OGH 5Ob37/12w

OGH5Ob37/12w20.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Höfrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek, sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin H***** H*****, vertreten durch Schmied-Passer Rechtsanwälte in Graz, gegen sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 778 GB ***** als Antragsgegner, wegen § 52 Abs 1 Z 9 WEG iVm § 32 Abs 5 WEG über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 6. Dezember 2011, GZ 7 R 142/11w-7, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung

Eine im Wohnungseigentumsvertrag enthaltene schriftliche Vereinbarung einer abweichenden Abrechnungseinheit betreffend eine im gemeinsamen Eigentum aller stehenden Garage, an deren zehn Stellplätzen ausschließlich bestimmten Wohnungseigentümern Benützungsrechte zustehen, soll durch den verfahrenseinleitenden Antrag einer der zehn benützungsberechtigten Wohnungseigentümer aufgehoben werden. In dessen Abänderung sollen sämtliche Wohnungseigentümer an den Kosten des Betriebs und der Erhaltung der Garage beteiligt werden. Insofern wird die Festsetzung eines (von der Vereinbarung abweichenden) Aufteilungsschlüssels iSd § 32 Abs 5 WEG begehrt. Die wesentliche Änderung seit Vertragsabschluss, die eine neue Aufteilung rechtfertige, bestehe darin, dass auch Wohnungseigentümer, denen kein Garagenplatz zugewiesen sei, vermehrt die Garage zum Be- und Entladen ihrer Fahrzeuge unter Verwendung der in der Garage bestehenden Liftstation benützen.

Beide Vorinstanzen wiesen das Änderungsbegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Im außerordentlichen Revisionsrekurs werden dazu keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG dargetan:

1. Im Fall jeder einstimmigen, bindenden Vereinbarung von Wohnungseigentümern über die Aufteilung von Aufwendungen kommt eine Änderung durch gerichtliche Entscheidung über Antrag eines Wohnungseigentümers immer nur dann in Betracht, wenn sich seit dem Abschluss der Vereinbarung die Nutzungsmöglichkeiten erheblich geändert haben (5 Ob 53/07s wobl 2008/74 [Call]; 5 Ob 182/08p wobl 2009/104 [Vonkilch]).

2. Die Beurteilung der objektiven Nutzungsmöglichkeit hat nach der Verkehrsauffassung bzw danach zu erfolgen, was einem objektiv vernünftigen Gebrauch dient (5 Ob 11/86 JBl 1987, 177; 5 Ob 83/85 MietSlg 47/40; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 32 Rz 44; vgl RIS-Justiz RS0083193).

2.1 Wenn auch die objektive Nutzungsmöglichkeit jener Wohnungseigentümer, die die Garage nur zum Be- und Entladen ihrer Fahrzeuge benützen, weit hinter den Nutzungsmöglichkeiten der Stellplatzberechtigten zurückbleibt, stellt das bequeme, witterungsunabhängige Erreichen der Aufzugsanlage mit dem eigenen PKW im Ergebnis doch eine objektiv nachvollziehbare vernünftige Gebrauchsmöglichkeit dar und wäre an sich nicht gänzlich zu vernachlässigen.

2.2 Ob jene Wohnungseigentümer, denen vertraglich eine Stellplatzbenützung zugesichert ist, gegen eine derartige Verwendung untersagungs- und abwehrberechtigt sind, kann und muss im gegebenen Zusammenhang nicht geklärt werden.

3. Zum Begehren auf gerichtliche Abänderung einer Vereinbarung berechtigen nämlich immer nur wesentliche Änderungen der Nutzungsmöglichkeiten, die seit einer Vereinbarung nach § 32 Abs 2 WEG entstanden sind.

Nach den maßgeblichen Feststellungen war aber das Tor der Tiefgarage von Anfang an meist unversperrt, von Anfang an war die Tiefgarage vom Stiegenhaus oder Aufzug her betretbar, das Tor von innen zu öffnen und damit eine Benützung objektiv möglich.

Dass erst in letzter Zeit häufiger Bewohner von Eigentumswohnungen, denen keine Stellplätze zugewiesen sind, in die Tiefgarage einfahren, um ihre Fahrzeuge beim Lift zu entladen, rechtfertigt kein Begehren auf gerichtliche Festsetzung eines von der Vereinbarung abweichenden Verteilungsschlüssels oder Aufhebung einer vereinbarten Abrechnungseinheit, weil es immer auf die objektive Nutzungsmöglichkeit, nicht aber auf die tatsächliche Nutzung oder deren Umfang ankommt (RIS-Justiz RS0083193).

Die auf die dargestellte Rechtsprechung gegründete Ansicht der Vorinstanzen erweist sich somit als nicht korrekturbedürftig. Dies hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Rechtsmittels der Antragstellerin zu führen.

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