OGH 7Ob81/12f

OGH7Ob81/12f30.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** M*****, vertreten durch Dr. Heinrich Giglmayr, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 6.956,38 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 8. Februar 2012, GZ 53 R 263/11z-16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 27. Mai 2011, GZ 25 C 537/10g-11, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger schloss mit der Beklagten eine Haushaltsversicherung ab, die auch eine Außenversicherung bis zu 20 % der Versicherungssumme (36.720 EUR) beinhaltet. Dem Versicherungsvertrag liegen die „Vertragsgrundlagen für die Haushaltversicherung, Fassung 2006, Premiumschutz“ (ABH 2006 Premium) zu Grunde. Art 3 und Art 6 der ABH 2006 Premium lauten auszugsweise wie folgt:

Artikel 3

Örtliche Geltung

1. Versicherung in der Wohnung des Versicherungsnehmers

Die Versicherung gilt in der Wohnung des Versicherungsnehmers im Gebäude auf dem Grundstück, das in der Polizze als Versicherungsort angeführt ist. …

...

3. Außenversicherung außerhalb des Versicherungsgrundstückes

Diese Außenversicherung gilt weltweit.

Versichert sind Sachen des Wohnungsinhaltes gemäß Art. 2, die vorübergehend maximal 10 Monate in Räume von ständig bewohnten Gebäuden außerhalb des Versicherungsgrundstückes verbracht werden. …

...

In dieser Außenversicherung sind nicht versichert

• Sachen in Wohnsitzen des Versicherungsnehmers, die nicht als Versicherungsort gemäß Art. 3.1. in der Polizze genannt sind;

• Sachen in Dachböden, Kellern, Ersatzräumen, Nebengebäuden, Stiegenhäusern, Gemeinschaftsräumen etc. und im Freien außerhalb des Versicherungsgrundstückes;

• Glasschäden;

• Schäden an Gebäudezubehör und Baubestandteilen;

• Schäden durch einfachen Diebstahl außerhalb des Versicherungsgrundstückes, ausgenommen einfacher Diebstahl von privaten Zahlungsmitteln und Verlust von Dokumenten außerhalb des Versicherungsgrundstückes gemäß Art. 1.2.1.

...

Artikel 6

Sicherheitsvorschriften

...

Allgemein

Ist das Gebäude , in dem sich die versicherte Wohnung befindet, gemäß Polizze ständig bewohnt , so muss mindestens eine Wohnung in diesem Gebäude mindestens 270 Tage des Jahres bewohnt sein. Eine Verringerung dieser Dauer stellt eine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung im Sinne ABS Art. 2 dar. Diese Regelung gilt auch für die Außenversicherung gemäß Art. 3.3.

Der Kläger nahm seine (professionelle) Fotoausrüstung, die sich in einem Rucksack befand, am 25. 8. 2009 in sein Büro mit und vergaß sie dort. In der Nacht auf den 26. 8. 2009 wurde in das Büro eingebrochen und die Fotoausrüstung gestohlen. Sein Büro befindet sich in einem Bürogebäude mit angeschlossener Lagerhalle. Die Betriebszeit für die Lagermitarbeiter dauert von 6:00 Uhr bis 23:00 Uhr. Im gesamten Gebäude befinden sich drei bis vier Büros.

Der Kläger macht gegenüber dem beklagten Haushaltsversicherer einen Schaden von 6.956,38 EUR sA geltend. Die Arbeitsstätte sei als ständig bewohntes Gebäude im Sinn der ABH 2006 Premium anzusehen. Dort würden sich regelmäßig tagsüber die Dienstnehmer und sein Arbeitgeber aufhalten. Das Geschäftsgebäude sei während des gesamten Jahres - bis auf die Feiertage und Wochenenden - geöffnet und somit „bewohnt“. Auch aus dem Zweck der Außenversicherung ergebe sich, dass Arbeitsstätten von der Haushaltsversicherung mitumfasst seien.

Die Beklagte wendete insbesondere ein, das Betriebsgebäude sei kein ständig bewohntes Gebäude gemäß Art 3.3. ABH 2006 Premium.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe die Fotoausrüstung nur „vorübergehend“ in sein Büro gebracht und sie dort nicht ständig belassen wollen. Das Büro des Klägers befinde sich in einem Bürogebäude mit angeschlossener Lagerhalle; Wohnungen seien dort nicht vorhanden. Eine derartige Arbeitsstätte könne nicht als „ständig bewohntes“ Gebäude im Sinn von Art 3.3. ABH 2006 Premium angesehen werden. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung gehe hervor, dass reine Büroobjekte und Lagerhallen nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien und die diesbezüglich vereinbarte Risikobeschränkung zum Tragen komme. Art 3.3. ABH 2006 Premium sei nicht missverständlich oder unklar und könne auch von einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer entsprechend verstanden werden. Ein Objekt werde „bewohnt“, wenn sich dort üblicherweise und regelmäßig, insbesondere auch zur Nachtzeit, jemand aufhalte. Daher bestehe für die Fotoausrüstung des Klägers an seiner Arbeitsstätte kein Außenversicherungsschutz.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Rechtlich führte es aus, dass der Außenversicherungsschutz nach Art 3.3. ABH 2006 Premium die Deckung zwar auf Orte außerhalb der eigenen Wohnung erstrecke, jedoch eine Risikoeinschränkung auf Wohnräume bzw ständig bewohnte Gebäude vornehme. Ein Büro in einem reinen Bürogebäude diene jedenfalls nicht dem Wohnzweck, weil darunter ein mehr oder minder dauernder privater Gebrauch von Räumen für sich oder für nahe Angehörige, vorübergehend auch für Freunde und Bekannte, sowie auch eine Untervermietung zu verstehen sei. Art 6 ABH 2006 Premium stelle darauf ab, dass im betreffenden Gebäude zumindest eine Wohnung situiert sei. Die Voraussetzung des ständig bewohnten Gebäudes liege schon dann vor, wenn im Gebäude eine Wohnung für die erforderliche Dauer bewohnt werde. Das Bürogebäude mit angeschlossener Lagerhalle, in dem überhaupt keine Wohnungen oder Wohnräumlichkeiten vorhanden seien, werde nicht ständig „bewohnt“. Auf die regelmäßige Benutzung eines Gebäudes könne nicht abgestellt werden. Dies zeige sich an den vom Außenversicherungsschutz explizit ausgenommenen Räumen (zB Stiegenhäuser oder Gemeinschaftsräume). Im Hinblick auf den beabsichtigten Zweck der Klausel, der klar und für jeden objektiven Betrachter verständlich in der Risikobegrenzung liege, sei ständiges Wohnen nicht mit regelmäßigem Benutzen gleichzusetzen. Dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers einer Haushaltsversicherung entspreche es, Büro- und Geschäftsräumlichkeiten außerhalb der eigenen Wohnung am Versicherungsort in einem reinen Bürogebäude nicht als Räume in einem ständig bewohnten Gebäude im Sinn des Art 3.3. ABH 2006 Premium zu qualifizieren.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Ob ein Büro in einem Bürogebäude als Raum eines ständig bewohnten Gebäudes zu qualifizieren sei, sei vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden worden.

Der Kläger macht in der Revision unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Interpretation des Art 3.3. iVm Art 6 ABH 2006 Premium durch die Vorinstanzen folgt den in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen, dass Allgemeine Vertragsbedingungen nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 f ABGB) auszulegen sind. Die einzelnen Klauseln der Versicherungsbedingungen sind, wenn sie - wie hier - nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen. In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu berücksichtigen. Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten im Sinn des § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, also des Versicherers gehen (7 Ob 47/07y mwN uva).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Auslegung der vorstehend genannten Klauseln durch die Vorinstanzen, dass keine Versicherungsdeckung in einem reinen Bürogebäude ohne Wohnungen besteht, entgegen der Ansicht des Klägers zutreffend. Die in der Revision dagegen vorgebrachten Argumente sind nicht stichhältig. Gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO reicht es daher aus, auf die Ausführungen des Berufungsgerichts hinzuweisen und diese wie folgt zu ergänzen:

2.1. Durch die in Art 3.1. ABH 2006 Premium vereinbarte Festlegung des Versicherungsorts mit der Wohnung des Versicherungsnehmers erfolgt in der Haushaltsversicherung eine sekundäre Risikoabgrenzung. Durch die in Art 3.3. normierte „Außenversicherung“ wird der Versicherungsort erweitert, allerdings mit einer besonderen Entschädigungsgrenze. Begehrt der Versicherungsnehmer - wie hier - Deckung aus der „Außenversicherung“, so muss er die für seinen Anspruch maßgeblichen Umstände behaupten und beweisen (7 Ob 95/00x mwN; vgl 7 Ob 47/07y).

2.2. Gemäß Art 3.3. ABH 2006 Premium sind versicherte Sachen des Wohnungsinhalts dann „außenversichert“, wenn sie sich vorübergehend außerhalb der Wohnung befanden, was hier nicht strittig ist. Versichert sind (nur) in Räume von ständig bewohnten Gebäuden verbrachte Gegenstände. Der Ausdruck „ständig bewohnte Gebäude“ charakterisiert nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein Gebäude, das der Befriedigung des individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen dient. Die Räume in einem reinen Bürogebäude - wie dem Arbeitsplatz des Klägers - werden nicht bewohnt, sondern für geschäftliche Tätigkeiten benutzt.

Art 6 ABH 2006 Premium („Allgemein“), der auch für die Außenversicherung gilt, konkretisiert, was unter einem ständig bewohnten Gebäude zu verstehen ist. In diesem Gebäude muss sich zumindest eine Wohnung befinden, die mindestens 270 Tage des Jahres bewohnt wird. Demnach braucht sich die versicherte Sache zwar nicht in einem Wohnraum befinden, jedoch muss zumindest eine Wohnung in diesem Gebäude in der genannten Dauer bewohnt sein. Das Büro des Klägers, in dem die Fotoausrüstung gestohlen wurde, befindet sich in einem Bürogebäude mit angeschlossener Lagerhalle, in dem überhaupt keine Wohnungen oder Wohnräumlichkeiten vorhanden sind. Ein solches Gebäude dient ausschließlich der Verrichtung von Arbeitstätigkeiten, nicht aber Wohnzwecken. Für Räume in einem Bürogebäude besteht daher keine Deckungspflicht der Beklagten.

2.3. Entgegen der Ansicht des Klägers entspricht es nicht dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers einer Haushaltsversicherung, ein ständig bewohntes Gebäude sei bloß ein „regelmäßig benutztes und grundsätzlich nicht für jedermann zugängliches“ Gebäude. Mit diesem Begriffsverständnis übergeht der Kläger nicht nur die Definition in Art 6 ABH 2006 Premium, sondern verlässt auch den Boden des allgemeinen Sprachgebrauchs. Die Außenversicherung deckt das Risiko in einem „ständig benutzten“ Gebäude nur dann, wenn darin zumindest eine Wohnung mindestens 270 Tage des Jahres bewohnt wird.

3. Der Revision des Klägers ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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