OGH 7Ob82/12b

OGH7Ob82/12b30.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen A***** N*****, Mutter: D***** S*****, Vater: M***** N*****, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 13. März 2012, GZ 43 R 123/12z‑80, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Eltern vereinbarten anlässlich der einvernehmlichen Scheidung im Jahr 2003 die gemeinsame Obsorge sowie den vorwiegenden Aufenthalt des Kindes bei der Mutter. Es kam immer wieder zu Unstimmigkeiten und das Erstgericht versuchte mehrfach, die Eltern dazu zu bewegen, die einvernehmliche Regelung aufrechtzuhalten. 2007 stellten sowohl die Mutter als auch der Vater Anträge auf Übertragung der alleinigen Obsorge. Mit Beschluss vom 3. 10. 2007 übertrug das Erstgericht die Obsorge der Mutter. Am 13. 11. 2007 vereinbarten die Parteien neuerlich die gemeinsame Obsorge. Zuletzt stellten sowohl der Vater als auch die Mutter den Antrag, dem jeweils anderen Elternteil die Obsorge zu entziehen.

Im vorliegenden Verfahren übertrugen die Vorinstanzen die Obsorge für die Minderjährige der Mutter.

Sind beide Eltern nach Scheidung ihrer Ehe mit der Obsorge betraut und beantragt ein Elternteil die Aufhebung dieser Obsorge, so hat das Gericht, wenn es nicht gelingt, eine gütliche Einigung herbeizuführen, nach Maßgabe des Kindeswohls einen Elternteil allein mit der Obsorge zu betrauen (§ 177a Abs 2 ABGB). Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Aufrechterhaltung der Obsorge beider Eltern (auch nur in einem Teilbereich) gegen den Willen eines Elternteils ausgeschlossen. Ein auf die Aufhebung dieser Obsorge gerichteter Antrag eines Elternteils bedarf daher keiner Begründung; es genügt der durch die Antragstellung zum Ausdruck gebrachte Wegfall des Willens eines Elternteils zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen Obsorge. Gegen den Widerspruch des anderen Elternteils kann die gemeinsame Obsorge nicht gerichtlich angeordnet werden (RIS‑Justiz RS0117004). Gegen die entsprechende gesetzliche Regelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (RIS‑Justiz RS0120492).

In der Entscheidung 3 Ob 27/12k schrieb der Oberste Gerichtshof diese Judikatur auch nach Ergehen der vom Revisionsrekurswerber genannten Entscheidungen des EGMR vom 3. 12. 2009, 22028/04, Zaunegger gegen Deutschland, und vom 3. 2. 2011, 35637/03, Sporer gegen Österreich (iFamZ 2011/52 [mit kritischer Anm von Klaar]) für Fälle wie den hier vorliegenden fort.

Auf die vom Revisionsrekurs neuerlich vorgebrachten Bedenken gegen § 177a Abs 2 ABGB im Lichte der Judikatur des EGMR braucht nicht eingegangen werden: Selbst wenn das Gericht auch ohne entsprechende Einigung der Eltern die gemeinsame Obsorge bestimmen könnte, wäre für den Vater nichts gewonnen. Der Vater selbst beantragte die Aufhebung der gemeinsamen Obsorge, sodass insoweit übereinstimmende Anträge der Eltern vorliegen. Die Übertragung der Obsorge an die Mutter liegt im Kindeswohl, weil dieses durch die Prolongation des nun schon seit zumindest fünf Jahren zwischen den Eltern schwelenden Konflikts über die Obsorge gefährdet wäre.

Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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