OGH 8ObA49/12g

OGH8ObA49/12g13.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Dr. Robert Schneider und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** K*****, vertreten durch Dr. Günther Romauch und Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch die Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Anfechtung einer Kündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. April 2012, GZ 8 Ra 117/11a-12, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass für den II. Teil des ArbVG, der die gesetzliche Betriebsverfassung behandelt, nicht der allgemeine Arbeitnehmerbegriff iSd § 1151 ABGB, sondern der besondere Arbeitnehmerbegriff des § 36 ArbVG maßgebend ist (RIS-Justiz RS0050959). Der auf diese Weise definierte personelle Geltungsbereich des II. Teils des ArbVG bildet die Grenze für den allgemeinen Kündigungs- und Entlassungsschutz. Der Kündigungs- und Entlassungsschutz nach §§ 105 und 106 ArbVG kommt demnach ausschließlich den „einfachen“ Arbeitnehmern iSd § 36 Abs 1 ArbVG zu. Vertretungsbefugte Organmitglieder einer juristischen Person, soweit sie ihre Tätigkeit überhaupt aufgrund eines Arbeitsverhältnisses ausüben, sowie leitende Angestellte sind daher nicht zur Kündigungs- bzw Entlassungsanfechtung gemäß §§ 105 f ArbVG berechtigt (§ 36 Abs 2 Z 1 und Z 3 ArbVG).

Dieser Regelung liegt die Wertung zugrunde, dass einem Arbeitnehmer, dessen Tätigkeit der Arbeitgeberseite zuzuordnen ist, die betriebsverfassungsgesetzliche Schutzwürdigkeit nicht zukommt (8 ObA 28/11t). Hinsichtlich der hier anwendbaren Bestimmung des § 36 Abs 2 Z 1 ArbVG hat sich der Gesetzgeber als Abgrenzungskriterium für den leicht überprüfbaren organisationsrechtlichen Gesichtspunkt des (organschaftlichen) Vertretungsrechts entschieden (Tomandl in Tomandl, Arbeitsverfassungsgesetz § 36 Rz 18).

Darauf, ob das vertretungsbefugte Organmitglied seine Kompetenzen (hier als handelsrechtlicher Geschäftsführer) tatsächlich ausübt oder seine Befugnisse im Innenverhältnis beschränkt sind (vgl § 20 GmbHG), kommt es nicht an.

2. Zu seiner Stellung bei der Beklagten hat der Kläger - über entsprechenden Einwand der Beklagten - vorgebracht, dass er formell handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beklagten, faktisch aber in einem normalen Angestelltenverhältnis tätig gewesen sei. Mit Bezug auf dieses Vorbringen hat er in der außerordentlichen Revision - unter Hinweis auf 8 ObA 262/95 - ausgeführt, dass ihm tatsächlich keine Entscheidungskompetenzen zugestanden seien. Der Kläger meint, dass es auch bei einem Organmitglied im Sinn einer „materiellen Betrachtungsweise“ darauf ankomme, welche Entscheidungskompetenzen tatsächlich ausgeübt werden.

Damit ist der Kläger nicht im Recht. Eine Prüfung der rechtlichen Einflussmöglichkeit auf die Führung des Betriebs, konkret der Ausgestaltung der Leitungsfunktion in Bezug auf eine Dispositions- bzw Entscheidungsbefugnis über Personalagenden ist nur für die Qualifikation als leitender Angestellter nach § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG erforderlich (vgl Gahleitner in Cerny ua, Arbeitsverfassungsrecht4 § 36 Erl 6; zum Prokuristen siehe Gahleitner aaO Erl 6 und Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 36 Rz 19). Dass er als „Strohmann“ fungierte und nur zum Schein zum handelsrechtlichen Geschäftsführer bestellt wurde, hat der Kläger nicht vorgebracht und ergibt sich auch nicht aus dem von ihm behaupteten Sachverhalt.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte