OGH 7Ob7/12y

OGH7Ob7/12y19.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** reg.Gen.m.b.H., *****, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Bruno Binder und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei J***** O*****, vertreten durch Dr. Gerald Haas und andere Rechtsanwälte in Wels, wegen 132.986,09 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. November 2011, GZ 2 R 117/11f-15, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 13. Mai 2011, GZ 4 C 317/10z-11, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 132.986,09 EUR samt 4 % Zinsen seit 9. 12. 2010 zu zahlen und die mit 22.906,66 EUR (darin enthalten 1.916,11 EUR an USt und 11.410 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe des Beklagten mit M***** O***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 25. 9. 2009 geschieden. Im Verfahren 5 C 22/08i des Bezirksgerichts Vöcklabruck wurde dem Beklagten (als Gegner der gefährdeten Partei) zur Sicherung des Aufteilungsanspruchs von M***** O***** (als gefährdete Partei) mit einstweiliger Verfügung vom 25. 3. 2008 verboten, über bestimmte Vermögenswerte, darunter ein Verrechnungskonto des Beklagten bei der Klägerin, zu verfügen und der Klägerin (als Drittschuldnerin) verboten, an den Beklagten das Guthaben auszuzahlen.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Vöcklabruck zu 5 C 114/08v vom 26. 4. 2010 wurde über den Aufteilungsantrag von M***** O***** entschieden und dem Beklagten das Guthaben auf dem Verrechnungskonto bei der Klägerin in der Höhe des Klagsbetrags zugewiesen.

Der Beklagte wandte sich darauf hin mit dem Wunsch an einen Mitarbeiter der Klägerin, den Klagsbetrag vom gesperrten Verrechnungskonto auf ein Konto des Beklagten bei der S***** L***** zu überweisen. Der Mitarbeiter der Klägerin wusste von der Sperre des Kontos. Er ging aber davon aus, dass ihm nur rechtskräftige Beschlüsse zugestellt würden und dachte nicht daran, dass der Aufteilungsbeschluss noch nicht rechtskräftig und der Beklagte weiterhin nicht über das Guthaben verfügungsberechtigt sein könnte. Auch der Beklagte war sich bei Zustellung des Beschlusses vom 26. 4. 2010 nicht bewusst, dass er mangels Rechtskraft des Beschlusses über das Konto noch nicht verfügen durfte. Er hatte bis zu seiner Scheidung mit Gerichten nichts zu tun und ging davon aus, dass er entsprechend dem Inhalt des zugestellten Beschlusses wieder die Verfügungsberechtigung über das Geld erlangt habe. Der Mitarbeiter der Klägerin führte die Überweisung des Klagsbetrags vom gesperrten Verrechnungskonto auf das vom Beklagten genannte Konto durch.

Die Klägerin begehrt die Rückzahlung des überwiesenen Betrags. Der Beklagte habe von ihr eine Leistung erhalten, auf die er keinen Rechtsanspruch gehabt habe. Ihr Mitarbeiter sei der irrigen Meinung gewesen, der Beklagte habe bereits Anspruch auf Überweisung des Kontoguthabens. Wäre ihm bewusst gewesen, dass der Aufteilungsbeschluss noch nicht rechtskräftig gewesen sei, so wäre es zu keiner Überweisung gekommen. Wegen des vom Beklagten veranlassten Irrtums und der rechtsgrundlosen Ausfolgung sei der Beklagte zur Rückzahlung verpflichtet. Überdies stehe der Klägerin ein Schadenersatzanspruch zu.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Er sei immer Eigentümer des Guthabens auf dem Verrechnungskonto gewesen. Er sei ein beinahe 74-jähriger juristischer Laie und habe den Regelungsinhalt der einstweiligen Verfügung nicht erfasst. Er sei von der Rechtskraft des Beschlusses vom 26. 4. 2010 ausgegangen. Offenbar habe der Mitarbeiter der Klägerin entgegen seiner Ankündigung nicht geprüft, ob der Beschluss in Rechtskraft erwachsen sei und sich über das gerichtliche Verbot einfach hinweggesetzt. Dem Beklagten sei nicht bewusst gewesen, dass er noch keinen Anspruch auf Zahlung gehabt habe. Der Beklagte habe einen allfälligen Irrtum der Klägerin nicht veranlasst. Es stehe ihr kein Anspruch zu, weder aus dem Titel des Schadenersatzes noch aus dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Mangels einer rechtskräftigen Entscheidung im Aufteilungsverfahren könne derzeit noch nicht beurteilt werden, ob der Klägerin ein Schaden entstanden oder der Beklagte ungerechtfertigt bereichert worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Die Rückforderung wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld setze das Fehlen der Verbindlichkeit und einen Irrtum des Leistenden über ihren Bestand voraus. Der Beklagte habe aber einen Anspruch auf Auszahlung des Guthabens gehabt, woran die mit einstweiliger Verfügung angeordnete Sicherungsmaßnahme im Grundsatz nichts geändert habe. Ein Kondiktionsanspruch nach § 1431 ABGB scheide aus. Es bestehe Einhelligkeit in der Lehre darüber, dass die Unwirksamkeit verbotswidriger Handlungen nur im Verhältnis zur gefährdeten Partei gelte, wovon auch die zu § 294 EO ergangene Rechtsprechung ausgehe. Ein Schadenersatzanspruch des Drittschuldners gegen den Verpflichteten habe zur Voraussetzung, dass der Drittschuldner (nochmals) vom Gläubiger belangt werde, was die Klägerin nicht einmal behauptet habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Frage, ob einem gegen ein gerichtliches Zahlungsverbot verstoßenden Dritten die Leistungskondiktion nach § 1431 ABGB gegen den vom Verfügungsverbot belasteten Einzieher der Forderung zustehe, vom Obersten Gerichtshof noch nicht beantwortet sei.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

Das Drittverbot erlangt erst mit Zustellung an den Drittschuldner Wirksamkeit (§ 385 Abs 1 EO). Er haftet von da an für allen durch die Nichtbefolgung des gerichtlichen Verbots entstandenen Schaden, kann sich jedoch von dieser Haftung durch gerichtlichen Erlag oder durch Übergabe an einen auf seinen Antrag vom Gericht zu bestellenden Verwahrer oder Verwalter befreien (§ 385 Abs 2 und 3 EO).

Die Frage, ob dem Verbot widersprechende Verfügungen gegenüber der gefährdeten Partei wirksam und die gefährdete Partei daher nur auf einen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Drittschuldner zu verweisen ist oder ob verbotswidrige Leistungen des Drittschuldners gegenüber der gefährdeten Partei unwirksam sind, wird nicht einhellig beantwortet. Ein Teil der Lehre leitet aus dem Gesetzestext (Anordnung nur einer Schadenersatzpflicht) die Wirksamkeit der Leistungen ab (Rintelen, Einstweilige Verfügung 265 ff, 268, 272; Petschek/Hämmerle/Ludwig, Zwangsvollstreckungsrecht, 232 f; Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren2, Rz 886; Holzhammer, Zivilverfahrensrecht4 425; Burgstaller/Deixler-Hübner/Dolinar, PraktZPR II5 393; Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht4, Rz 482). Ein anderer Teil der Lehre vertritt wegen des effektiveren Rechtsschutzes die (relative) Unwirksamkeit verbotswidriger Handlungen nicht nur des Verpflichteten, sondern auch des Drittschuldners (König, Einstweilige Verfügung3, Rz 3/31, Heller/Berger/Stix 4, 2714 ff, Konecny, Einstweilige Verfügung 352 ff, 357 f, Zechner, Einstweilige Verfügung, § 379, Rz 7; Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung, § 385 Rz 3).

Diese Streitfrage kann hier jedoch auf sich beruhen. Dass die verbotswidrige Zahlung des Drittschuldners dem Gegner der gefährdeten Partei gegenüber unwirksam sei, wird - soweit ersichtlich - nicht vertreten. In der zu § 294 EO ergangenen Entscheidung 1 Ob 151/04v (= RIS-Justiz RS0119320) wurde ausgeführt, dass die Zahlung dem betreibenden Gläubiger gegenüber relativ unwirksam, dem Verpflichteten gegenüber aber schuldbefreiend sei. Die verbotswidrige Zahlung ist jedenfalls hier dem Beklagten gegenüber nicht unwirksam.

Eine ungerechtfertigte Bereicherung des Beklagten ergibt sich aber aus einem anderen Grund:

Gemäß § 1435 ABGB kann der Geber vom Empfänger auch Sachen, die als eine wahre Schuldigkeit gegeben worden sind, zurückfordern, wenn der rechtliche Grund, sie zu behalten, aufgehört hat (condictio causa finita). Nach ständiger Rechtsprechung wird diese Bestimmung über ihren Wortlaut hinaus als Grundlage für eine Kondiktion wegen des Wegfalls des Grundes oder des Nichteintritts des erwarteten Erfolgs angesehen (condictio causa data, causa non secuta; RIS-Justiz RS0033855; RS0033952). Sie ist immer dann anzuwenden, wenn der Geschäftszweck oder ganz allgemein diejenigen Umstände weggefallen sind, die nach der Interessenabwägung und nach dem Sinn und Zweck des Geschäfts die Grundlage der Leistung gewesen waren (RIS-Justiz RS0033931; RS0033952 [T9]). Hiezu bedarf es keiner ausdrücklichen Abrede über den Rechtsgrund der Zuwendung; es muss aber doch das Motiv und der Zweck der Leistung in einer dem Leistungsempfänger zweifelsfrei erkennbaren Weise zum Ausdruck gebracht worden sein, um im Fall der Zweckverfehlung die Leistung rückfordern zu können (4 Ob 105/10k; RIS-Justiz RS0033952 [T8]). Die Kondiktion ist zulässig, wenn sich der Leistungsempfänger über den Zweck und den Charakter der Leistung im Klaren war oder sich hätte im Klaren sein müssen (Mader in Schwimann 3, § 1435 ABGB Rz 20 mwN).

Wenn hingegen jemand eine Zahlung leistet, von der er weiß, dass er sie nicht schuldet, kann er diese nicht zurückfordern (§ 1432 ABGB). Die Leistung im Wissen, dass die Zweckerreichung ausgeschlossen ist, kann auch keinen Anspruch nach § 1435 ABGB begründen (4 Ob 32/10z; Rummel in Rummel 3, § 1435 ABGB Rz 4 mwN). Ebenso kann nicht die Bezahlung einer richtigen und unbedingten Schuld deswegen zurückgefordert werden, weil die Zahlung noch nicht fällig ist (§ 1434 ABGB).

Im vorliegenden Fall war Grund der verbotswidrigen Verfügung des Beklagten und der verbotswidrigen Auszahlung der Klägerin, dass beide (obwohl die einstweilige Verfügung jedenfalls noch nicht durch das Gericht aufgehoben war [RIS-Justiz RS0005543]) davon ausgingen, nicht verbotswidrig zu handeln, weil sie meinten, dass durch den Beschluss im Aufteilungsverfahren der Sicherungszweck weggefallen sei. Sie befanden sich beide im Irrtum über die Rechtskraft der Entscheidung und die Rechtmäßigkeit ihres Handelns. Da sich herausstellte, dass der Beschluss, der der Anlass der Handlungen der Parteien war, nicht in Rechtskraft erwachsen und damit das Aufteilungsverfahren noch nicht beendet war, lebte der Sicherungszweck wieder auf. Es ist damit der Grund der Leistung, von dem beide Parteien ausgingen, weggefallen. Es konnte der von beiden Parteien beabsichtigte Zweck der Leistung, nämlich die Befriedigung der Forderung des Beklagten durch die Klägerin wegen Wegfalls des Sicherungsgrundes und ohne dass sie Gefahr läuft, von der gefährdeten Partei ein weiteres Mal in Anspruch genommen zu werden, nicht erreicht werden.

Das Drittverbot schiebt die Leistungspflicht des Dritten an den Gegner der gefährdeten Partei für die Dauer seiner Geltung auf, bewirkt also eine Stundung und schiebt nicht bloß die Geltendmachung einer Forderung hinaus (RIS-Justiz RS0005222; Zechner aaO, § 379 EO Rz 7; aA Konecny aaO, 353). Dennoch ist § 1434 zweiter Satz ABGB hier nicht anzuwenden (vgl zur Rückforderung einer zu Unrecht abgerufenen Bankgarantie RIS-Justiz RS0114176). Die Rückforderung soll nämlich nur in den Fällen ausgeschlossen sein, in denen lediglich die Zahlungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Die Parteien irrten aber dahin, dass das von der einstweiligen Verfügung erlassene Verfügungs- und Zahlungsverbot nicht mehr bestehe und die Klägerin deshalb nunmehr zur Zahlung an den Beklagten nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sei (vgl RIS-Justiz RS0033675). Beide Parteien gingen davon aus, dass sie sich gesetzmäßig verhielten und daraus keine Schadenersatzansprüche - vor allem gegen die Klägerin - entstehen könnten. Es ging im Kern nicht um den Ablauf einer bloßen Leistungsfrist. Der Beklagte ist daher zur Rückzahlung in dieser besonderen Konstellation in analoger Anwendung nach § 1435 ABGB verpflichtet.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte