OGH 12Os6/12t

OGH12Os6/12t15.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Mai 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Marvan als Schriftführer in der Strafsache gegen Georg O***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Jugendgeschworenengericht vom 10. November 2011, GZ 46 Hv 85/11i-81, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungsausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Georg O***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 27. März 2011 in W***** S***** S***** dadurch vorsätzlich getötet, dass er ihm ein Küchenmesser mit ca 14 cm langer Klinge insgesamt 14 Mal wuchtig in den Schädel, die linke vordere und obere Brust-/Schulter-/Oberarmregion, die rechte Rückenregion sowie die rechte und linke Flankenregion rammte, so dass dieser infolge des mit einer Blutung in die Brusthöhle und in den Herzbeutel sowie beidseitiger Luftbrustfüllung einhergehenden massiven Blutverlusts verstarb.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5 des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Inwiefern der S***** S***** betreffende Pflegschaftsakt, dessen Beischaffung die Verteidigerin des Angeklagten in der Hauptverhandlung beantragt hatte (ON 73 S 64 f, ON 80 S 2), Aufschluss über für die Beurteilung des in Rede stehenden Geschehens erhebliche Umstände hätte geben können, war nicht zu ersehen, sodass das abweisende Zwischenerkenntnis (ON 73 S 66, ON 80 S 3) nicht zu beanstanden ist.

Weshalb es am 10. November 2011 der Vertagung zwecks Besprechung des (der Verteidigerin nach ihrem Vorbringen am 9. November 2011 übergebenen) Hauptverhandlungsprotokolls vom 24. Oktober 2011, „in dem wichtige Zeugenaussagen enthalten“ seien, mit dem Angeklagten bedurft hätte, ging aus dem diesbezüglichen Antrag nicht hervor (ON 80 S 2 f). Er selbst war übrigens auch am letztgenannten Tag in der Hauptverhandlung anwesend (ON 73).

Die Bemerkung der Verteidigerin, es sei „sicher auch interessant, diese Protokolle“ mit dem Sachverständigen zu besprechen (ON 80 S 2 f), stellt keinen Antrag auf Vornahme einer prozessleitenden Verfügung dar, sodass der Verfahrensrüge insoweit die Legitimation fehlt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Dabei wird es im Rahmen der auch gegen die Unterbringung gerichteten Berufung zu beachten haben, dass dem angefochtenen Urteil eine sachverhaltsbezogene Gefährlichkeitsprognose abgeht (vgl US 6: „… zumindest eine neue Tat mit schweren Folgen“; vgl RIS-Justiz RS0113980; § 345 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StPO; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 721, § 285i Rz 6).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass das Urteil in Ansehung des Einziehungserkenntnisses zum Nachteil des Angeklagten mit Nichtigkeit gemäß § 345 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StPO behaftet ist (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 344 StPO; Ratz in WK2 § 26 Rz 18).

Einziehung setzt nach § 26 Abs 1 StGB voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (Ratz in WK2 § 26 Rz 6), die in Betreff des im Urteil ohne nähere Beschreibung genannten Küchenmessers nicht zu ersehen ist (RIS-Justiz RS0121298, RS0090389; 14 Os 135/02). Selbst im Fall einer bestehenden Deliktstauglichkeit wäre dem Berechtigten vor einer Einziehung iSd § 26 Abs 2 StGB angemessene Gelegenheit zu geben, diese besondere Beschaffenheit zu beseitigen (Ratz in WK2 § 26 Rz 15).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Kosten für das amtswegige Einschreiten des Obersten Gerichtshofs fallen ihm nicht zur Last.

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