OGH 13Os165/11f

OGH13Os165/11f8.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. März 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Linzner als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Rupert A***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 28. September 2011, GZ 39 Hv 119/11s-18, sowie die Beschwerde des Betroffenen gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Erteilung von Weisungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die - gemäß § 45 Abs 1 StGB für eine Probezeit von fünf Jahren bedingt nachgesehene - Unterbringung des Rupert A***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Danach hat er am 18. Oktober 2010 in H***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer Alkoholabhängigkeitserkrankung verbunden mit einer Persönlichkeitsstörung mit impulsiven Zügen (emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ) und einer intellektuellen Minderbegabung, Franz K***** durch die Äußerung „ich werde dich umbringen, du wirst heute sterben“ gefährlich mit dem Tod bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, und dadurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB begangen.

Die dagegen vom Betroffenen aus Z 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider ist das Erstgericht ohnedies davon ausgegangen, dass Franz K***** - seiner diesbezüglichen Aussage in der Hauptverhandlung (ON 17 [richtig:] S 4) entsprechend - zur Tatzeit in psychiatrischer Behandlung stand (US 5).

Im Übrigen bekämpft die aus diesem Umstand entwickelte Argumentation - ebenso wie das weitere gegen die Glaubwürdigkeit des Genannten gerichtete Vorbringen - bloß unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld.

Soweit die Rüge die Eignung der Drohung, dem Bedrohten begründete Besorgnis einzuflößen (der Sache nach Z 9 lit a), mit der Behauptung in Abrede stellt, es habe sich um eine „allfällige situationsbedingte Unmutsäußerung des deprimierten, stark angetrunkenen Betroffenen“ gehandelt, orientiert sie sich nicht am Bezugspunkt der Gesamtheit der tatrichterlichen Feststellungen (wonach der Betroffene vor der Tat in erheblich alkoholisiertem Zustand davon berichtete, dass seine Mutter zwei oder drei Tage zuvor verstorben sei, und dabei in abwechselnd depressiver und aggressiver Stimmung war; US 4) und erklärt nicht, weshalb allein zufolge eines solchen Zustandsbildes die Ankündigung, getötet zu werden und am selben Tag zu sterben, bei Anlegung eines objektiv individuellen Maßstabs ungeeignet sein soll, dem Bedrohten begründete Besorgnis (das ist die Annahme, dass ein Ereignis bevorsteht, verbunden mit der unangenehmen Vorausempfindung des aus diesem Ereignis entspringenden Übels; Jerabek in WK2 § 74 Rz 33) einzuflößen.

Entgegen der offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung, wonach es dem Betroffenen darauf ankam, durch seine Äußerung in Furcht und Unruhe zu versetzen, reklamierenden Rüge hat das Erstgericht - rechtsstaatlich zulässig (vgl RIS-Justiz RS0116882) - vom gezeigten Verhalten auf das zugrundeliegende Wissen und Wollen des Betroffenen geschlossen (US 7). Soweit die Rüge mit dem diesbezüglichen Vorbringen die Ernstlichkeit der Drohung bestreitet (der Sache nach Z 9 lit a), entfernt sie sich von den gegenteiligen Feststellungen der Tatrichter (US 5).

Ob die Drohung beim Bedrohten tatsächlich Besorgnis erregt, ist angesichts des normierten Merkmals der bloßen „Eignung“ zur Herbeiführung einer derartigen Folge ohne rechtliche Bedeutung (Jerabek in WK2 § 74 Rz 33), sodass die Tatrichter der Tatsachenrüge (Z 5a, inhaltlich Z 5 zweiter Fall) zuwider dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten waren, sich mit der Aussage der Zeugin S*****, wonach der Bedrohte nicht aus Angst vor dem Betroffenen, sondern weil er von diesem der Wohnung verwiesen wurde, diese verließ, auseinander zu setzen.

Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall liegt vor, wenn die - wie hier - in Frage gestellte Gefährlichkeitsprognose zumindest eine der in § 21 Abs 1 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt oder die aus den gesetzlich angeordneten Erkenntnisquellen gebildete Feststellungsgrundlage die Ableitung der Befürchtung, also die rechtliche Wertung einer hohen Wahrscheinlichkeit für die Sachverhaltsannahme, der Rechtsbrecher werde eine oder mehrere bestimmte Handlungen begehen, welche ihrerseits rechtlich als mit Strafe bedroht und entsprechend sozialschädlich (mit schweren Folgen) zu beurteilen wären, als willkürlich erscheinen lässt (RIS-Justiz RS0113980 [T7]). Demgegenüber behauptet die gegen die Annahme qualifizierter Gefährlichkeit im Sinn des § 21 Abs 1 StGB gerichtete Rüge (Z 11, nominell verfehlt auch Z 5) gar nicht das Übergehen einer Erkenntnisquelle oder einen unvertretbaren Schluss aus herangezogenen Erkenntnisquellen, sondern wendet sich gegen die in der Gefährlichkeitsprognose liegende Ermessensentscheidung, womit sie nicht Nichtigkeit reklamiert, vielmehr ein Berufungsvorbringen erstattet (vgl RIS-Justiz RS0113980).

Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang das Gutachten der Sachverständigen - ohne einen Mangel im Sinn des § 127 Abs 3 StPO oder ein erfolglos gebliebenes Verbesserungsverfahren aufzuzeigen - als unschlüssig kritisiert, bekämpft sie erneut unzulässig die Beweiswürdigung (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

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