OGH 5Ob248/11y

OGH5Ob248/11y17.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft des Hauses *****, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C*****gmbH, *****, wegen 5.788,44 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. September 2011, GZ 34 R 128/11t-5, mit dem infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 17. August 2011, GZ 22 C 1121/11k-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ 1379 GB ***** begehrt von der beklagten Mit- und Wohnungseigentümerin, einer Gesellschaft mbH, die Zahlung der Wohnbeiträge aus den Vorschreibungen für die Zeit von Februar bis Juli 2011 für das Geschäftslokal 1 A (B-LNR 13) in der Höhe von monatlich jeweils 964,74 EUR, insgesamt 5.788,44 EUR sA.

Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit a limine zurück. Die Beklagte sei eingetragene Unternehmerin. Das der Klage zugrundeliegende Rechtsgeschäft sei ein unternehmensbezogenes Geschäft (§ 344 Abs 1 UGB). Zumindest sei nichts vorgebracht, was diese Vermutung widerlege; damit falle die Streitsache in die Zuständigkeit der Handelsgerichte (§ 51 Abs 1 Z 1 JN).

Das Rekursgericht gab dem von der Klägerin erhobenen Rekurs nicht Folge. Die Frage, ob Ansprüche auf rückständige Wohnbeiträge gesetzliche oder vertragliche Ansprüche seien, werde von den Senaten des Rekursgerichts divergierend beurteilt. Nach Ansicht des erkennenden Rekurssenats gründeten Forderungen der Eigentümergemeinschaft auf anteilige Kosten der Gemeinschaft auf dem Wohnungseigentumsvertrag. Dieser stelle nach § 344 UGB für die beklagte Unternehmerin im Sinn des § 2 UGB im Zweifel ein unternehmensbezogenes Geschäft dar. Behaupte daher die Klägerin nicht ausdrücklich Umstände, nach denen derartige vertragliche Ansprüche nicht zum Betrieb des Unternehmens gehörten, seien die Handelsgerichte zuständig.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil - soweit überblickbar - keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob die Forderung auf rückständige Wohnbeiträge einen gesetzlichen oder einen vertraglichen Anspruch betreffe.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens aufzutragen. Die Beträge gemäß § 32 WEG 2002 seien von der Eigentümergemeinschaft ex lege einzufordern. Die Vorschreibung beruhe nicht auf einer autonomen geschäftlichen Entscheidung des Unternehmers. Dieser habe darauf nur den durch das WEG 2002 determinierten Einfluss im Rahmen seines Stimmrechts in der Eigentümerversammlung. Es könne daher kein unternehmensbezogenes Geschäft vorliegen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Vor dem Inkrafttreten des Handelsrechts-Änderungsgesetzes (HaRÄG, BGBl I 2005/120) mit 1. 1. 2007 gehörten nach § 51 Abs 1 Z 1 JN vor die selbständigen Handelsgerichte Streitigkeiten (mit einem 10.000 EUR übersteigenden Wert) aus Handelsgeschäften, wenn die Klage gegen einen Kaufmann, eine Handelsgesellschaft oder eine registrierte Genossenschaft gerichtet und das Geschäft auf Seiten des Beklagten ein Handelsgeschäft war.

2. Die Änderung des Grundtatbestands in den §§ 1 ff UGB durch das HaRÄG erforderte auch die Neufassung des § 51 Abs 1 Z 1 JN. Nach ihrem geänderten Wortlaut (gemäß Art XIV leg cit) knüpft diese Bestimmung nunmehr die Zuständigkeit der Handelsgerichte an „Streitigkeiten aus unternehmensbezogenen Geschäften, wenn die Klage gegen einen im Firmenbuch eingetragenen Unternehmer gerichtet ist und das Geschäft auf Seiten des Beklagten ein unternehmensbezogenes Geschäft ist“. Übersteigt der Streitgegenstand dieser Streitigkeiten nicht 10.000 EUR, sind nach § 52 Abs 1 JN an Orten, an denen ein selbständiges Handelsgericht und Bezirksgerichte für Handelssachen bestehen, die Bezirksgerichte für Handelssachen zuständig.

3. Geschäfte von Handelsgesellschaften (Personengesellschaften und juristischen Personen), also auch solche von Kaufleuten kraft Rechtsform (§ 6 Abs 2 HGB), galten stets als Handelsgeschäfte (2 Ob 67/08d SZ 2008/55; RIS-Justiz RS0059862 [GmbH]; Kramer in Straube, HGB3 I §§ 343, 344 Rz 15; Simotta in Fasching 2 § 51 JN Rz 47; Mayr in Rechberger 3 § 51 JN Rz 5 je mwN). Nichts anders gilt nach der neuen Rechtslage für die hier beklagte Gesellschaft mbH als Unternehmer kraft Rechtsform im Sinn des § 2 UGB. Ihre Geschäfte sind stets unternehmensbezogen (Schauer in Krejci, RK, § 343 UGB Rz 13 mwN).

4. Neben dem Vorliegen eines unternehmensbezogenen Geschäfts setzt allerdings die Zuständigkeit der Handelsgerichte voraus, dass auch der eingeklagte Anspruch aus einem derartigen Geschäft abgeleitet, somit aus diesem selbst geltend gemacht wird. Insoweit ist keine Änderung zur früheren Rechtslage eingetreten, weshalb zur Konkretisierung dieses Tatbestandserfordernisses auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann (2 Ob 67/08d SZ 2008/55 = RIS-Justiz RS0046425 [T3]).

5. Die Ableitung aus einem Handelsgeschäft lag nun nach Judikatur und Lehre dann vor, wenn das Handelsgeschäft unmittelbar die Grundlage für die Berechtigung des Anspruchs und den rechtserzeugenden Sachverhalt bildete, auf den der Kläger seinen Anspruch stützte (1 Ob 543/93 RZ 1994/79; Simotta in Fasching 2 I § 51 JN Rz 63 mwN):

5.1. So gehörten etwa Schadenersatzansprüche gegen einen Kaufmann nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor die Handelsgerichte, wenn sie aus der Erfüllung, Schlechterfüllung oder Nichterfüllung eines Handelsgeschäfts abgeleitet wurden (RIS-Justiz RS0113977).

Klagen auf Anfechtung eines Handelsgeschäfts nach der Anfechtungsordnung (AnfO) ordnete der Oberste Gerichtshof nicht der Handelsgerichtsbarkeit zu, weil der Anfechtungsanspruch von der rechtlichen Eigenart der angefochtenen Rechtshandlung unabhängig sei (10 Ob 2/04y RIS-Justiz RS0046419 [T1]).

Bei Kondiktionsansprüchen nach § 1431 ABGB wurde teilweise dahingehend differenziert, ob ein Handelsgeschäft die Grundlage für die Beurteilung der Berechtigung des Anspruchs bildete (vgl dazu die Nachweise [insbesondere aus der Judikatur des HG und des OLG Wien] bei Simotta aaO Rz 67 und Mayr aaO; weitere Nachweise in 2 Ob 67/08d SZ 2008/55).

In der zuvor zitierten Entscheidung (2 Ob 67/08d SZ 2008/55 = RIS-Justiz RS0123493; RS0046419 [T3]) bejahte der Oberste Gerichtshof nach eingehender Auseinandersetzung mit der zu RIS-Justiz RS0046419 dokumentierten vorangegangenen Rechtsprechung die Zuständigkeit der Handelsgerichte nach § 51 Abs 1 Z 1 JN für Ansprüche auf Rückabwicklung eines durch Rücktritt vom Vertrag aufgelösten Rechtsgeschäfts, das auf Seiten des Beklagten ein unternehmensbezogenes Geschäft war.

Ein Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft wurde hingegen bei einer Klage auf Zahlung von Benützungsentgelt wegen einer von Anfang an titellosen Benutzung einer Liegenschaft verneint (Simotta aaO Rz 68 mwN).

5.2. Ein direkter Geschäftsabschluss zwischen den Prozessparteien wird grundsätzlich nicht gefordert (7 Ob 605/77 = RIS-Justiz RS0046402; Mayr aaO). Für Ansprüche eines aus einem Vertrag zugunsten Dritter als Handelsgeschäft Begünstigten wurde die Zuständigkeit der Handelsgerichte ebenso bejaht wie im Fall einer Legalzession eines aus einem Handelsgeschäft abgeleiteten Anspruchs (Nachweise aus der Judikatur des HG sowie des OLG Wien bei Simotta aaO Rz 64).

6. Die Grundzüge der wiedergegebenen Judikatur machen deutlich, dass jene Entscheidungen, die die Zuständigkeit der Handelsgerichte bejahten, zumindest einen engen Zusammenhang des geltend gemachten Anspruchs mit den durch ein Handelsgeschäft (einem unternehmensbezogenen Geschäft) selbst begründeten Forderungen und Pflichten voraussetzen. Ein solcher Konnex ist jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil hiefür das Bestehen eines Wohnungseigentumsvertrags mit der Beklagten nicht ausreicht:

6.1. Der Wohnungseigentumsvertrag ist nach § 3 Abs 1 Z 1 WEG 2002 die schriftliche Vereinbarung aller Miteigentümer und eine Grundlage für die Begründung von Wohnungseigentum. Dieses dingliche Recht wird nach § 5 Abs 3 Satz 1 WEG 2002 durch Einverleibung ins Grundbuch erworben.

6.2. Wurde am betreffenden Wohnungseigentumsobjekt (Geschäftslokal) erstmals zugunsten der beklagten Gesellschaft mbH Wohnungseigentum begründet, wie dies hier aus dem Grundbuch folgt, dann ist der mit der Beklagten im Sinn des § 3 Abs 1 Z 1 WEG 2002 geschlossene Wohnungseigentumsvertrag (nur) der Titel für die konstitutive Begründung des Wohnungseigentums, das Rechtsgeschäft im Sinn einer Einigung über die Veränderung der dinglichen Rechtsposition (vgl 5 Ob 15/10g = wobl 2010/131, 284; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 3 WEG Rz 7 f; vgl Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und Wohnrecht21 § 3 WEG Rz 1 f) und notwendige Voraussetzung für das dingliche Verfügungsgeschäft in Form der grundbücherlichen Einverleibung des Wohnungseigentumsrechts (vgl T. Hausmann aaO Rz 8).

6.3. Der Abschluss eines solchen Wohnungseigentumsvertrags und der Erwerb des Wohnungseigentums durch Einverleibung als dingliches Verfügungsgeschäft mögen genauso unternehmensbezogene Geschäfte der beklagten Gesellschaft mbH sein wie der derivative Erwerb (zB Kauf) eines bestehenden Wohnungseigentumsobjekts (der mit Wohnungseigentum verbundenen Miteigentumsanteile an der Liegenschaft) durch eine Gesellschaft mbH. Solche Geschäfte verschaffen einer Gesellschaft die Rechtsposition als Wohnungseigentümer und Mitglied der Eigentümergemeinschaft verbunden mit den durch das WEG 2002 daran geknüpften Rechten und Pflichten. Die klagende Eigentümergemeinschaft war allerdings nicht Vertragspartner des mit der Beklagten geschlossenen Wohnungseigentumsvertrags und unmittelbar aus diesem abgeleitete Ansprüche sind hier auch nicht zu beurteilen.

6.4. Die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage sind von den Wohnungseigentümern nach § 32 Abs 1 Satz 1 WEG 2002 im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen. Von diesem schon gesetzlich festgelegten Aufteilungsschlüssel kann nur durch einen Beschluss sämtlicher Wohnungseigentümer abgegangen werden (§ 32 Abs 2 WEG 2002). Festsetzung, Vorschreibung und Inkasso (dazu § 20 Abs 5 WEG 2002) der Beiträge gehören als Maßnahme der Verwaltung zu den Aufgaben eines bestellten Verwalters (vgl RIS-Justiz RS0083581). Wurde kein (vorläufiger) Verwalter bestellt, wird die Eigentümergemeinschaft nach § 18 Abs 3 WEG 2002 durch die nach Miteigentumsanteilen zu berechnende Mehrheit der Wohnungseigentümer vertreten. Die vorgeschriebenen Akontozahlungen sind für die Beklagte als Wohnungseigentümerin bindend (vgl RIS-Justiz RS0083581; vgl Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 20 WEG Rz 20 f).

6.5. Die Verpflichtung, zu den (vorgeschriebenen) liegenschafts- und verwaltungsbezogenen Aufwendungen der Eigentümergemeinschaft (E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch aaO § 32 Rz 14) im Sinn des § 32 WEG 2002 beizutragen, beruht auf der dinglichen Rechtsposition als Wohnungseigentümer (§ 2 Abs 1 Satz 1 WEG 2002) zu einem bestimmten Zeitpunkt (Ende der Abrechnungsperiode nach § 32 Abs 1 Satz 1 WEG 2002) in Verbindung mit einem Akt der Verwaltung der Liegenschaft. Die Verpflichtung resultiert demgegenüber nicht - unmittelbar - aus einem Rechtsgeschäft, sondern trifft die Beklagte - wie alle anderen Mit- und Wohnungseigentümer - auf der Grundlage des WEG 2002. Dass das dem Erwerb von Wohnungseigentum zugrunde gelegene Rechtsgeschäft auf Seiten der Beklagten unternehmensbezogen gewesen sein mag, vermittelt betreffend die Verpflichtung zu Beitragszahlungen keinen ausreichend engen Sachzusammenhang, der die handelsgerichtliche Zuständigkeit begründen könnte.

7. Zusammengefasst folgt somit:

Macht eine Eigentümergemeinschaft gegen eine Gesellschaft mbH Wohnbeiträge für deren Geschäftslokal geltend, dann ist dies - mangels ausreichend engen Sachzusammenhangs zu einem unternehmensbezogenen Rechtsgeschäft - keine Streitigkeit im Sinn des § 51 Abs 1 Z 1 JN.

Da die Vorinstanzen folglich die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichts zu Unrecht verneinten waren deren Entscheidungen aufzuheben und dem Erstgericht war die Einleitung des Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.

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