OGH 10ObS170/11i

OGH10ObS170/11i13.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Ernst Bassler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei C***** M*****, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei Salzburger Gebietskrankenkasse, 5020 Salzburg, Engelbert‑Weiss‑Weg 10, vertreten durch Mahringer Steinwender Bestebner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Kinderbetreuungsgeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 14. September 2011, GZ 12 Rs 114/11p‑11, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 28. April 2011, GZ 16 Cgs 15/11s‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Parteien haben ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 1. 1. 2008 bis 31. 12. 2009 bei der Firma A***** S***** beschäftigt. Sie vereinbarte am 16. 10. 2009 mit ihrem Dienstgeber die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses zum 31. 12. 2009. Zu diesem Zeitpunkt war ihr noch nicht bekannt, dass sie schwanger war. Am 22. 12. 2009 ordnete der Amtsarzt ein individuelles Beschäftigungsverbot an. Die Klägerin bezog ab diesem Zeitpunkt bis 23. 8. 2010 Wochengeld in Höhe von täglich 83,81 EUR. Am 28. 6. 2010 gebar sie ihren Sohn J***** V*****. Für 2. 1. 2010 hatte sie eine Einstellungszusage von der Firma R***** B***** S*****, sie musste das neue Dienstverhältnis wegen des Beschäftigungsverbots absagen.

Die beklagte Partei lehnte mit Bescheid vom 3. 1. 2011 den Antrag der Klägerin auf Gewährung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgelds für ihren am 28. 6. 2010 geborenen Sohn ab.

Das auf Zuerkennung eines Kinderbetreuungsgelds in Höhe von 66 EUR täglich ab 24. 8. 2010 bis zur Vollendung des 12. Lebensmonats ihres Sohnes gerichtete Klagebegehren wies das Erstgericht, das die eingangs wiedergegebenen Feststellungen traf, ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Klägerin erfülle die Voraussetzung nach § 24 Abs 1 Z 1 KBGG für den Anspruch auf ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld nicht, weil sie in den letzten sechs Kalendermonaten unmittelbar vor der Geburt nicht durchgehend erwerbstätig gewesen sei. Nach dem Gesetzeswortlaut seien Zeiten eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz (MSchG) der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit gleichgestellt. Allerdings spreche § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG ausdrücklich von einer vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots. Daraus folge, dass eine solche Gleichstellung ein aufrechtes Dienstverhältnis voraussetze, das „vorübergehend unterbrochen“ werden könne. Die Gesetzesmaterialien stützten die Auffassung, dass ein aufrechtes Dienstverhältnis während eines Wochengeldbezugs in den letzten sechs Monaten vor der Geburt Anspruchsvoraussetzung sei.

Die Klägerin habe infolge der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses per 31. 12. 2009 und die dadurch bedingte nicht nur vorübergehende Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit keinen Anspruch auf das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 24 KBGG fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei beantwortete Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin vertritt weiter ihren Standpunkt, dass Zeiten eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG bzw Zeiten des Wochengeldbezugs einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit gleichgestellt seien, ohne dass es darauf ankäme, ob das Dienstverhältnis während des Beschäftigungsverbots bzw des Wochengeldbezugs bestehe oder aufgelöst werde. Jede andere Rechtsansicht führe zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber jenen Beziehern des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgelds, die ebenfalls aufgrund eines individuellen Beschäftigungsverbots Wochengeld bei aufrechtem Dienstverhältnis beziehen.

Hierzu wurde erwogen:

Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens („einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld“) nach dem 5. Abschnitt des KBGG setzt ua voraus, dass der ansprucherhebende Elternteil „in den letzten sechs Kalendermonaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen werden soll, durchgehend erwerbstätig gemäß Abs 2 war, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Kalendertagen nicht anspruchsschädigend auswirken“ (§ 24 Abs 1 Z 2 KBGG).

Der Begriff der Erwerbstätigkeit ist legal definiert (§ 24 Abs 2 KBGG). Demnach versteht man unter Erwerbstätigkeit die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit. Der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt sind „Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG), BGBl Nr 221, oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, sowie Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder Väter‑Karenzgesetz (VKG), BGBl Nr 651/1989, oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes“ (§ 24 Abs 2 Satz 2 KBGG).

Nach dem Wortlaut des § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG sind der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit Zeiten eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG (oder nach gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften) nicht schlechthin gleichgestellt, sondern nur „Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit“ während eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG (oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften). Zutreffend hat das Berufungsgericht daraus geschlossen, dass während dieser Zeiten eines Beschäftigungsverbots eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit, zB ein sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis, bestehen muss, denn nur eine bestehende Erwerbstätigkeit (zB Dienstverhältnis) „kann vorübergehend unterbrochen werden“.

Die Auslegung nach dem Wortlaut der Bestimmung wird durch die Gesetzesmaterialien gestützt (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16 ff). Dort (S 17) heißt es ausdrücklich, dass keinesfalls mehr von einer tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit ausgegangen werden kann, wenn die Erwerbstätigkeit beendet wurde (zB das Dienstverhältnis aufgelöst oder das Gewerbe abgemeldet wurde).

Die Anspruchsvoraussetzung, dass der Elternteil, der das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld beziehen will, in den letzten sechs Monaten vor der Geburt einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit tatsächlich nachgegangen ist, ist sachlich begründet, bezweckt doch diese Leistung als (teilweiser) Ersatz für den Entfall des früheren Einkommens, jenen Elternteilen, die vor der Geburt über ein relativ hohes Erwerbseinkommen verfügt haben, die Möglichkeit zu geben, trotz kurzzeitigem Rückzug aus dem Erwerbsleben den bisherigen Lebensstandard zu erhalten (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16 f).

Da die Klägerin die Anspruchsvoraussetzung nach § 24 Abs 1 Z 2 KBGG nicht erfüllt, musste ihrer Revision der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 ASGG (beklagte Partei) und auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG (Klägerin). Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin wurden nicht bescheinigt und sind aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich.

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