OGH 13Os4/12f

OGH13Os4/12f5.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juli 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sasa L***** und andere Angeklagte wegen des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2, 130 zweiter, dritter und vierter Fall, (zu ergänzen:) 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Sasa L***** und Dejan Z***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 9. September 2011, GZ 51 Hv 20/11t-190, sowie die Beschwerde des Sasa L***** gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und die Beschwerde des Dejan Z***** gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung sowie den Antrag des Dejan Z***** auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 27. Dezember 2011, GZ 51 Hv 20/11t-205, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 27. Dezember 2011, GZ 51 Hv 20/11t-205, wird der Angeklagte Dejan Z***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen, die Beschwerde des Sasa L***** gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und die Beschwerde des Dejan Z***** gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Sasa L***** und Dejan Z***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant wurden mit dem angefochtenen Urteil Sasa L***** und Dejan Z***** des Verbrechens des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2, 130 zweiter, dritter und vierter Fall, (zu ergänzen:) 15 StGB (I) sowie jeweils mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (III/2) und Dejan Z***** zudem (richtig:) zweier Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB und eines Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, 224 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach haben

(I) in der Zeit von 13. Mai 2010 bis 25. November 2010 an mehreren Orten Österreichs den im Urteil namentlich genannten Gewahrsamsträgern fremde bewegliche Sachen in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (zumindest) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung durch Einbruch mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schwerem Diebstahl und Diebstahl durch Einbruch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,

A) weggenommen, und zwar

1) Sasa L***** in zwei Angriffen 28.100 Euro und Getränke,

2) Sasa L***** und Dejan Z***** in vierundzwanzig Angriffen Bargeld, Goldbarren, Goldmünzen, Schmuck und andere Wertgegenstände wie Möbeltresore, Revolver sowie Elektronikgeräte im Gesamtwert von rund 250.000 Euro und

B) Sasa L***** und Dejan Z***** in acht Angriffen wegzunehmen versucht;

(II) Dejan Z***** bis zum 25. November 2010 falsche Urkunden, nämlich eine im Urteil näher beschriebene nachgemachte amerikanische Identitätskarte, einen solchen kalifornischen Führerschein und einen solchen deutschen Personalausweis mit dem Vorsatz hergestellt, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich dem Nachweis seiner Identität gebraucht werden, wobei er in Betreff der letztangeführten Urkunde die in § 223 StGB mit Strafe bedrohte Handlung in Beziehung auf eine ausländische öffentliche Urkunde beging, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist;

(III) Sasa L***** und Dejan Z***** am 7. November 2010 Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, nämlich zehn (vinkulierte) Sparbücher und andere Dokumente des Maximilian H***** mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden.

Die dagegen von Sasa L***** und Dejan Z***** jeweils aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Sasa L*****:

Der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) und Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) reklamierenden Mängelrüge ist vorweg zu erwidern, dass bei Geltendmachung der Z 5 die Gesamtheit der Entscheidungsgründe in Blick zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0119370, RS0116504) und formelle Begründungsmängel hinsichtlich entscheidender Tatsachen geltend zu machen sind. Von Letzteren ist die Rede, wenn die Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens in den Entscheidungsgründen die rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch oder - im Fall gerichtlicher Strafbarkeit - darüber beeinflusst, welche strafbare(n) Handlung(en) begründet werde(n) (RIS-Justiz RS0117264). Davon zu unterscheiden sind erhebliche Tatsachen, also solche, die für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache von Bedeutung, also erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) sind. Allerdings können einzelne dieser erheblichen Umstände, die in ihrer Zusammenschau die Grundlage für die bekämpfte Feststellung bilden, isoliert unter dem Aspekt der Z 5 nicht bekämpft werden, außer die Tatrichter hatten darin - was hier nicht der Fall ist - erkennbar eine notwendige Bedingung für Feststellung einer entscheidenden Tatsache erblickt (RIS-Justiz RS0116737).

Indem die Rüge (auch entgegen dem entsprechenden Erfordernis ohne Angaben von Fundstellen im Akt; vgl RIS-Justiz RS0124172) mit der Behauptung eines Verstoßes gegen den Grundsatz „in dubio pro reo“ zu den von ihr isoliert betrachteten - vom erkennenden Gericht in der Gesamtheit für die Feststellung entscheidender Tatsachen herangezogenen - Verfahrensergebnissen eigene Beweiswert-erwägungen anstellt und solcherart auch unter Hinweis auf die (ohnedies erörterte; US 16) Verantwortung des Angeklagten (auch zum Alibi für die Zeit von 15. bis 22. November 2010) dessen Täterschaft (mit Ausnahme der Taten laut Schuldspruchpunkte I/A/1/a und b, I/A/2/2/b/e und x) bestreitet, erfüllt sie die dargestellten Kriterien nicht, sondern bekämpft bloß unzulässig die erstgerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Im Übrigen haben die Tatrichter ihre Überzeugung von einer (Mit-)Täterschaft des Angeklagten mängelfrei aus zahlreichen in der Hauptverhandlung vorgekommenen Indizien (unter anderem Rufdaten, ähnliche - jedoch entgegen dem Einwand von Aktenwidrigkeit vom Erstgericht gerade nicht einem bestimmten Täter zugeordnete - Schuhabdruckspuren, ähnliche Werkzeug-spuren, Tatzeit- und Tatortnähe, gleicher modus operandi [Aufbrechen von Terrassentüren oder von Fenstern], Sicherstellung von Diebsgut und einer Rechnung für Werkzeug im Fahrzeug eines Mittäters, Wahrnehmung des von den Angeklagten benützten Fahrzeugs an unterschiedlichen Tatorten, Sicherstellung von Einbruchswerkzeug, Maskierungen und Handys in der vom Beschwerdeführer benützten Wohnung und zu den Schuldsprüchen I/A/2/2/1/a bis f und I/B/1 und 2 auch die zur Tat laut Schuldspruch I/A/2/2/1/e sichergestellten DNA-Spuren, die den beiden Beschwerdeführern zugeordnet wurden; US 15 f) abgeleitet und den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend dargelegt, weshalb sie der leugnenden Verantwortung nicht gefolgt sind, wobei sie auch berücksichtigt haben, dass die zur Untermauerung des Alibis herangezogenen Reisepässe nicht gefälscht waren (US 17 f).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erweckt mit dem pauschalen Verweis auf die Aktenlage (erneut ohne konkreten Aktenbezug; vgl aber RIS-Justiz RS0118424, RS0118780) und die Ausführungen zur Mängelrüge keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Dejan Z*****:

Auch die - ebenso ohne Angaben von Fundstellen im Akt ausgeführte (vgl RIS-Justiz RS0124172) - Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) des Angeklagten Dejan Z***** orientiert sich mit dem Einwand „Nur die Tatsache, dass an bestimmten Orten auch andere strafbare Handlungen gesetzt werden, kann wohl nicht für eine Begründung dahingehend herangezogen werden, dass diese Personen auch für die anderen Straftaten verantwortlich sind“ und der Behauptung, es gäbe - mit Ausnahme „für das Faktum A.2.e)“ - „keinerlei Hinweise“ für eine Täterschaft des Beschwerdeführers, nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden gegen die gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschlüsse folgt (§ 285i StPO).

Mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und seiner Beschwerde gegen den gemäß § 285a Z 2 StPO gefassten Beschluss des Vorsitzenden des Schöffensenats vom 27. Dezember 2011, GZ 51 Hv 20/11t-205, war der Angeklagte Dejan Z***** auf die Entscheidung über seine nach Urteilsangleichung rechtzeitig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde zu verweisen.

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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