OGH 8Ob62/12v

OGH8Ob62/12v28.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj P***** A*****, wohnhaft bei ihrer Mutter K***** A*****, wegen Feststellung der Pflegeelterneigenschaft, über den Revisionsrekurs der Antragstellerinnen 1) K***** A*****, und 2) Dr. T***** F*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Michaela Tulipan, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 12. April 2012, GZ 54 R 41/12v‑5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 1. März 2012, GZ 4 Ps 30/12a‑2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Kind P***** ist die Tochter der Erstantragstellerin. Der Vater wurde von der Mutter nicht angegeben.

Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2012 stellten die Antragstellerinnen den Antrag, das Gericht möge feststellen, dass die Zweitantragstellerin Pflegeelternteil des Kindes P***** sei. Das Kind sei die Tochter der Erstantragstellerin, die seit mehreren Jahren eine Lebensgemeinschaft mit der Zweitantragstellerin führe. Die Lebensgefährtinnen hätten beschlossen, dass die Erstantragstellerin ein Kind bekommen und dieses im gemeinsamen Haushalt aufwachsen solle. Beide Mütter seien primäre Bezugspersonen und würden die elterliche Verantwortung für das Kind gemeinsam tragen sowie dessen Erziehung gemeinsam übernehmen. Sie seien gleichwertige Mütter mit gleichen Rechten und Pflichten.

Das Erstgericht wies den Antrag zurück. Durch eine Pflegeelternschaft bleibe ein allfälliges Obsorgeverhältnis zu anderen Personen unberührt. Eine gerichtliche Bestätigung des Pflegevertrags sei nicht vorgesehen. Für die begehrte gerichtliche Bestätigung mangle es daher an einer gesetzlichen Grundlage.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es wiederholte die Argumente des Erstgerichts, wonach eine gerichtliche Bestätigung der Pflegeelternschaft in § 186 ABGB nicht vorgesehen sei und ein allfälliges Obsorgeverhältnis zu anderen Personen durch die Pflegeelternschaft unberührt bleibe. Die Pflegeelternschaft könne auf einem ausdrücklichen Vertragsverhältnis mit dem Obsorgeberechtigten bzw dem gesetzlichen Vertreter des Kindes beruhen oder aus faktischen Umständen resultieren. Die Bestimmung des § 186 Abs 1 AußStrG sei nicht anwendbar, weil sich die gewünschte Bestätigung auf ein Rechtsverhältnis und nicht auf dem Gericht bekannte Tatsachen beziehe. Da die Pflegeelternschaft jederzeit beendet werden könne, müsse jede Behörde, vor der die Pflegeelternschaft geltend gemacht werde, deren Vorliegen als Vorfrage prüfen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu der vom Rekursgericht zu lösenden Rechtsfrage höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen, mit dem sie die Stattgebung ihres Antrags anstreben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Zunächst stellt sich die Frage der Antrags‑ und Rechtsmittellegitimation der Zweitantragstellerin, die sich auf ihre Stellung als Pflegeelternteil beruft.

Gemäß § 186 ABGB sind Pflegeeltern Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Sie haben das Recht, in dem die Person des Kindes betreffenden Verfahren Anträge zu stellen.

Die Umschreibung des Begriffs „Pflegeeltern“ knüpft an zwei Merkmale an, und zwar an einer persönlichen, emotionalen Beziehung einerseits und an einer tatsächlichen (gänzlichen oder teilweisen) Besorgung der Pflege und Erziehung andererseits, was wiederum eine rechtmäßige und regelmäßige Betreuung voraussetzt (vgl 3 Ob 165/11b). Die Pflegeelterneigenschaft nach § 186 ABGB ist kraft Gesetzes gegeben, wenn die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale vorliegen. Dies gilt auch für die Beendigung der Pflegeelterneigenschaft. Maßgebend sind die faktischen Verhältnisse. Auf die Art des Begründungsaktes oder auf die Rechtsgrundlage dafür kommt es nicht an (8 Ob 54/11s; 3 Ob 165/11b mwN).

Ausgehend von der Aktenlage kann für das vorliegende Verfahren nach den derzeitigen faktischen Verhältnissen iSd § 186 ABGB an der materiell‑rechtlichen Stellung der Zweitantragstellerin als Pflegeelternteil nicht gezweifelt werden. Ihre Antrags- und Rechtsmittellegitimation ist daher zu bejahen.

2.1 Den Vorinstanzen ist darin zuzustimmen, dass eine gerichtliche Bestätigung der Pflegeelterneigenschaft im ABGB nicht vorgesehen ist (Stabentheiner in Rummel³ § 186 ABGB Rz 7; Haberl in Schwimann³ § 186 Rz 6; Deixler‑Hübner in Kletečka/Schauer ABGB‑ON 1.00 § 186 Rz 3). Es trifft daher zu, dass die Pflegeelterneigenschaft erforderlichenfalls von der zuständigen Behörde im Einzelfall als Vorfrage zu beurteilen ist.

Entgegen den Überlegungen im Revisionsrekurs kann aus § 228 ZPO nicht das Recht auf Feststellung jedes strittigen oder unklaren Rechtsverhältnisses abgeleitet werden. Die Feststellungsklage bezieht sich auf ein subjektives Recht entweder gegen ein anderes Rechtssubjekt oder an einer Sache. Zusätzlich ist eine tatsächliche Gefährdung der Rechtssphäre des Klägers, ein berechtigtes Interesse am Ausschluss der Gefahr der Anspruchsverjährung bzw an der Klarstellung der Haftungsfrage zur Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten oder die Tatsache vorausgesetzt, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger ein Recht ernsthaft behauptet (vgl RIS‑Justiz RS0039007; RS0040838; RS0038974).

Abgesehen davon, dass die von den Antragstellerinnen begehrte Feststellung der Pflegeelterneigenschaft der Zweitantragstellerin in Wirklichkeit auf eine materielle Anerkennung dieses Rechtsverhältnisses abzielt, ist die vorliegende Konstellation mit dem (formellen) Regelungsgehalt des § 228 ZPO nicht vergleichbar. Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerber scheitert ihr Antrag nicht an der unterschiedlichen Verfahrensart. Der von ihnen verlangte Analogieschluss, den sie selbst nicht näher zu begründen vermögen, ist nicht gerechtfertigt (vgl dazu RIS‑Justiz RS0098756; RS0008757).

2.2 Auch eine Amtsbestätigung nach § 186 AußStrG steht den Antragstellerinnen im gegebenen Zusammenhang nicht zur Verfügung, weil sich die Ausstellung einer derartigen Bestätigung auf eine reine Beurkundungstätigkeit des Außerstreitgerichts reduziert. Demgegenüber bezieht sich die von den Antragstellerinnen begehrte Anerkennung der Pflegeelterneigenschaft der Zweitantragstellerin auf eine rechtliche Qualifikation ihrer Stellung zum Kind und damit auf ein Rechtsverhältnis zu diesem und nicht auf reine Tatsachen.

Entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs scheitert die Ausstellung einer Amtsbestätigung iSd § 186 AußStrG nach der Beurteilung der Vorinstanzen nicht daran, dass das „anzuerkennende Rechtsverhältnis“ dem Gericht aktenmäßig nicht bekannt sei. Bei dem darauf Bezug nehmenden Hinweis des Rekursgerichts handelt es sich um einen für die rechtliche Beurteilung unbedeutenden Zusatz.

3.1 Zusammenfassend ergibt sich:

Die Pflegeelterneigenschaft nach § 186 ABGB ist kraft Gesetzes gegeben, wenn die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, nämlich die geforderte persönliche, emotionale Beziehung einerseits und die tatsächliche (gänzliche oder teilweise) Besorgung der Pflege und Erziehung andererseits vorliegen. Maßgebend sind die faktischen Verhältnisse. Ein Anspruch auf „Bestätigung bzw Feststellung der Pflegeelterneigenschaft“ kann weder aus § 186 ABGB noch aus § 186 AußStrG abgeleitet werden.

3.2 Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit diesen Grundsätzen im Einklang. Dem Revisionsrekurs der Antragstellerinnen war daher der Erfolg zu versagen.

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