OGH 3Ob102/12i

OGH3Ob102/12i14.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich (Z*****), vertreten durch die Finanzprokuratur, gegen die beklagten Parteien 1. R*****, 2. J*****, und 3. mj J*****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Michael Hofbauer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Anfechtung (96.589,09 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. April 2012, GZ 12 R 102/11z-37, womit über Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 12. April 2011, GZ 4 Cg 68/09i-33, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Laut dem auf einer Berufungsentscheidung des UFS Wien vom 21. Juni 2005 beruhenden vollstreckbaren Rückstandsausweis vom 24. März 2009 schuldet der Zweitbeklagte der klagenden Republik Österreich (Bund) an öffentlichen Abgaben einen Betrag von 96.589,09 EUR.

Mit Übergabsvertrag vom 3. Jänner 2008 übergab der Zweitbeklagte seiner damaligen Lebensgefährtin und nunmehrigen Ehegattin, der Erstbeklagten, eine Liegenschaft samt Einfamilienhaus. Die „Gegenleistung“ bestand in der Einräumung eines lebenslänglichen und unentgeltlichen Wohnungsgebrauchsrechts an der gesamten Liegenschaft.

Im Schenkungsvertrag vom 25. Februar 2008 wurde zwischen der Erstbeklagten und dem Drittbeklagten, dem gemeinsamen Sohn der Erst- und des Zweitbeklagten, vereinbart, dass die vorhin genannte Liegenschaft im Zeitpunkt des Ablebens der Erstbeklagten dem Drittbeklagten geschenkt und übergeben wird. In diesem Vertrag wurde dem Drittbeklagten ein Belastungs- und Veräußerungsverbot eingeräumt.

Die Erstbeklagte ist am 12. Juni 1977 geboren, der Zweitbeklagte am 16. September 1950 und der Drittbeklagte am 21. April 2006; bei Abschluss des Schenkungsvertrags war er durch eine Kollisionskuratorin vertreten.

Das Alleineigentum der Erstbeklagten, das Wohnungsgebrauchsrecht des Zweitbeklagten und das Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Drittbeklagten wurden grundbücherlich einverleibt.

Das Erstgericht gab der am 1. April 2009 eingebrachten, auf § 2 Z 3 und § 3 Z 1 AnfO gestützten Anfechtungsklage statt und verpflichtete die Beklagten, zur Hereinbringung der vollstreckbaren Abgabenforderung von 96.589,09 EUR jede Exekution in die Liegenschaft zu dulden, der Zweitbeklagte im Rang vor dem zu seinen Gunsten eingeräumten Wohnungsgebrauchsrecht, der Drittbeklagte im Rang vor dem zu seinen Gunsten einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbot. Den Beklagten wurde eine Lösungsbefugnis durch Zahlung von 96.589,09 EUR eingeräumt.

Über den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt hinaus stellte das Erstgericht fest:

Der Übergabsvertrag und der Schenkungsvertrag wurden zu dem Zweck errichtet, die Liegenschaft dem Zugriff von Gläubigern, insbesondere der klagenden Partei zu entziehen, was sowohl der Erst- als auch dem Zweitbeklagten stets bekannt und von ihnen auch so beabsichtigt war. Gegen den Zweitbeklagten wurden zahlreiche Exekutionen geführt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen (bzw sah einzelne bekämpfte Feststellungen als rechtlich irrelevant an) und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Die Benachteiligungsabsicht des Zweitbeklagten und die Kenntnis der Erstbeklagten davon seien den Feststellungen zu entnehmen; die Kenntnis der Erstbeklagten sei auch dem Drittbeklagten zuzurechnen. Sowohl die Voraussetzungen der Anfechtung nach § 2 Z 3 AnfO als auch diejenigen nach § 3 Z 1 AnfO seien erfüllt. Die Übertragung des Eigentums an der Liegenschaft sei ungeachtet des Vorbehalts des lebenslänglichen Gebrauchsrechts als unentgeltliche Verfügung zu qualifizieren.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer außerordentlichen Revision machen die beklagten Parteien keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) geltend.

Die beklagte Partei bezeichnet - kurz zusammengefasst - folgende Rechtsfragen als erheblich:

(a) Der konkrete Wille der erst- und zweitbeklagten Parteien in Bezug auf die Benachteiligungsabsicht sei nicht ausreichend festgestellt.

(b) Die Übergabe der Liegenschaft an die Erstbeklagte sei - im Hinblick auf die Verpflichtung zu einer äquivalenten Gegenleistung in Form des lebenslänglichen Wohnungsgebrauchsrechts - zu Unrecht als unentgeltliche Verfügung beurteilt worden.

(c) In der Zwischenzeit sei die Erstbeklagte von der gegen sie erhobenen Anklage der Beteiligung an einer betrügerischen Krida im Zusammenhang mit dem Erwerb der Liegenschaft freigesprochen worden; darauf sei Rücksicht zu nehmen.

(d) Die Feststellung, dass die Berufungsentscheidung des UFS Wien vom 21. Juni 2005 dem Zweitbeklagten zugestellt worden sei, sei unrichtig.

ad (a): In Anbetracht der Feststellungen begegnet die Beurteilung des Berufungsgerichts, daraus sei sowohl die Benachteiligungsabsicht des Zweitbeklagten als auch die Kenntnis der Erstbeklagten hievon abzuleiten, keinen Bedenken. In Bezug auf den Willen des Zweitbeklagten liegt eine irrevisible Tatsachenfeststellung vor (3 Ob 433/51 = SZ 24/224 uva; König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung4 [2009] Rz 7/20).

ad (b): Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Übergabsvertrag sei als unentgeltlich zu qualifizieren, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, wonach Wohnrechte nicht als Gegenleistung, sondern als Wertminderung der übergebenen Sache zu qualifizieren sind (RIS-Justiz RS0012978 [T6] und [T9]).

ad (c): Eine wie immer geartete Bindung an ein freisprechendes Strafurteil oder eine Rücksichtnahmeverpflichtung besteht nach ständiger Rechtsprechung nicht (RIS-Justiz RS0031554, RS0040267, RS0106015).

ad (d): Die Bekämpfung der Feststellung, dass die Berufungsentscheidung des UFS Wien vom 21. Juni 2005 dem Zweitbeklagten zugestellt worden sei, scheitert schon allein an der Unzulässigkeit der Bekämpfung von Tatsachenfeststellungen vor dem Obersten Gerichtshof, sodass auf die rechtliche Relevanz der betreffenden Feststellung nicht mehr einzugehen ist.

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) zurückzuweisen.

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