Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 1.027,40 EUR (darin enthalten 171,23 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 5. 7. 2007 ereignete sich ein Verkehrsunfall, für den die Beklagten zur Gänze haften. Die Geschädigte wurde nach dem Unfall in das Allgemeine Krankenhaus Linz eingeliefert, wo sie bis 13. 9. 2007, also 71 Tage lang, in stationärer Behandlung war. Das Allgemeine Krankenhaus Linz ist eine sogenannte Fondskrankenanstalt und wird über den Oö Gesundheitsfonds finanziert. Der Klägerin entstanden für die Geschädigte auf Basis des für das Jahr 2007 von der Gesundheitsplattform beschlossenen Werts von 1,26 EUR pro LKF-Punkt Aufwendungen von 48.473,46 EUR für den stationären Krankenhausaufenthalt.
Die Klägerin begehrte aufgrund eines mit der Erstbeklagten abgeschlossenen Teilungsabkommens vorprozessual 46.039,97 EUR, worauf die Erstbeklagte 22.187,95 EUR bezahlte. Mit ihrer Klage begehrt sie 23.852,02 EUR an restlicher Regressforderung. Der Oö Gesundheitsfonds habe der Klägerin die Kosten der Heilaufwendungen bekannt gegeben und zum Regress vorgeschrieben. Der Regressanspruch des Versicherungsträgers umfasse nach § 332 Abs 1 Satz 2 ASVG die Aufwendungen des Landesgesundheitsfonds, die nach § 148 Z 2 ASVG von der Krankenanstalt in Rechnung gestellt werden. Der Versicherungsträger habe dem Landesgesundheitsfonds die Regresseinnahmen abzüglich eines Verwaltungskostenersatzes zu überweisen. Leistungen der Fondskrankenanstalten seien nach dem System der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF) abzurechnen. Dabei würden auf Grundlage eines österreichweiten einheitlichen Systems von leistungsorientierten Diagnosefallgruppen mittels eines Punktsystems die LKF-Punkte für den einzelnen „Pflegling“ ermittelt. Gemäß § 28 Abs 1 KAKuG sei der Eurowert je LKF-Punkt vom Landheitsgesundheitsfonds kostendeckend zu ermitteln. Der Krankenanstaltenfinanzierung liege eine gemäß Art 15a B-VG zwischen Bund und Ländern abgeschlossene Grundsatzvereinbarung über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens zugrunde. Der bereits dort ausdrücklich genannte Betriebsabgang sei als Bestandteil der Heilungskosten abzudecken. Wäre der Geschädigte nicht sozialversichert oder ließe er sich in einer privaten Krankenanstalt behandeln, beinhaltete die dortige Rechnung naturgemäß ebenfalls den Betriebsabgang. Es sei daher die Verrechnung des Betriebsabgangs auch im konkreten Fall sachlich gerechtfertigt und nicht verständlich, weshalb die öffentliche Hand für diesen zugunsten des Schädigers aufkommen solle.
Die Beklagten bestritten ausdrücklich die Höhe der LKF-Gebührensätze. Tatsächlich seien leistungsbezogen lediglich 0,64 EUR pro LKF-Punkt angefallen. Damit ergebe sich für den stationären Krankenaufenthalt lediglich ein Aufwand von 24.621,44 EUR und unter Berücksichtigung des Teilungsabkommens ein Gesamtregressanspruch der Klägerin in Höhe der vorprozessualen Zahlung der Erstbeklagten. Der Oö Gesundheitsfonds lasse über die Klägerin im Falle des Drittverschuldens oder im Falle von nicht sozialversicherten Pfleglingen aber einen LKF-Punktewert von 1,26 EUR verrechnen. Dieser Wert beinhalte auch den Betriebsabgang des jeweiligen Krankenhauses. Die Legalzession nach § 332 ASVG trete nur im Umfang sachlich kongruenter Ansprüche ein, somit nur im Rahmen der leistungsorientierten LKF-Gebührensätze, nicht jedoch hinsichtlich des Verlustausgleichs oder sonstiger Ausgleichszahlungen. Der Betriebsabgang sei weder einer konkreten Leistung zuzurechnen noch typische Folge des schädigenden Ereignisses und daher kein sachlich kongruenter Anspruch, der auf den Krankenversicherungsträger übergehen könne. Der Abgang müsse zur Gänze von der öffentlichen Hand getragen werden. Dazu komme, dass nach § 447 f Abs 1 ASVG die Sozialversicherungsträger den Landesgesundheitsfonds jährlich einen Pauschalbetrag für die Leistungen der Krankenanstalten zu leisten hätten. Damit seien alle Leistungen der Krankenanstalten zur Gänze abgegolten. Dies bedeute, dass die Sozialversicherungsträger keinen einer individuellen Behandlungsleistung zurechenbaren Aufwand hätten. Mangels Zuordenbarkeit bestehe ein kongruenter Aufwand der Sozialversicherungsträger iSd § 332 ASVG nicht.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Eurowert pro LKF-Punkt werde vom Oö Gesundheitsfonds alljährlich in einer Sitzung der Gesundheitsplattform, eines seiner Organe, beschlossen und für alle Fondskrankenanstalten in Oberösterreich einheitlich festgelegt. Nach § 28 KAKuG sei der Eurowert je LKF-Punkt als Grundlage für die Ermittlung der LKF-Gebühren, die Pflegegebühren und allfällige Sondergebühren vom Rechtsträger der Krankenanstalt kostendeckend zu ermitteln. Nach § 27 b leg cit seien die an sozialversicherte „Pfleglinge“ in den Fondskrankenanstalten erbrachten Leistungen über den Landesgesundheitsfonds abzurechnen und zwar gemäß § 60 Abs 1 Oö KAG leistungsorientiert nach LKF-Gebührensätzen, die als Produkt der für den einzelnen Patienten ermittelten LKF-Punkte mit dem vom Oö Gesundheitsfonds errechneten Eurowert je LKF-Punkt zu ermitteln seien. Dieser Eurowert pro LKF-Punkt habe nach dem Beschluss der Gesundheitsplattform für das Jahr 2007 1,26 % betragen. Weder der Regressanspruch nach § 332 Abs 1 ASVG noch die Bestimmungen des KAKuG ließen die Unzulässigkeit der Weiterverrechnung in der von der Klägerin vorgenommenen Art erkennen. Entscheidend sei der zweckmäßige bzw tatsächliche Heilungsaufwand, den die behandelnde Krankenanstalt nach den gesetzlichen Bestimmungen im Sinne des LKF-Gebührensatzes in Rechnung gestellt habe. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund bei leistungsorientierter Abrechnung einer Heilbehandlung ein Betriebsabgang nicht miteinzurechnen sein sollte.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die sachliche Kongruenz sei insofern zu bejahen, als die Zahlungen nach § 148 Z 2 ASVG als Kosten der Anstaltspflege aufzufassen seien. In der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung würden Sachleistungen eine beträchtliche Rolle spielen, was in letzter Konsequenz zur Bemessung des Regressanspruchs in Form einer Pauschalierung entsprechend dem Wert des Sachleistungsanspruchs führe. Vor diesem Hintergrund sei für die von Beklagtenseite vertretene Auffassung, dass infolge des Pauschalierungssystems kein konkreter, für den Verletzten entstandener Sachaufwand feststellbar sei, kein Raum. Der LKF-Gebührensatz stelle eine Art verfeinerte Pauschalierung dar, die sich an den konkreten, für den sozialversicherten Verletzten erbrachten Leistungen orientiere. Die Ansicht, dass in diese Gebührensätze ein Betriebsabgang der Krankenanstalt nicht eingerechnet werden dürfe, sei nicht nachvollziehbar. Die Länder seien verpflichtet für ihre Landesbürger die öffentliche Anstaltspflege sicherzustellen. Die Verpflichtung der öffentlichen Hand, letztendlich für den Betriebsabgang der Fondskrankenanstalten aufzukommen, diene aber nicht der Entlastung eines zum Schadenersatz verpflichteten Schädigers, sondern dazu, Fehlbeträge, die sich auch noch nach Regressleistungen ergäben, abzudecken.
Die Revision wurde zugelassen, weil die Frage, ob für die Regressforderung des Sozialversicherungsträgers der vom Gesundheitsfonds festgelegte Eurowert je LKF-Punkt - ungeachtet eines allfällig geringeren Verrechnungswerts in der Abrechnung zwischen Fondskrankenanstalt und Gesundheitsfonds - zugrundezulegen sei, von über den Anlassfall hinausgehender, grundsätzlicher Bedeutung sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beiden beklagten Parteien mit dem Abänderungsantrag, die Klage abzuweisen; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Die beklagten Parteien vertreten zusammengefasst weiterhin die Auffassung, dass einerseits aufgrund des Pauschalierungssystems nach § 447 f ASVG ein einzelner, sachlich kongruenter Aufwand nicht entstehe und andererseits der Regressanspruch nach § 332 Abs 1 Satz 2 ASVG - wenn überhaupt - nur jene Aufwendungen des Landesgesundheitsfonds umfasse, die nach § 148 Z 2 ASVG von der Krankenanstalt in Rechnung gestellt würden. Gemäß § 148 Z 3 ASVG seien die Leistungen der Krankenanstalten aber mit den dort angeführten Zahlungen abgegolten. Dort seien nur LKF-Gebührenersätze erwähnt, nicht dagegen Zahlungen aus dem Titel des Betriebsabgangs. Nach § 75 Oö KAG habe das Land den Betriebsabgang der Fondskrankenanstalten im Ausmaß von 85 % abzudecken. Die Ermittlung des Betriebsabgangs erfolge nach Abs 3 der Bestimmung im Nachhinein und sei nach Abs 5 leg cit für jede Krankenanstalt separat zu ermitteln und dieser zuzuweisen. Daraus ergebe sich, dass die Abgeltung des Betriebsabgangs direkt an die Krankenanstalt erfolge und nicht in die Höhe des Eurowerts der LKF-Gebührensätze einzurechnen sei.
Bei anderem Verständnis komme es zu einer Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der sozialversicherten Patienten, weshalb angeregt werde gemäß Art 140 Abs 4 B-VG ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.
Hiezu wurde erwogen:
Der Senat ist am heutigen Tag in einem im Wesentlichen gleich gelagerten Fall zu 2 Ob 95/11a mit ausführlicher Begründung zu folgendem Ergebnis gelangt:
Die vom Landesgesundheitsfonds aufzuwendenden Gesamtkosten für die Behandlung und Pflege des Unfallopfers in den Fondskrankenanstalten (auch) des Bundeslands Oberösterreich bilden den Deckungsfonds. Maßgeblich sind die LKF-Gebührenersätze, denen die vom Landesgesundheitsfonds im Einklang mit den bundes- und landesgesetzlichen Vorgaben ermittelten Eurowerte pro LKF-Punkt zugrunde liegen. In diesem Umfang bestand auch der Anspruch des Geschädigten auf die Sachleistung der Gewährung von Heilbehandlung und Pflege in einer Krankenanstalt gegenüber dem Sozialversicherungsträger. Diese Leistung verfolgt denselben Ausgleichszweck wie der Schadenersatzanspruch des Geschädigten und ist mit diesem daher sachlich kongruent. Die klagende Partei ist demnach im geltend gemachten Ausmaß zum Regress gegen die beklagten Parteien befugt. Die Ermittlung eines internen Abrechnungswerts ist vor dem Hintergrund der Überweisungspflicht des Versicherungsträgers nach § 332 Abs 1 Satz 3 ASVG zu sehen und hat keinen Einfluss auf die Höhe des vom Schädiger zu ersetzenden Betrags.
Der Senat vermag sich auch den verfassungsrechtlichen Bedenken der beklagten Parteien nicht anzuschließen. Eine „Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der sozialversicherten Patienten“ ist nicht erkennbar.
Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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