auch wenn hier im Kaufauftrag ausdrücklich von Aktien die Rede ist. Die Kläger beabsichtigten nur ein „Investment mit M*****-Papieren“ und gingen von den Informationsbroschüren aus. Sie hatten keine konkreten eigenen Vorstellungen über die Eigenschaften des zu erwerbenden Wertpapiers und sie stellten keine konkreten Anforderungen daran. Sie wollten das Papier, das beworben und auf dem Markt erworben werden konnte. Entscheidend war für sie der „gute Name“ und der Prospekt, nicht die zu Grunde liegende rechtliche Konstruktion. Im Kaufantrag wurde das Kaufobjekt nur unrichtig bezeichnet, weil auf dem Markt ausschließlich die Zertifikate zu erwerben waren, nicht aber Aktien. Sowohl die Kläger als auch die Beklagten hatten die gleiche Vorstellung vom Kaufobjekt, nämlich, dass dies die auf der Börse gehandelten Wertpapiere und damit die gelieferten Zertifikate sein sollten. Bei der Verwendung des Begriffs „Aktie“ im Kaufauftrag handelt es sich bloß um eine Falschbezeichnung (in diesem Sinn auch Schauer, Zertifikate statt Aktien: Das Aliud als Ausweg?, RdW 2011, 3; Vonkilch, Zertifikate statt Aktien: Ein Aliud?, RdW 2011/729, 718; Leupold aaO). Haben beide Vertragsteile dasselbe gewollt, mag es auch vielleicht unvollkommen oder mehrdeutig ausgedrückt worden sein, so schadet die Falschbezeichnung nicht (RIS-Justiz RS0017839, RS0016236).
Die dreijährige Verjährungsfrist für die Vertragsanfechtung wegen Irrtums ist bereits abgelaufen. Aus dem Vorbringen der Kläger geht hervor, dass sie keine konkreten Vorstellungen über die Eigenschaften der zu erwerbenden Papiere hatten. Nicht erkennbar ist nach dem Vorbringen der dafür beweispflichtigen (RIS-Justiz RS0014792) Kläger unter diesen Umständen, wie die Beklagte die Kläger über die rechtliche Konstruktion getäuscht haben könnte, wenn diese für sie nicht relevant war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.
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