OGH 15Os61/12b

OGH15Os61/12b27.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Oshidari und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Marvan als Schriftführer in der Strafsache gegen Ranjit C***** wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Februar 2012, GZ 43 Hv 119/11z-69, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Schuldspruch und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Strafsache an das Bezirksgericht Donaustadt mit dem Auftrag verwiesen, nach den Bestimmungen des 11. Hauptstücks vorzugehen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - in Rechtskraft erwachsene Freisprüche des Ranjit C***** enthaltenden - Urteil wurde dieser des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien etwa vom 3. bis 29. Juni 2011, wenn auch nur fahrlässig, einen Schlagring, somit eine verbotene Waffe, unbefugt besessen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Schuldspruch gerichteten, auf Z 10a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt - in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Generalprokuratur - Berechtigung zu.

Die Diversionsrüge (Z 10a) kritisiert zutreffend, dass die im Urteil enthaltenen Feststellungen, wonach der bislang unbescholtene und insofern geständige Angeklagte, unmittelbar nachdem er am 3. Juni 2011 Opfer eines Raubüberfalls geworden war, einen (verbotenen) Schlagring erwarb und bis zum 29. Juni 2011 besaß, um sich gegen eventuelle künftige Angriffe zu Wehr setzen zu können (US 5), die Nichtanwendung der Diversion nicht zu tragen vermögen.

Bei der Bewertung des Grades der Schuld als „schwer“ ist von jenem Schuldbegriff auszugehen, der nach §§ 32 ff StGB die Grundlage für die Strafbemessung bildet, wobei stets nach Lage des konkreten Falls eine ganzheitliche Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten Tatumstände vorzunehmen ist. Demnach müssen sowohl das Handlungs-, Erfolgs- als auch das Gesinnungsunrecht insgesamt eine Unwerthöhe erreichen, die im Wege einer überprüfenden Gesamtwertung als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist. Dabei kommt auch der vom Gesetzgeber in der Strafdrohung zum Ausdruck gebrachten Vorbewertung des deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalts eine Indizwirkung für die Schuldabwägung zu (14 Os 32/08z, 14 Os 33/08x = SSt 2008/20).

Bei ganzheitlicher Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten Tatumstände ist zu berücksichtigen, dass den angeführten Milderungsgründen vorliegend kein Erschwerungsgrund gegenübersteht (US 8), weshalb mit Blick auf die (bezogen auf den Gesamtbereich prinzipiell diversionsfähiger Delikte) eher geringe Strafobergrenze des § 50 Abs 1 Z 2 WaffG die Schuld als nicht schwer im Sinn des § 198 Abs 2 Z 2 StPO anzusehen ist.

Da das Erstgericht auch keine spezialpräventiven Diversionshindernisse konstatierte und die - im Rahmen der Strafbemessung erwogenen - generalpräventiven Aspekte einem Vorgehen nach §§ 198 ff StPO nur entgegenstünden, wenn die konkret gewählte Diversionsform von der Bevölkerung nicht als adäquate strafrechtliche Reaktion auf das zu beurteilende Fehlverhalten eingestuft würde (vgl Schroll, WK-StPO § 198 Rz 41), haftet dem Schuldspruch die geltend gemachte Nichtigkeit der Z 10a des § 281 Abs 1 StPO an.

Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im schuldig sprechenden Umfang und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufzuheben und die Strafsache insoweit an das Bezirksgericht Donaustadt mit dem Auftrag zu verweisen, nach den Bestimmungen des 11. Hauptstücks der Strafprozessordnung vorzugehen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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