OGH 8Ob80/11i

OGH8Ob80/11i24.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** N*****, vertreten durch Dr. Hannes Hausbauer, Rechtsanwalt in Gleisdorf, gegen die beklagte Partei F***** B*****, vertreten durch Dr. Johann Kölly, Rechtsanwalt in Oberpullendorf, wegen 8.767,85 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Februar 2011, GZ 4 R 265/10k-32, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 3. August 2010, GZ 23 Cg 306/08w-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gegenstand des Verfahrens ist eine Wechselklage über den Betrag von (ursprünglich) 30.644,83 EUR.

Der Kläger hatte dem Beklagten am 25. 4. 1990 Kälber zum Preis von 58.500 ATS verkauft, zur Bezahlung akzeptierte der Beklagte einen ein Jahr später fälligen Wechsel. Am 13. 12. 1990 erwarb der Beklagte vom Kläger neuerlich Kälber zum Gesamtpreis von 74.000 ATS, auch die Bezahlung dieses Kaufpreises war per ein Jahr später fälligem Wechsel vereinbart.

Nachdem der Beklagte zunächst nichts bezahlte, ließ ihn der Kläger zur Prolongation der Wechselschulden im Laufe der folgenden Jahre nacheinander eine nicht mehr feststellbare Anzahl von weiteren Blankowechselformularen auf dem Unterschriftenfeld des Annehmers unterfertigen. Alle sonstigen Angaben, einschließlich Ausstellungsdatum und Betrag, wurden jeweils von Mitarbeitern der Bank, bei der der Kläger die Wechsel diskontieren ließ, auf dessen Anweisung ausgefüllt. Der Kläger erhielt bei Einreichen eines Verlängerungswechsels von seiner Bank jeweils den damit ersetzten alten Wechsel ausgefolgt. Die Bank überwies dem Kläger jeweils den Wechselbetrag auf dessen Konto und buchte ihn bei Nichteinlösung des Wechsels durch den Beklagten zurück. In weiterer Folge überbrachte der Kläger dann wieder einen neuen vom Beklagten akzeptierten Blankowechsel.

Am 11. 4. 1996 bezahlte der Beklagte 87.774 ATS und beglich damit (unstrittig) den mit Datum 4. 10. 1995 ausgestellten Wechsel über diesen Betrag zur Gänze.

Weiters überwies der Beklagte insgesamt vier Teilzahlungen von zusammengerechnet 39.980 ATS (ca 2.905 EUR) auf das Bankkonto des Klägers, die keiner bestimmten offenen Wechselschuld zugeordnet werden konnten.

Der Beklagte bestritt (soweit für das Rechtsmittelverfahren noch relevant) die Schlüssigkeit des Klagebegehrens und wandte ein, das Blankoakzept sei vereinbarungswidrig ausgefüllt worden. In der letzten Verhandlungstagsatzung brachte der Beklagte vor, mit der Bezahlung des Wechsels vom 4. 10. 1996 den Kaufpreis aus dem zweiten Grundgeschäft zur Gänze beglichen zu haben. Auf das Geschäft vom 25. 4. 1990 sei der klagsgegenständliche Wechsel nicht gewidmet, sodass er nichts schulde.

Dieses auf eine von der Klagsseite selbst vorgelegte Berechnung gestützte Vorbringen bestritt der Kläger nicht, sondern gestand zu, dass alle Zahlungen dem dokumentierten (zweiten) Grundgeschäft zugeordnet worden seien. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass die ungewidmeten Zahlungen „zumindest teilweise auch das erste Grundgeschäft“ beträfen (ON 26, S 2).

Das Erstgericht hob den Wechselzahlungsauftrag auf und wies das Haupt- sowie alle Eventualklagebegehren ab. Das Klagsvorbringen über die angeblichen Grundgeschäfte und die darauf gegründeten Wechsellinien sei letztlich völlig unschlüssig geblieben. Die Wechselhistorie weise so eklatante Lücken auf, dass dem Kläger der ihm obliegende Beweis, den eingeklagten Blankowechsel vereinbarungsgemäß ausgefüllt zu haben, nicht gelungen sei.

Der Kläger erhob gegen diese Entscheidung nur im Umfang der Abweisung eines Teilbetrags von 8.767,85 EUR sA Berufung und stützte darin die im Rechtsmittelverfahren noch aufrecht erhaltene Klagsforderung ausschließlich auf die Wechselschuld aus dem zweiten Grundgeschäft vom 13. 12. 1990 samt gesetzlichen Zinsen von 6 % p.a..

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts.

Das widersprüchliche Vorbringen des Klägers lasse nicht mehr erkennen, welche Teilbeträge er tatsächlich geltend mache. Der Kläger könne aus dem nachträglich vervollständigten ursprünglichen Blankowechsel aber nur insoweit Ansprüche ableiten, als dessen Inhalt den getroffenen Vereinbarungen entspreche. Im Falle eines Deckungswechsels zur Sicherstellung noch ungewisser Ansprüche müsse der Kläger nach ständiger Rechtsprechung ungeachtet der ansonsten den Beklagten treffenden Beweislast auch darlegen, dass und mit welchem Betrag die zu sichernde Forderung entstanden ist. Diese Grundsätze seien auch im gegenständlichen Fall insofern anzuwenden, als der Kläger nachzuweisen gehabt hätte, welche Prolongationswechsel aus welchem der beiden in Frage kommenden Grundgeschäfte herrühren, weil der Beklagte ohne Spezifizierung des Grundverhältnisses keine zielgerichteten Einwendungen erheben und seiner Behauptungs- und Beweislast nicht nachkommen könnte. Eine Vereinbarung, beide Grundgeschäfte nur mehr mit einer gemeinsamen Prolongationswechselkette abzusichern, sei weder vorgebracht noch festgestellt worden.

Da der Kläger in erster Instanz die zugestandene Vollzahlung des Wechsels vom 4. 10. 1995 noch auf das Geschäft vom 13. 12. 1990 gewidmet habe, verstoße sein Berufungsvorbringen, wonach gerade dieses Geschäft offen sei, gegen das Neuerungsverbot. Die Geltendmachung eines Pauschalbetrags erfordere eine Aufgliederung, um dem Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO zu entsprechen.

Das Berufungsgericht erklärte jedoch die ordentliche Revision für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Problematik der Behauptungs- und Beweislast bei aufgetürmten indirekten Wechselprolongationen bei mehreren Grundgeschäften nicht auffindbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil die darin für erheblich erachteten Rechtsfragen für die Entscheidung in Wahrheit nicht präjudiziell sind.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren im Ergebnis wegen Unschlüssigkeit abgewiesen. Im Regelfall wirft die Beurteilung der Schlüssigkeit eines Klagebegehrens keine Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO normierten Bedeutung auf (RIS-Justiz RS0116144; RS0037780; vgl RS0031014). Auch eine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall zur Wahrung der Rechtssicherheit zu korrigierende grobe Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen wird vom Revisionswerber nicht aufgezeigt.

Im Wechselprozess zwischen den Parteien des Grundgeschäfts bewirkt die Abstraktheit des Wechsels nur eine Umkehr der Beweislast, ansonsten stehen dem Beklagten alle Einwendungen aus dem Grundgeschäft offen. Die Ausstellung von Prolongationswechseln ändert nichts an der Identität der zugrundeliegenden kausalen Verpflichtung zwischen den Parteien. Alle materiellen Einwendungen, die gegen den Erstwechsel zustanden, können auch gegen den Prolongationswechsel erhoben werden (RIS-Justiz RS0082629).

Im vorliegenden Verfahren steht fest, dass pro Grundgeschäft zunächst ein Wechsel ausgestellt und beide jeweils getrennt nach individueller Fälligkeit fortlaufend prolongiert wurden. Eine Vereinbarung über die Zusammenziehung aller Verbindlichkeiten des Beklagten auf eine einzige Wechselschuld konnte, worauf das Berufungsgericht zutreffend verwiesen hat, nicht festgestellt werden, vielmehr endete eine der beiden Wechselketten im Jahr 1996 durch Vollzahlung.

Dem Beklagten ist in erster Instanz der Beweis gelungen, dass die beendete Wechselkette jene war, die sich auf das zweite Grundgeschäft bezogen hatte und er aus diesem Geschäft nichts mehr schuldet. Der Kläger hat das dementsprechende Vorbringen des Beklagten grundsätzlich nicht bestritten, sondern lediglich unsubstantiierte Bedenken bezüglich der Zuordnung einzelner Teilzahlungen „auch“ zum ersten Grundgeschäft geäußert. In derartigen Fällen hat das Gericht nach § 267 Abs 1 ZPO unter sorgfältiger Berücksichtigung des gesamten Inhalts des gegnerischen Vorbringens zu beurteilen, ob die unwidersprochen gebliebenen Tatsachenbehauptungen als zugestanden gelten können. Eine unterbliebene Bestreitung allein kann zwar nur dann als schlüssiges Geständnis gewertet werden, wenn dafür im Einzelfall gewichtige Indizien sprechen (vgl Rechberger in Fasching/Konecny² §§ 266, 267 ZPO Rz 17). Die Wertung des fehlenden substantiellen Bestreitens als schlüssiges Tatsachengeständnis hängt dabei immer von den Umständen des Einzelfalls ab (6 Ob 141/99z). Hat das Berufungsgericht - wie hier - erstmals ein schlüssiges Geständnis angenommen, ist diese Beurteilung vom Obersten Gerichtshof überprüfbar (RIS-Justiz RS0040078 [T7]), jedoch im Anlassfall keinesfalls korrekturbedürftig, weil der Beklagte seinem Vorbringen nur die vom Kläger selbst vorgelegte Berechnung zugrundegelegt hat und die Frage der Zuordenbarkeit der Zahlungen im Verfahren außerdem Gegenstand ausführlicher Erörterungen war (vgl Rechberger aaO § 267 ZPO Rz 18 mwN).

Die sich ausschließlich auf das zweite Grundgeschäft und damit auf eine bereits durch Vollzahlung beendete Wechselprolongationslinie stützende Berufung musste schon aus diesem Grund erfolglos bleiben. Von den vom Berufungsgericht für erheblich erachteten weiteren Rechtsfragen hängt die Entscheidung daher letztlich nicht ab.

Die Revisionsausführungen sprechen keine über den Ausspruch des Berufungsgerichts hinausreichenden Rechtsfragen an. Soweit der Kläger mit dem Gesamtobligo des Beklagten argumentiert, von dem nach den Feststellungen jedenfalls noch ein Betrag offen sei, übersieht er, dass dieser Umstand nur relevant sein könnte, wenn es einvernehmlich zu einer Vereinigung der Wechselprolongationslinien zwecks gemeinsamer Besicherung beider Grundgeschäfte gekommen wäre. Dafür bieten die Sachverhaltsfeststellungen aber keine Grundlage.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO, der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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