OGH 15Os78/12b

OGH15Os78/12b27.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Marvan als Schriftführer in der Strafsache gegen Wolfgang S***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB, AZ 36 Hv 52/11w des Landesgerichts St. Pölten über die Grundrechtsbeschwerde des Wolfgang S***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 22. Mai 2012, AZ 17 Bs 199/12g, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 5. Jänner 2012, GZ 36 Hv 52/11w-86, wurde Wolfgang S***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt.

Der Schuldspruch wurde mittlerweile durch Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 30. Mai 2012, AZ 15 Os 49/12p, rechtskräftig, über die Berufung des Angeklagten hat das Oberlandesgericht noch nicht entschieden.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des Wolfgang S***** gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 18. April 2012, mit dem dieses - in amtswegiger Prüfung der Voraussetzungen (§ 265 StPO iVm § 46 StGB) - die bedingte Entlassung des Genannten aus spezialpräventiven Gründen abgelehnt hatte, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die Grundrechtsbeschwerde des Wolfgang S*****, die sich als unzulässig erweist.

Gemäß § 1 Abs 2 GRBG gilt dieses Gesetz nicht für die Verhängung und den Vollzug von Freiheitsstrafen und vorbeugenden Maßnahmen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen.

Eine Grundrechtsbeschwerde ist daher gegen die Verweigerung oder den Widerruf der bedingten Strafnachsicht oder der bedingten Entlassung nicht zulässig. Insoweit sah der Gesetzgeber den Rechtsschutz durch die Rechtsmittel und Rechtsbehelfe der StPO als ausreichend an (AB 852 BlgNR 18. GP 4; Graff, ÖJZ 1992, 777 [780]; Reiter, ÖJZ 2007, 391 [392]).

Die Bestimmung des § 265 StPO ermöglicht es - als Ausnahmeregelung -, über die bedingte Entlassung eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilten auch schon vor Rechtskraft des Strafausspruchs (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO) und Erlassung der Strafvollzugsanordnung zu entscheiden. Schutzzweck dieser Norm ist es, Angeklagte, welche von ihrem Rechtsmittelrecht Gebrauch machen, gegenüber Angeklagten, die von einer Urteilsbekämpfung Abstand nehmen, nicht zu benachteiligen (RIS-Justiz RS0116527 [T1]; Lewisch, WK-StPO § 265 Rz 2).

Ein solcher Beschluss entfaltet Wirksamkeit nur für den Fall der Rechtskraft des Urteils (15 Os 86/10a; WK-StPO § 265 Rz 5; einschränkend für den Fall, dass das Urteil auch zum Nachteil des Angeklagten angefochten wird 13 Os 9/10p). Somit liegt inhaltlich eine Entscheidung über den Vollzug von Freiheitsstrafen im Sinn des § 1 Abs 2 GRBG vor (so auch 13 Os 9/10p). Demgemäß unterliegen solche Beschlüsse auch dem Regelungsregime und den Kriterien der bedingten Entlassung (§ 46 StGB; dass der Vollzug einer Freiheitsstrafe - dem Beschwerdeeinwand zuwider - nicht notwendig stets von der Rechtskraft des Strafausspruchs abhängt, zeigt übrigens § 294 Abs 1 letzter Halbsatz StPO).

Auch unter dem Gesichtspunkt der Unverhältnismäßigkeit nach Art 5 MRK ergibt sich keine grundrechtliche Prüfungsnotwendigkeit, ist die aufgrund einer erstinstanzlichen Verurteilung verhängte Haft doch aus Art 5 Abs 1 lit a MRK gerechtfertigt (Grabenwarter/Pabel EMRK5 § 21 Rz 10).

Da der von der Grundrechtsbeschwerde angefochtene Beschluss somit eine Frage des Vollzugs, nämlich die Dauer der zu verbüßenden Freiheitsstrafe, zum Entscheidungsgegenstand hatte, war die dagegen gerichtete, nicht in einen Erneuerungsantrag nach § 363a StPO umdeutbare (RIS-Justiz RS0123350) Grundrechtsbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0061089).

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