OGH 13Os39/12b

OGH13Os39/12b5.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juli 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Alfred B***** und eine Angeklagte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a (aF) FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Beate B***** gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 6. Dezember 2011, GZ 15 Hv 36/11p-76, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.

Die Angeklagte Beate B***** wird mit ihren Rechtsmitteln auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Alfred B***** und Beate B***** (richtig:) jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a (idF BGBl I 2004/57) FinStrG (a) und der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a (idF BGBl I 2004/57) FinStrG (b) schuldig erkannt.

Nach dem Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) haben Alfred B***** und Beate B***** „im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit abgesondert verfolgten Mittätern (§ 11 FinStrG) vorsätzlich gewerbsmäßig mit darauf entfallenden Verkürzungsbeträgen (§§ 33 Abs 5, 37 Abs 2 FinStrG) in Höhe von insgesamt 2.510.696,69 Euro (Fakten 1 bis 12) nach vorschriftswidriger Einfuhr von 19.441.800 Zigaretten in das Zollgebiet der EU diese Zigaretten mittels heimlicher und undeklarierter Beifracht zu der in den Fracht- und Zollpapieren als Gesamtladung ausgewiesenen Tarnladung von Ungarn, Italien und Österreich aus nach England verbracht, und dadurch

a) Sachen hinsichtlich welcher ein Schmuggel, eine Verzollungsumgehung, oder einer Verkürzung von Abgaben begangen wurde, an sich gebracht, verheimlicht und verhandelt (Fakten 1 - 12), und zwar

aa) am 22. Jänner 2005 1.000.000 Zigaretten der Marke Sovereign Classic,

ab) am 4. Februar 2005 2.000.000 Zigaretten der Marke Sovereign Classic,

ac) am 18. Februar 2005 1.000.000 Zigaretten der Marke Sovereign Classic,

ad) am 4. März 2005 3.000.000 Zigaretten der Marken Superkings und Sovereign Classic,

ae) am 13. März 2005 3.000.000 Zigaretten der Marken Superkings und Sovereign Classsic,

af) am 18. März 2005 4.270.000 Zigaretten der Marken Superkings und Sovereign Classic,

ag) am 12. Juni 2005 2.571.000 Zigaretten der Marken Superkings und Regals,

ah) am 13. September 2005 2.600.000 Zigaretten der Marken Superkings, Regals und Ronson,

b) unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten eine Abgabenverkürzung der Tabaksteuer bewirkt, und zwar

ba) am 4. März 2005 2.000.000 Zigaretten der Marken Superkings und Sovereign Classic (Faktum 6),

bb) am 13. März 2005 2.000.000 Zigaretten der Marke Superkings (Faktum 8),

bc) am 18. März 2005 2.000.000 Zigaretten der Marke Superkings (Faktum 10),

bd) am 12. Juni 2005 2.571.000 Zigaretten der Marke Superkings, Regals und Ronson (Faktum 11),

be) am 13. September 2005 2.600.000 Zigaretten der Marke Superkings, Regals und Ronson (Faktum 12).“

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der dagegen von Beate B***** aus den Gründen des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass in der angefochtenen Entscheidung zum Nachteil beider Angeklagten das Strafgesetz mehrfach unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Vorweg wird festgehalten, dass sich das bekämpfte Urteil großteils (US 7 bis 16) darin erschöpft, vor der Finanzstrafbehörde abgelegte - wörtlich aus deren Anlassbericht (ON 49 S 15 bis 41) übernommene - Aussagen von Zeugen und abgesondert Verfolgten wiederzugeben. Ein Feststellungswille der Tatrichter ist diesem Teil der Entscheidung nicht zu entnehmen, womit er als Subsumtionsbasis ausscheidet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19, 581).

Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die - ohne kritische Würdigung (§ 258 Abs 2 StPO) vorgenommene - bloße Wiedergabe von Beweisergebnissen auch nicht hinreicht, (getroffene) Urteilskonstatierungen unter dem Aspekt gesetzeskonformer Begründung (im gegebenen Kontext: Z 5 zweiter und vierter Fall) zu tragen.

Auf der objektiven Sachverhaltsebene lässt die angefochtene Entscheidung großteils ausreichende Feststellungen zur Herkunft der vom Schuldspruch umfassten Zigaretten und solcherart zu einer für die Subsumtion nach § 37 Abs 1 FinStrG erforderlichen Vortat (RIS-Justiz RS0086500) vermissen. So wird zwar eingangs konstatiert, dass am 22. Jänner 2005, am 4. und am 18. Februar 2005 sowie am 4., am 13. und am 18. März 2005 (aa bis af) „Zigaretten zunächst aus Rumänien nach Österreich gebracht“ wurden, in der Folge aber ergänzt, dass „in Österreich“ am 4. Februar 2005 (ab) sowie - aus Italien stammend - am 4., am 13. und am 18. März 2005 (ad bis af) weitere Zigaretten zugeladen wurden (US 5). Hinsichtlich der Lieferungen vom 12. Juni 2005 (ag) und vom 13. September 2005 (ah) findet sich bloß die Feststellung, dass die Zigaretten von Ungarn aus transportiert wurden (US 5 f).

Zur finanzstrafrechtlichen Beurteilung der Einfuhr von Zigaretten sind Feststellungen zum Herkunftsland aber unerlässlich, wobei sich die Rechtslage - fallbezogen ausgehend von der zur Zeit der Tat geltenden (strafrechtlichen) Normensituation (auf den gemäß § 4 Abs 2 FinStrG anzustellenden Günstigkeitsvergleich wird noch eingegangen werden) - wie folgt darstellt (vgl auch die diesbezüglichen Grundsatzentscheidungen des OGH 13 Os 9/08k, EvBl 2009/64, 420; 13 Os 27/09h, EvBl 2009/138, 920; 13 Os 81/09z; 13 Os 105/09d):

Nach Art 202 Abs 1 lit a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird. Der Einfuhrzoll fällt zwar grundsätzlich (zu den Ausnahmen s Art 215 ZK) im Eintrittsland an, ist aber dennoch Teil des strafbestimmenden Wertbetrags (§ 53 Abs 2 FinStrG), weil der ZK als Verordnung des Rates der EU eine unmittelbar wirksame Rechtsvorschrift ist (Art 288 AEUV) und der darin geregelte Zoll solcherart vom Abgabenbegriff des § 2 Abs 1 lit a FinStrG umfasst wird.

Für die österreichische Einfuhr-USt gelten nach § 2 Abs 1 ZollR-DG iVm § 26 Abs 1 UStG die Bestimmungen des ZK sinngemäß, womit diese beim Import aus einem Drittland über einen anderen EU-Staat grundsätzlich nicht anfällt. Im Blick ist - soweit hier von Interesse - allerdings der in Art 215 ZK vorgesehene Ausnahmefall zu halten, der aufgrund der angeführten Verweisungsnormen auf die Einfuhr-USt durchschlägt: Wenn der Ort des Eintritts in das Zollgebiet der Union nicht bestimmt werden kann, entsteht die Zollschuld an dem Ort, an dem die Zollbehörden feststellen, dass die Ware sich in einer Lage befindet, die eine Zollschuld hat entstehen lassen (Art 215 Abs 1 zweiter Anstrich ZK), was eine Anknüpfung an den Ort der Entdeckung bedeutet.

Grundlage allenfalls im Eintrittsland geschuldeter Einfuhr-USt ist nicht der ZK, sondern nationales Recht des betreffenden (anderen) EU-Mitgliedstaats. Nach der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung des § 2 Abs 1 FinStrG war sie daher - anders als nach § 2 Abs 1 lit c FinStrG idF BGBl I 2010/104 - nicht Teil des strafbestimmenden Wertbetrags.

Entsprechendes gilt für im Eintrittsland anfallende Steuern auf Zigaretten und andere Tabakwaren, die als durch Rechtsvorschriften der EU harmonisierte Verbrauchsteuern (RL 92/79/EWG und RL 92/80/EWG) zwar unter § 2 Abs 1 lit c FinStrG idF BGBl I 2010/104 fallen, nach der im Tatzeitraum geltenden Rechtslage aber nicht Teil des strafbestimmenden Wertbetrags waren.

Die zur (österreichischen) Einfuhr-USt dargelegten Grundsätze gelten entsprechend für die österreichische Tabaksteuer, weil auch diesbezüglich die Einfuhr (abgesehen vom in § 25 Abs 2 TabStG geregelten Nichterhebungsverfahren) als „Eingang von Tabakwaren aus Drittländern oder Drittgebieten in das Steuergebiet“ definiert (§ 25 Abs 1 Z 1 TabStG) und für die Erhebung der Tabaksteuer die Geltung der „Zollvorschriften“ - also insbesonders des ZK - angeordnet wird (§ 25 Abs 3 TabStG). Die Entstehung einer österreichischen Tabaksteuerschuld aus dem Titel der Einfuhr im Sinn des § 9 Abs 5 Z 5 TabStG kommt daher beim Import von Zigaretten aus einem anderen EU-Mitgliedstaat oder aus einem Drittland über einen solchen (mit den zur österreichischen Einfuhr-USt dargestellten Ausnahmen) nicht in Betracht. Möglich ist allerdings die Entstehung einer (österreichischen) Tabaksteuerschuld nach § 27 Abs 1 oder Abs 2 TabStG. Diesfalls hat der Steuerschuldner gemäß § 27 Abs 5 TabStG unverzüglich eine Steueranmeldung abzugeben, die Steuer zu berechnen und spätestens am 25. Tag des auf das Entstehen der Steuerschuld folgenden Kalendermonats zu entrichten. Bewirkt er vorsätzlich unter Verletzung der in § 27 Abs 5 TabStG normierten Pflichten eine Verkürzung an Tabaksteuer, erfüllt er den Tatbestand des § 33 Abs 1 FinStrG. Steuerschuldner sind der Bezieher der Tabakwaren und Personen, die sie in Gewahrsam halten oder verwenden (§ 27 Abs 1 zweiter Satz und Abs 2 zweiter Satz TabStG). Dabei ist zu beachten, dass nach der zur Tatzeit geltenden Fassung des § 27 TabStG (BGBl I 2003/124) - anders als nach nunmehriger Rechtslage (BGBl I 2009/151) - derjenige, der die Tabakwaren in Gewahrsam hielt oder verwendete, (in Relation zum Bezieher) nur subsidiärer Steuerschuldner war (13 Os 83/11x).

Sollten die nach den Urteilskonstatierungen in Österreich zugeladenen (die diesbezügliche Menge wurde nicht festgestellt) oder die über Ungarn importierten Zigaretten aus einem anderen EU-Mitgliedstaat stammen (Italien ist EU-Gründungsmitglied, Ungarn am 1. Mai 2004 der EU beigetreten), würde sich somit der darauf bezogene strafbestimmende Wertbetrag hinsichtlich der Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei (a) auf Null reduzieren.

In Bezug auf die Einfuhr-USt ging das Erstgericht offenbar teilweise vom Vorliegen des Ausnahmetatbestands des zweiten Anstrichs des Art 215 Abs 1 ZK aus (US 19). Auf welche Urteilsfakten und auf welche Zigarettenmenge sich diese Annahme bezieht, ist der angefochtenen Entscheidung aber nicht zu entnehmen.

Unzureichend sind auch die Feststellungen zu den Tathandlungen der Angeklagten:

Hinsichtlich der Zigarettenlieferungen vom 22. Jänner 2005 (aa) und vom 18. Februar 2005 (ac) enthält das Ersturteil insoweit gar keine Konstatierungen.

Bezüglich der Fakten, bei denen in Österreich eine Zuladung erfolgte (ab und ad bis af), hält das Erstgericht fest, dass die Angeklagten „jeweils die LKWs und Auflieger zur Verfügung“ stellten und „bei der Umladung der Zigaretten“ halfen (US 5). Da zu den diesbezüglichen Teilen des Schuldspruchs - wie dargelegt die rechtsrichtige Subsumtion hindernd - Feststellungen zum Herkunftsort der Zigaretten fehlen, sei (unter dem Aspekt der Strafzumessung [§ 33 Z 4 StGB, § 34 Abs 1 Z 6 StGB]) nur der Vollständigkeit halber angemerkt, dass diese Konstatierungen zu den Tathandlungen (ausgehend von der im Urteil vorgenommenen Subsumtion nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG) in Richtung eines sonstigen Tatbeitrags (§ 11 dritter Fall FinStrG) weisen, wogegen die Tatrichter ersichtlich von unmittelbarer Täterschaft (§ 11 erster Fall FinStrG) ausgehen (US 2, 3, 6, 18).

Zu den Fahrten vom 12. Juni 2005 (ag) und vom 13. September 2005 (ah) enthält die angefochtene Entscheidung hinsichtlich Alfred B***** keine Feststellungen, bezüglich Beate B***** lediglich die - unsubstantiierte und solcherart nicht subsumtionstaugliche - Aussage, sie habe die Fahrten gemeinsam mit Karl-Heinz S***** organisiert (US 5).

In Bezug auf die Faktengruppe b wird - mit Blick auf die obigen Ausführungen zur Entstehung einer Tabaksteuerschuld nach § 27 TabStG - nicht klar, warum die Angeklagten als Tabaksteuerschuldner und solcherart als (den diesbezüglichen Urteilsannahmen folgend: unmittelbare) Täter im Sinn des § 33 Abs 1 FinStrG anzusehen sein sollen. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Feststellungen der Tatrichter insoweit auch keine tragfähige Basis für die allfällige Annahme eines sonstigen Tatbeitrags oder einer Abgabenhehlerei (§ 37 Abs 1 FinStrG) in Bezug auf eine Hinterziehung von Tabaksteuer (vgl 13 Os 105/09d) bilden.

Da die Urteilskonstatierungen die vorgenommene Subsumtion somit nicht tragen, waren die Schuldsprüche - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter SatzStPO), was die Kassation der Strafaussprüche (einschließlich des Wertersatzerkenntnisses) nach sich zog.

Auf diese Entscheidung war die Angeklagte Beate B***** mit ihren Rechtsmitteln zu verweisen.

Zwecks Vermeidung allfälliger Fehler im zweiten Rechtsgang sei ergänzt:

Der Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) b erfolgte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a (aF) FinStrG (US 3). Das diesbezügliche Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) trifft hingegen zu konkreten Abgabenverkürzungen keine Aussage (US 3) und wird demnach dem Zweck, jene entscheidenden Tatsachen zu bezeichnen, auf welche die gesetzliche Deliktsbeschreibung der als begründet befundenen strafbaren Handlung abstellt (Lendl, WK-StPO § 260 Rz 9), nicht gerecht.

Gemäß § 4 Abs 2 FinStrG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung erster Instanz geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre. Dies bedeutet, dass im Fall gleicher Günstigkeit der zu vergleichenden Normsituationen das Tatzeit-Recht anzuwenden ist.

Bei isolierter Betrachtung wäre somit im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs wegen Finanzvergehen der Abgabenhehlerei (a) § 37 FinStrG idF BGBl 1999/28 anzuwenden.

Entsprechendes gilt grundsätzlich für einen erneuten Schuldspruch nach § 33 FinStrG (b). Insoweit ist aber die mit der FinStrG-Novelle 2010 BGBl I 2010/104 vorgenommene Neufassung des § 33 Abs 5 FinStrG zu berücksichtigen, die im Fall von entsprechenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu einem für die Angeklagten günstigeren Ergebnis führen könnte.

Generell wird darauf zu achten sein, dass bei dem nach § 4 Abs 2 FinStrG anzustellenden Günstigkeitsvergleich die jeweilige Rechtslage in ihrer „Gesamtauswirkung“ in den Blick zu nehmen ist. Dies bedeutet einerseits, dass nicht nur die angedrohten Strafen oder einzelne Sanktionselemente einander gegenüberzustellen, sondern alle in Betracht kommenden Bestimmungen in den Vergleich einzubeziehen sind (13 Os 25/03, 15 Os 163/03), und andererseits, dass es - bezogen auf jeweils eine Tat im materiellen Sinn (Ratz in WK2 Vor §§ 28-31 Rz 1) - unzulässig ist, Teile der zu vergleichenden Normen zu kombinieren und solcherart eine (für die Angeklagten möglichst günstige) fiktive Rechtslage zu schaffen (Tannert, FinStrG § 4 Anm 3, E 66). Im Hinblick darauf wird insbesonders auch die Einfügung des § 2 Abs 1 lit c FinStrG durch die FinStrG-Novelle 2010 zu berücksichtigen sein.

Die Änderungen des § 38 FinStrG durch die FinStrG-Novelle 2010 beeinflussen den Günstigkeitsvergleich fallbezogen nicht, weil diesbezüglich nach der Übergangsbestimmung des § 265 Abs 1p FinStrG das Tatzeitrecht (richtig: bis 4. Juni 2005 Fassung BGBl I 1999/28, ab 5. Juni 2005 Fassung BGBl I 2004/57) auch Urteilszeitrecht ist.

In Bezug auf die Strafe des Wertersatzes (§ 19 FinStrG) bedeutet das gänzliche Unterlassen der Verhältnismäßigkeitsprüfung einen unvertretbaren Verstoß gegen eine Bestimmung über die Sanktionsfindung (nämlich gegen § 19 Abs 5 FinStrG), was zur Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO führt (RIS-Justiz RS0088035, jüngst 13 Os 83/11x).

Hinsichtlich der zum Zigarettentransport benützten Beförderungsmittel kommt hinzu, dass die angefochtene Entscheidung (auch durch den Hinweis „ON. 50 ab Aktenseite 387 ff“ [US 20]) keine Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen trifft. Dies ist aber für die Frage der Zulässigkeit einer Wertersatzstrafe entscheidend, weil diese den Verfall substituiert (§ 19 Abs 1 FinStrG) und die in § 17 Abs 2 FinStrG genannten Gegenstände grundsätzlich (zu den Ausnahmen siehe § 17 Abs 3 zweiter und dritter Satz FinStrG) nur dann für verfallen zu erklären sind, wenn sie zur Zeit der Entscheidung im Eigentum oder Miteigentum des (unmittelbaren) Täters oder eines anderen an der Tat Beteiligten stehen (§ 17 Abs 3 erster Satz FinStrG).

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