OGH 16Ok14/11

OGH16Ok14/1129.3.2012

Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht hat durch den Hofrat Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schramm und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin H*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Norbert Gugerbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin, Österreichischer B***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen §§ 1, 5 f KartG, über den Kostenrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 15. September 2011, GZ 26 Kt 11, 12/10-39, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin begehrte mit ihrem am 1. 4. 2010 eingelangten Antrag,

1a) die Abstellung des Verstoßes gegen das Kartellverbot durch die Vereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und Prof. Dr. H***** P*****, Prof. Dr. G***** G*****, Prof. Mag. C***** H*****, Mag. Dr. M***** S***** und P***** L***** insbesondere dadurch, dass das Konkurrenzverbot des § 8 der zwischen der Antragsgegnerin und den vier erstgenannten Personen geschlossenen Verlagsverträge vom 17. 7. 1989, 27. 2. 1990, 17. 2. 1992, 2. 10. 1999, 4. 7. 2000, 5. 7. 2000 sowie jenes der weiteren Verlagsverträge unter Einbeziehung des letztgenannten Mitautors und Streichung des mittlerweile ausgeschiedenen Mag. Dr. M***** S***** vom 17. 2. 2004, 11. 5. 2005 und 1. 2. 2005 (hier § 7) gemäß § 1 Abs 3 KartG für nichtig erklärt werde;

1b) die Abstellung des Verstoßes gegen das Kartellverbot durch die Vereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und Prof. Dr. H***** P*****, Prof. Dr. G***** G*****, Univ.-Prof. Dr. M***** S***** und Mag. Dr. O***** M***** insbesondere dadurch, dass das Konkurrenzverbot des § 8 des zwischen der Antragsgegnerin und den drei erstgenannten Autoren geschlossenen Verlagsvertrags aus dem Jahr 1988 sowie des ergänzenden Verlagsvertrags vom 12. 12. 2000 unter Einbeziehung des letztgenannten Mitautors gemäß § 1 Abs 3 KartG für nichtig erklärt werde;

2a) die Abstellung des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin, insbesondere dadurch, dass das Konkurrenzverbot des § 8 der unter Punkt 1a) genannten Verträge für kartellrechtswidrig erklärt werde;

2b) die Abstellung des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin durch die in Punkt 1b) genannten Verträge durch Erklärung des Konkurrenzverbots für kartellrechtswidrig sowie letztlich

3) die Ermächtigung der Antragstellerin zur Veröffentlichung des stattgebenden Beschlusses auf Kosten der Antragsgegnerin.

Letztlich schlossen die Parteien unter Einbeziehung von vier der genannten Autoren in der Tagsatzung vom 14. 9. 2011 einen Vergleich, in dem die Antragsgegnerin auf die Geltendmachung des Konkurrenzverbots hinsichtlich eines bei der Antragstellerin erscheinenden neuen Lehrwerks für die Oberstufe der allgemein bildenden höheren Schulen sowie eines allfälligen Nachfolgeprodukts für das bei der Antragsgegnerin erschienene Werk für politechnische Lehrgänge unter der Bedingung verzichtete, dass das entsprechende neue Lehrwerk nicht vor dem 1. 1. 2013 öffentlich oder in Fachkreisen beworben wird und nicht vor dem Schuljahr 2013/2014 erscheint. Sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin und die Autoren verpflichteten sich, die Bekämpfung von „wechselseitig verwendeten“ Konkurrenzklauseln durch die Antragstellerin und die Autoren zu unterlassen. Laut Punkt 10. des Vergleichs tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin die „durch den Abschluss dieses Vergleichs ausgelösten Kosten und Gebühren“ je zur Hälfte.

Das Kartellgericht bestimmte mit dem angefochtenen Beschluss die gerichtliche Rahmengebühr mit 15.000 EUR und sprach die Zahlungspflicht der Antragsgegnerin hiefür (Pkt I.) und ebenso für die aus Amtsgeldern zu berichtigenden Gebühren und Kosten (Pkt II.) aus. Die Antragstellerin habe ihr Verfahrensziel mit dem abgeschlossenen Vergleich im Wesentlichen erreicht, sodass die Antragsgegnerin im Ergebnis als unterlegen anzusehen sei. Die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens sei angesichts der Marktmacht der Antragsgegnerin nicht zu vernachlässigen, es bestehe kein Grund, an den guten wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragsgegnerin zu zweifeln. Der Verfahrensaufwand sei insgesamt durchschnittlich gewesen, sodass in Abwägung aller Umstände die Bemessung der Rahmengebühr in Höhe der Hälfte der Höchstgebühr angemessen erscheine. Der Ausspruch über die Ersatzpflicht der Kosten und Gebühren folge im Hinblick auf § 55 KartG jenem über die Rahmengebühr.

Dagegen richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Antragsgegnerin mit dem Abänderungsantrag, die Rahmengebühr beiden Parteien verhältnismäßig aufzuerlegen und nur mit lediglich 7.500 EUR festzusetzen. Das Kartellgericht habe bei der Beschlussfassung den Inhalt von Punkt 10. des Vergleichs nicht berücksichtigt. Überdies sei die Antragsgegnerin keineswegs im Ergebnis als unterlegen anzusehen, seien doch weder das von der Antragstellerin behauptete Kartell noch ein Marktmachtmissbrauch festgestellt worden. Wie aus dem Vergleichstext ersichtlich, seien beide Parteien davon ausgegangen, dass Kosten und Gebühren jeweils zur Hälfte zu tragen seien. Die Festsetzung der Rahmengebühr mit 15.000 EUR sei überhöht; weder sei ein Sachverständigengutachten eingeholt noch seien weitere Zeugen einvernommen worden.

Die Antragstellerin beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben. Die Formulierung des Vergleichs beziehe sich lediglich auf durch den Abschluss des Vergleichs ausgelöste Kosten und Gebühren der Parteien. Die Rahmengebühr sei aber nicht durch Abschluss des Vergleichs, sondern durch Einbringung des verfahrenseinleitenden Antrags ausgelöst worden. Der Vergleich sei nicht nur von den Verfahrensparteien, sondern auch von den vom Konkurrenzverbot betroffenen Autoren geschlossen worden, sodass auch ein übereinstimmender Wille der Parteien des Vergleichs durch den erstinstanzlichen Beschluss nicht verletzt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1.1. Die Festsetzung der gerichtlichen Rahmengebühr sowie der sonstigen gerichtlichen Kosten erfolgt im kartellgerichtlichen Verfahren gemäß §§ 54 f KartG nach Abschluss des Verfahrens durch einen Beschluss des Vorsitzenden nach freiem Ermessen. Kriterien der Festsetzung sind insbesondere die wirtschaftspolitische Bedeutung des Verfahrens, der mit der Amtshandlung verbundene Aufwand und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen sowie die Tatsache, inwieweit der Zahlungspflichtige Anlass für die Amtshandlung gegeben hat. Die Zahlungspflicht richtet sich gemäß § 52 Abs 2 KartG nach dem Verfahrenserfolg, wobei die Amtsparteien von der Zahlung der sie treffenden Gebühr befreit sind.

1.2. Es handelt sich dabei um einen Akt der Rechtsprechung. Die Parteien besitzen insoweit keine Dispositionsbefugnis, auch wenn es ihnen die Privatautonomie ermöglicht, inter partes - zB wie hier in einem kartellgerichtlichen Vergleich - eine Kostenvereinbarung abzuschließen (vgl zum Zivilprozess Bydlinski, Kostenersatz 52, 134 mN zur Rechtsprechung in FN 56; Obermaier, Kostenhandbuch2 6).

1.3. Schließen die Parteien eine solche privatautonome Kostenvereinbarung, ist im kartellrechtlichen Kostenersatzrecht zwischen dem öffentlich-rechtlichen Außenverhältnis, also jenem zwischen dem Gericht und den Parteien, und dem privatrechtlichen Innenverhältnis inter partes zu unterscheiden. Beide Rechtsverhältnisse müssen inhaltlich nicht deckungsgleich sein.

1.4. Für die Frage der gerichtlichen Festsetzung der Rahmengebühr und der sonstigen gerichtlichen Kosten kommt es auf den Inhalt der privatrechtlichen Vereinbarung der Parteien über die Kosten nicht an. Der die Gerichtsgebühren von Amts wegen festsetzende Richter ist in seinem freien Ermessen durch die privatrechtliche Vereinbarung weder beschränkt und noch an diese gebunden.

1.5. Ergibt sich zwischen der gerichtlichen Gebührenfestsetzung und der privatrechtlichen Kostenvereinbarung ein Widerspruch, kann das zu einem privatrechtlich begründeten Ersatzanspruch in einem Zivilgerichtsverfahren führen, in dem der Inhalt der Kostenvereinbarung - und bei Unklarheit gegebenenfalls deren Auslegung - Gegenstand wären.

1.6. Der Rekurswerberin sind daher Einwendungen gegen die gerichtliche Rahmengebühr insoweit verwehrt, als sie sich auf eine privatrechtliche Vereinbarung beziehen.

2.1. Die Rekurswerberin macht weiters geltend, die Antragstellerin hätte ihr Verfahrensziel nicht vollständig erreicht, weshalb die gerichtliche Rahmengebühr nicht allein der Antragsgegnerin hätte auferlegt werden dürfen.

2.2. Das zentrale Verfahrensziel der Antragstellerin bestand darin, die sie störende Konkurrenzklausel zu beseitigen. Dieses Ziel hat sie - wenn auch zeitlich verzögert - erreicht.

2.3. Die im Vergleich nicht enthaltene Veröffentlichungsermächtigung ist akzessorisch und setzt eine Entscheidung in der Hauptsache voraus. Sie hat den Charakter eines unselbständigen Nebenanspruchs (Petsche in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz, § 37 KartG Rz 6). Die Bestimmung ist § 85 UrhG nachgebildet (Gruber, Österreichisches Kartellrecht, § 37 KartG E 1).

2.4. Auch die einer kartellgerichtlichen Abstellungsanordnung logisch vorausgehende Feststellung eines Kartellgesetzverstoßes ist zwar im Vergleich nicht explizit enthalten, dennoch hat die Antragstellerin die sie störende Konkurrenzklausel zu Fall gebracht.

Das vom Erstgericht dahin geübte Ermessen, die Antragstellerin habe ihr Verfahrensziel im Wesentlichen erreicht, ist unter diesen Umständen nicht korrekturbedürftig.

3. Zur Höhe der Rahmengebühr:

Das Verfahren hat unter Berücksichtigung des notwendigen Studiums des gegenseitigen Vorbringens, der vorgelegten Urkunden und dreier mündlicher Verhandlungen einen durchschnittlichen Aufwand erfordert, auch wenn kein Sachverständigengutachten einzuholen war und ein Rechtshilfeersuchen zur Einvernahme eines ausländischen Zeugen letztlich widerrufen worden ist. Im Hinblick auf die weiteren Kriterien des § 54 KartG für die Festsetzung der Höhe der Rahmengebühr ist deren Ausmittlung mit der Hälfte der Maximalgebühr angemessen.

4.1. Die Rahmengebühr ist erst nach Abschluss des Verfahrens festzusetzen.

4.2. Hier haben sich die in jedem kartellgerichtlichen Verfahren Parteistellung genießenden Amtsparteien (§ 40 KartG) dem Vergleich nicht angeschlossen. Sie waren allerdings beim Vergleichsabschluss anwesend, ohne weitere Anträge zu stellen, und haben auch der nachfolgenden Festsetzung der Rahmengebühr nicht widersprochen. Zwar ist die Fassung eines deklarativen Beschlusses über die Verfahrensbeendigung unterblieben, doch ist das Erstgericht unter den vorliegenden Umständen auch ohne entsprechende Parteienerklärung vertretbar davon ausgegangen, dass das Verfahren nunmehr insgesamt, also auch gegenüber den Amtsparteien, beendet ist.

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