OGH 10Ob99/11y

OGH10Ob99/11y14.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hannelore Pitzal, Rechtsanwältin, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der C***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Köb, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Mag. Florian Zeh, Rechtsanwalt in Wien, wegen 49.739,25 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. September 2011, GZ 2 R 49/11g-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28. November 2010, GZ 37 Cg 180/09p-18, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies mit Urteil vom 28. 11. 2010 das auf Zahlung von 49.739,25 EUR sA gerichtete Klagebegehren ab. Die dagegen erhobene Berufung der klagenden Partei wurde am 24. 1. 2011, die Berufungsbeantwortung der beklagten Partei am 28. 2. 2011 eingebracht. Die Vorlage des Akts an das Berufungsgericht erfolgte am 2. 3. 2011.

Am 1. 7. 2011 eröffnete das Handelsgericht Wien zu 5 S 92/11f über das Vermögen der klagenden Partei das Konkursverfahren. Dr. Hannelore Pitzal, Rechtsanwältin in Wien, wurde zur Masseverwalterin bestellt.

Mit dem angefochtenen - am 28. 9. 2011 in nichtöffentlicher Sitzung ergangenen - Urteil gab das Berufungsgericht - in Unkenntnis der Konkurseröffnung - der Berufung der klagenden Partei Folge. Es sprach aus, dass die Klagsforderung mit 49.739,25 EUR zu Recht, die von der beklagten Partei eingewendete Gegenforderung von 70 EUR nicht zu Recht bestehe und die beklagte Partei daher schuldig sei, der klagenden Partei den Betrag von 49.739,25 EUR sA zu bezahlen. Es sprach weiters aus, dass die Revision mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Das Erstgericht stellte mit (deklarativem) Beschluss vom 18. 10. 2011 fest, dass das Verfahren infolge Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der klagenden Partei gemäß § 7 Abs 1 IO unterbrochen sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei wegen Nichtigkeit des Urteils, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung als nichtig aufzuheben, in eventu sie dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Die für die klagende Gemeinschuldnerin bestellte Masseverwalterin erklärte in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, dass sie in das Verfahren eintrete und die bisherige Prozessführung ausdrücklich genehmige. In der Sache selbst beantragte sie die Zurückweisung der außerordentlichen Revision der beklagten Partei, weil keine erhebliche Rechtsfrage vorliege. Hilfsweise beantragt sie, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

1. Die beklagte Partei macht als Nichtigkeit bzw Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend, dass das Verfahren aufgrund der Konkurseröffnung über das Vermögen der klagenden Partei am 1. 7. 2011 gemäß § 7 Abs 1 IO ex lege unterbrochen sei. Das nach Eintritt der Unterbrechung gefällte Urteil des Berufungsgerichts leide daher an einer Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 5 ZPO. Das Verfahren sei somit mangelhaft und das angefochtene Urteil wegen Nichtigkeit aufzuheben.

2. Gemäß § 7 Abs 1 IO werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Schuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme der in § 6 Abs 3 IO bezeichneten Streitigkeiten - eine solche liegt hier nicht vor - unterbrochen. Die Unterbrechung tritt ex lege ein, auch im Stadium des Rechtsmittelverfahrens. Ein Beschluss über den Eintritt der Unterbrechung hat nur deklarative Wirkung. Die Wirkungen der Unterbrechung bestimmen sich nach den allgemeinen Regeln des § 163 ZPO. Demnach sind unter Missachtung der Unterbrechung gesetzte Gerichtshandlungen - soweit nicht § 163 Abs 3 ZPO oder eine sonstige Ausnahme greift - in der Regel nichtig. Alle während der Unterbrechung von der Partei vorgenommenen Prozesshandlungen sind zurückzuweisen. Während der Unterbrechung des Verfahrens sind somit Prozesshandlungen zwar unwirksam, es kann aber nach ständiger Rechtsprechung einer Partei, die sich durch eine trotz erfolgter Verfahrensunterbrechung ergangene Entscheidung beschwert erachtet, nicht verwehrt werden, diese Entscheidung anzufechten, wenn sie damit einen Verstoß gegen § 7 Abs 1 IO geltend machen will. Soweit im Rechtsmittel während der Unterbrechung jedoch auch andere Rechtsmittelgründe geltend gemacht werden, ist es unzulässig. Erst im aufgenommenen Verfahren kann dann die Partei andere Rechtsmittelgründe geltend machen, wie zB unrichtige rechtliche Beurteilung (vgl 10 Ob 80/05w mwN; RIS-Justiz RS0036977, RS0037023 ua).

3. Die beklagte Partei macht somit mit Recht geltend, dass im Hinblick auf die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der klagenden Partei auch im gegenständlichen Verfahren eingetretene Unterbrechung das Berufungsurteil nicht gefällt hätte werden dürfen. Wird das Verfahren jedoch - wie im vorliegenden Fall - in Unkenntnis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Schuldner fortgesetzt, liegt ein der Prozessunfähigkeit vergleichbarer Mangel vor, auf den nach herrschender Auffassung sinngemäß der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO zur Anwendung kommt. Eine Nichtigkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle kann aber durch nachträgliche Genehmigung der Prozessführung durch den gesetzlichen Vertreter geheilt werden (vgl 10 Ob 80/05w mwN).

4. Im vorliegenden Fall wurde die ursprüngliche Nichtigkeit nachträglich dadurch saniert, dass die Masseverwalterin mit der von ihr erstatteten Revisionsbeantwortung in das Verfahren eintrat und ausdrücklich die bisherige Prozessführung genehmigte. Damit ist die dem Berufungsurteil anhaftende Nichtigkeit geheilt (vgl 8 ObS 6/09d; 1 Ob 199/06f mwN; RIS-Justiz RS0035434 [T7]).

5. Soweit die beklagte Partei in ihrem Rechtsmittel als weitere erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO eine materiell unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass eine inhaltliche Überprüfung der Entscheidung des Berufungsgerichts im Hinblick auf das durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin unterbrochene Verfahren derzeit nicht stattfinden kann. Die Unterbrechung des Verfahren gemäß § 7 Abs 1 IO kann nämlich nur durch (förmliche) Aufnahme des Verfahrens in Form eines Gerichtsbeschlusses aufgrund eines gestellten Aufnahmeantrags beseitigt werden. Der Aufnahmeantrag ist gemäß § 165 Abs 1 ZPO bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Rechtssache im Zeitpunkt des Eintritts des Unterbrechungsgrundes anhängig war. Ist die Unterbrechung - wie im vorliegenden Fall - im Rechtsmittelstadium eingetreten, dann ist nach Aktenvorlage an das Rechtsmittelgericht dieses zur Entscheidung über den bei ihm zu stellenden Aufnahmeantrag zuständig (10 Ob 80/05w).

6. Das Erstgericht wird daher nach Zustellung der gegenständlichen Entscheidung an die Parteien den Akt neuerlich dem Berufungsgericht zur Entscheidung über den von der Masseverwalterin am 29. 11. 2011 beim Berufungsgericht eingebrachten Aufnahmeantrag vorzulegen haben. Erst im aufgenommenen Verfahren kann von den Parteien eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht geltend gemacht werden (vgl Gitschthaler in Rechberger, ZPO³ § 163 Rz 4; Fink in Fasching/Konecny² ZPO § 163 Rz 27; 10 Ob 80/05w mwN ua). Sollte nach Fortsetzung des Verfahrens kein Rechtsmittel erhoben werden, würde die Entscheidung des Berufungsgerichts in Rechtskraft erwachsen (vgl 2 Ob 165/04k).

Kosten für die Revisionsbeantwortung sind nicht zuzuerkennen, weil der von der beklagten Partei in ihrer außerordentlichen Revision geltend gemachte Nichtigkeitsgrund erst durch die Genehmigung der bisherigen Prozessführung durch die nunmehr klagende Masseverwalterin in ihrer Revisionsbeantwortung weggefallen ist und der Grund für die Unzulässigkeit der übrigen Revisionsausführungen nicht erkannt wurde (§§ 40, 50 ZPO).

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