Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.189,44 EUR (darin 198,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Wirksamkeit ab 15. 10. 1991 bestand zwischen dem Kläger und der B***** Gesellschaft mbH als „Importeur“ ein Handelsvertretervertrag, mit dem der Kläger als Agentur den „Vertrieb der Neugeräte wie Hitachi Bagger, Fiat-Hitachi Bagger sowie Fiatallis Radlader sowie Planier- und Laderaupen inklusive aller Zubehörteile, die zum Programm des Importeurs gehören“ übernahm. Vertragsgebiet ist Steiermark und das südliche Burgenland, wobei sich der Importeur eine jederzeitige Gebietsänderung vorbehielt. Gebietsschutz wurde nicht vereinbart; Kundenschutz nur insoweit, als er in Anlage A des Vertrags ausdrücklich vereinbart ist. Dies gilt speziell für Kunden außerhalb des Vertragsgebiets. Für die Agentur besteht Projektschutz. Sofern nicht ausdrücklich Kunden- und Projektschutz vereinbart ist, gebührt für direkte Geschäfte des Importeurs keine Provision. Der Kläger verpflichtete sich, keine Konkurrenzprodukte zu den Vertragsprodukten zu vertreiben; dieses Konkurrenzverbot gilt jedoch nicht für Gebrauchtmaschinen. Sollte die Agentur neben den Produkten des Importeurs noch andere Produkte, sei es als Handelsvertreter, sei es als Händler, vertreiben, so hat sie den Importeur hierüber zu informieren. Der Kläger erbrachte seine Leistungen für die Vertragspartnerin und die als deren Rechtsnachfolgerin anzusehende I***** Handelsgesellschaft (der die Vertragspartnerin mit Stichtag 30. 6. 1994 den gesamten Geschäftsbereich einschließlich die Fiat-Hitachi Baumaschinenvertretung für Österreich übertrug) bis 2004. Zum 1. 9. 2004 wurde die I***** mit der Beklagten verschmolzen. Im Zuge dieser Umstrukturierung erfolgte eine neue Gebietsaufteilung für die Handelsvertretertätigkeit, bei der der Kläger nicht berücksichtigt wurde. Seit 19. 4. 2004 stellte die Beklagte dem Kläger weder Prospektmaterial noch Preislisten für seine weitere Vertretertätigkeit zur Verfügung.
Der Kläger erweiterte im Zuge seiner Tätigkeit für die Rechtsvorgänger der Beklagten keine bestehende Geschäftsverbindung, führte ihnen aber folgende Kunden neu zu:
a) M***** (F***** - W*****): Diesen (insgesamt drei) Unternehmen verkaufte der Kläger zwischen 1992 und 2004 ca 15 Fiat-Hitachi-Maschinen. Ab 2004 verkaufte die Beklagte diesen Unternehmen ohne Zutun des Klägers vier „New Holland“-Geräte, ein Faun Gerät, ein Kobelco- sowie ein Hitachi-Kobelco-Gerät. Darüber hinaus kaufte M***** bei der Beklagten eine Vielzahl von Konkurrenzprodukten, hauptsächlich der Marke Caterpillar.
b) Gemeinde S*****: kaufte 2001 ein Fiat-Hitachi-Gerät (7-Tonnen-Bagger für Straßenarbeiten) mit einer Nutzungsdauer von zehn Jahren.
c) K*****: kaufte ab 1998 mehrere Fiat-Hitachi-Bagger. Nach 2004 kaufte dieses Unternehmen bei der Beklagten zumindest fünf New-Holland-Geräte.
d) G*****: kaufte ab 1996 zumindest vier Fiat-Hitachi-Bagger.
e) B*****: kaufte 2004 einen Fiat Kobelco Mobilbagger. Im Frühjahr 2010 erwarb dieses Unternehmen bei der Beklagten einen Gräder der Marke „New Holland“.
f) Maschinenhof H***** GmbH: kaufte ab 1994 bis 2004 ca 30 Geräte. Der Kläger vermittelte ab 2004 nach einer entsprechenden Anfrage des Geschäftsführers der B***** GmbH (des ehemaligen Verkaufsleiters der I*****) für die B***** GmbH zwei Bagger-Verkäufe an H*****. Nach Februar 2009 wurden noch vier Maschinen von der B***** GmbH an H***** verkauft.
„New Holland“ ist eine Marke des Fiat-Konzerns, unter der Fiat sämtliche Land- und Baumaschinen sowie Traktoren verkauft. Zwischen 1990 und 2000 erzeugte Fiat in Lizenz der japanischen Firma Hitachi Baumaschinen unter der Marke Fiat-Hitachi in Europa, da Hitachi ausschließlich für den japanischen Markt produzierte. 2000 fand Fiat einen neuen Partner im japanischen Unternehmen Kobelco und produziert seither in Lizenz Bagger dieses Unternehmens in und für Europa. Diese Geräte hießen zunächst Fiat Kobelco, seit 2004 „New Holland“. Hitachi trat nach der Trennung von Fiat und Auflassung der Produkte Fiat-Hitachi zunächst nicht selbst auf dem Markt auf, produziert aber seit 2004 wieder in Europa unter einer eigenen Marke; diese Produkte werden von der B***** GmbH vertrieben. Kobelco-Fiat und Hitachi sind nunmehr Mitbewerber. Für Serviceleistungen und Reparaturarbeiten von Fiat-Hitachi-Geräten nach 2000 gab es mit den einzelnen Kunden jeweils gesonderte Regelungen. Die Beklagte handelte auch nach 2000 noch mit Ersatzteilen für gewisse Fiat-Hitachi-Geräte, die sowohl von Fiat als auch von Hitachi bezogen werden konnten. Sowohl 2004 als auch heute sind rund 10 Baggerhersteller auf dem Markt, die technisch annähernd gleichwertige Produkte anbieten. Der Kläger war auf die Provisionseinnahmen aus den Verkäufen für die Beklagte und deren Rechtsvorgängerin angewiesen, ein Einkommen aus anderer Tätigkeit erzielte er nicht.
Der Kläger begehrte 19.609,13 EUR sA als Ausgleichszahlung nach § 24 HVertrG für seine Tätigkeit zwischen 1991 und 2004. Die Passivlegitimation der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der Vertragspartnerin des Klägers ist in dritter Instanz nicht mehr strittig. Die Anspruchsvoraussetzungen für den Ausgleichsanspruch lägen vor. Der Vorwurf der Beklagten, er habe das vertragliche Wettbewerbsverbot verletzt, sei ebenso unrichtig wie jener, er habe Kunden „mitgenommen“. Der Höhe nach errechne sich der geltend gemachte Klagsbetrag aus den durchschnittlichen Provisionen der letzten fünf Jahre, wobei die (vollen) Kalenderjahre 1999 bis 2003 zugrunde zu legen seien.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt - soweit im Revisionsverfahren noch erheblich - einen nachhaltigen Nutzen der Tätigkeit des Klägers für sie. Der Kläger habe in der Vergangenheit Geschäfte mit Produkten von Hitachi vermittelt; nach einem Produktwechsel vertreibe nicht die Beklagte, sondern die I***** KG diese Produkte. Der Kläger habe somit keine Kunden zugeführt, mit denen weitere Geschäfte abgeschlossen werden könnten. Durch die Vermittlung von Geschäften zwischen der Firma M***** und der B***** GmbH habe er gegen das vertraglich vereinbarte Konkurrenzverbot verstoßen und damit eine grobe Pflichtverletzung begangen, die den Ausgleichsanspruch ausschließe. Nur mit 7 von 19 dem Kläger am 9. 1. 1997 zugewiesenen Kunden seien in den letzten vier Jahren Geschäfte getätigt worden. Daran zeige sich, dass die Zahl der Kunden während seiner Tätigkeit erheblich zurückgegangen sei. Auch die innerhalb der letzten vier Jahre betreuten Kunden bestellten nichts mehr bei der Beklagten; dieser habe einige Kunden, etwa H*****, mitgenommen und vermittle Geschäfte zwischen diesem Unternehmen und der B***** GmbH. Der Kläger habe für die von ihm vermittelten Geschäfte eine überdurchschnittlich hohe Provision von 4,5 % erhalten; die Zahlung eines Ausgleichs wäre unbillig.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren im zweiten Rechtsgang ab. Ein Unternehmer könne dann keine erheblichen Vorteile aus den vom Handelsvertreter neu geschaffenen Kundenbeziehungen ziehen, wenn er nach dessen Ausscheiden die Produktion der bisher vom Handelsvertreter vertretenen Produkte einstelle und völlig andere Produkte bei den ihm neu zugeführten Kunden vertreibe. Ausgleichsbegründend seien nur jene erheblichen Vorteile, die der Unternehmer aus der weiteren Nutzung des vom Handelsvertreter für Geschäfte der gleichen Art geschaffenen Kundenstamms ziehe oder ziehen könne. Die vom Kläger neu geschaffenen Geschäftsbeziehungen hätten Fiat-Kobelco-Geräte betroffen. Auf dem Baggermarkt machten Käufer ihre Kaufentscheidung neben dem Preis auch von der Marke und dem dahinter stehenden Hersteller abhängig, weshalb die Beklagte infolge Änderung ihres Produktprogramms auf die Marke „New Holland“ künftig keine erheblichen Vorteile aus der Zuführung von Neukunden durch den Kläger ziehen könne. Allfällige frühere Stammkunden müssten von einem neuen Hersteller erst neu überzeugt werden und in Bezug auf dessen Produkte zum Stammkunden gemacht werden. Bei einem Produkt- bzw Herstellerwechsel lägen deshalb keine Geschäfte der gleichen Art vor. Der Kläger habe nicht bewiesen, dass die Beklagte trotz ihres Produktwechsels aus seiner Tätigkeit einen erheblichen Vorteil in Form von Folgeverkäufen erzielt habe.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es als Zwischenurteil aussprach, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe; es sprach - auf Antrag der Beklagten gemäß § 508 Abs 1 ZPO - aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Bestellung von Produkten bei Kunden, zu denen der Handelsvertreter den Kontakt hergestellt habe, auch dann beim Unternehmer zu einem erheblichen Vorteil iSd § 24 Abs 2 Z 2 HVertrG führe, wenn diese Kunden Produkte anderer Hersteller bestellten, deren Abnahme der Handelsvertreter zuvor nicht vermittelt habe. Dass der Kläger der Beklagten (bei einer Gesamtbetrachtung immer mitgemeint auch deren Rechtsvorgänger) durch neu zugeführte Kunden keinen erheblichen Vorteil verschafft habe, lasse sich aus dem Geschäftsverlauf und den nach 2004 getätigten Geschäften der Beklagten nicht ableiten, wenn man die Charakteristik des Baumaschinenhandels berücksichtige und überdies nicht darauf abstelle, dass nur Geschäfte mit Produkten einer bestimmten Marke als Vorteil im hier einschlägigen Sinne zu werten seien. Bei der Beurteilung, ob ein Kunde Stammkunde sei, müsse darauf Bedacht genommen werden, dass im Baumaschinenhandel wegen der hohen Anschaffungskosten und der Langlebigkeit der Güter mit größeren Anschaffungsintervallen zu rechnen sei als etwa bei Konsumgütern des täglichen Gebrauchs. Insofern sei für den in der Rechtsprechung geforderten überschaubaren Zeitraum sowie auch für die Gesamtzahl der neu erworbenen Kunden und der von diesen abgeschlossenen Geschäfte je nach Branche und je nach erwartbarer Intensität von nachfolgenden Neuanschaffungen ein sinnvoller Maßstab anzulegen. Habe der Kläger - wie festgestellt - sechs Neukunden zugeführt, von denen einer in der Folge eine Vielzahl von Konkurrenzprodukten, einer zumindest fünf Geräte und einer einen Gräder gekauft habe, liege darin ein erheblicher branchenspezifischer Vorteil der Beklagten iSd § 24 Abs 1 Z 1 und 2 HVertrG. Das Gesetz stelle nicht darauf ab, dass als Vorteil nur gelte, wenn der Unternehmer den zugeführten Kunden gerade Produkte der vorher vom Handelsvertreter betreuten Marken verkaufe. Ob ein Geschäft vorteilhaft sei, hänge aus Sicht des Verkäufers nicht davon ab, welches individuelle Produkt verkauft werde; es genüge, dass Produkte jener Art und Verwendung verkauft würden, für die der Handelsvertreter die Kunden neu geworben habe. Ob der Unternehmer aus der Tätigkeit des Handelsvertreters einen erheblichen Nutzen gezogen habe, hänge weder von der Änderung des Zulieferers, noch von der Änderung in der Person des Produzenten ab. Es spiele deshalb keine Rolle, dass vom Kläger gebrachte Neukunden nach 2004 bei der Beklagten Konkurrenzprodukte gekauft hätten, so lange diese Produkte nur die selben Bedürfnisse der Kunden befriedigten wie jene, deren Kauf vorher der Handelsvertreter vermittelt habe. Billigkeitserwägungen (§ 24 Abs 1 Z 3 HVertrG) stünden dem Anspruch des Klägers schon allein deshalb nicht entgegen, weil die Provisionen aus der Rechtsbeziehung mit der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen seine einzige Einkommensquelle gewesen seien. Auf die Höhe der Provision sei dabei nicht abzustellen, könnte man doch bei gegenteiliger Auffassung entgegen der zwingenden Vorschrift des § 27 Abs 1 HVertrG durch eine lukrative Provisionsvereinbarung schon im Vorhinein den Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG ausschließen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Beklagte stellt nicht mehr in Abrede, dass der Kläger ihrer Unternehmensgruppe neue Kunden zugeführt habe. Sie macht aber geltend, ein Provisions- und somit auch ein Ausgleichsanspruch stehe einem Handelsvertreter nur für diejenigen Geschäftsabschlüsse zu, an denen er unmittelbar mitgewirkt habe oder die durch seine mittelbare Mitwirkung (zB als Folgegeschäfte oder Nachbestellungen) erfolgt seien. Der Kläger habe jedoch im Hinblick auf die nachvertraglich verkauften Konkurrenzprodukte keine werbende oder vermittelnde Tätigkeit entfaltet, die für den Geschäftsabschluss (mit-)ursächlich gewesen sei. Habe der Handelsvertreter zwar einen Neukunden geworben, gelinge es aber dem Unternehmer in der Folge, diese neue Geschäftsverbindung für den Absatz anderer als vom Handelsvertreter vertriebener Produkte zu nutzen, für die dem Handelsvertreter keine Provision zustehe, könne dieser auch keinen Ausgleich geltend machen.
1. Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gebührt dem Handelsvertreter ua dann ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und soweit er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat und zu erwarten ist, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann (§ 24 Abs 1 Z 1 und 2 HVertrG).
2. Ein vom Handelsvertreter erweiterter Kundenstamm sorgt beim Unternehmer für erhöhten Absatz. Ebenso wie der Handelsvertreter zieht er seinen Nutzen hieraus. Es liegt also eine Doppelnutzung vor: Der Absatz des Unternehmers garantiert die Provision des Handelsvertreters. An dem vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamm entsteht ein doppeltes Nutzungsverhältnis. Rechtlich gehört dieses weder dem Unternehmer noch dem Handelsvertreter, aber beide ziehen Vorteile daraus. Wenn nun der Vertrag endet, zerbricht dieses doppelte Nutzungsverhältnis; sein Gleichgewicht ist zerstört. Da die Kunden regelmäßig beim Unternehmer verbleiben, hat nur dieser noch den Gewinn, er profitiert allein, unter Umständen verdoppelt, da er sich die Provision für den Handelsvertreter erspart. Zieht der Unternehmer aber tatsächlich noch Vorteile aus Verbindungen zu den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden, so zeigt sich ein noch höherer Wert der Handelsvertretertätigkeit, der unvergütet ist. Der Handelsvertreter dagegen verliert seine Existenzgrundlage. Es ist in hohem Maße ein Gebot der Gerechtigkeit, dies auszugleichen. Der Handelsvertreter muss für den Nutzen, den der Unternehmer aus der Überlassung des Kundenstamms zieht, vergütet werden (Foth, Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers 91 mwN). Entscheidender Gesichtspunkt dabei ist die Kontinuität des Kundenstamms (Foth aaO 163 im Anschluss an Schmidt).
3. Aus der Anspruchsvoraussetzung, dass dem Unternehmer auch nach der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses erhebliche Vorteile erwachsen müssen, folgt, dass mit den neu zugeführten Kunden eine Geschäftsverbindung entstanden sein muss, wobei Geschäftsverbindung die Aussicht auf weitere Geschäftsabschlüsse innerhalb eines überschaubaren Zeitraums bedeutet (RIS-Justiz RS0124681). Stammkunden sind Mehrfachkunden, das heißt diejenigen Kunden, die in einem überschaubaren Zeitraum, in dem üblicherweise mit Nachbestellungen zu rechnen ist, mehr als nur einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben oder - bei Wirtschaftsgütern mit einem längeren Bestellintervall wie im vorliegenden Fall - auch Einmalkunden, von denen unter den gegebenen Umständen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nach Vertragsende Wiederholungskäufe zu erwarten sind (RIS-Justiz RS0124681 [T1]).
4. Einen Vorteil generiert der Unternehmer dann, wenn er eine Aussicht auf weitere Nutzung der Geschäftsbeziehung (Nachbestellungen) innerhalb eines überschaubaren Zeitraums erlangt (Nocker, Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, Vertragshändlers und Franchisenehmers, Rz 302 mwN; Petsche/Petsche-Demmel, Handelsvertretergesetz § 24 Rz 77). Der erhebliche Vorteil liegt in der Regel darin, dass überhaupt Nachbestellungen aufgegeben werden, da es grundsätzlich einfacher ist, eine bereits bestehende Geschäftsverbindung aufrecht zu erhalten als eine neue herzustellen (Nocker aaO Rz 366).
5. Für das Entstehen eines Ausgleichsanspruchs genügt es schon, dass der Unternehmer diesen Kundenstamm auch noch nach Ende des Handelsvertreterverhältnisses - wenn auch nur mittelbar - nutzen kann (Nocker, Kommentar zum HVertrG § 24 Rz 519 mN zur Rsp des BGH). Die Vorteile, welche der Unternehmer aus der aufgebauten Geschäftsverbindung zieht, können auch anderer Art sein als jene während des Handelsvertretervertrags (Petsche/Petsche-Demmel aaO Rn 80). Nur wenn die Geschäftsbeziehungen wertlos sind, entfällt der Ausgleichsanspruch (dies ist zB der Fall, wenn die Unternehmerin keine vernünftige Möglichkeit mehr hat, die vertriebenen Waren zu besorgen und daher ihren Geschäftsbetrieb einstellt, vgl 1 Ob 118/07w = RIS-Justiz RS0122237).
6. Den Handelsvertreter trifft die Beweislast für die Zuführung neuer Kunden und die Erweiterung bestehender Geschäftsverbindungen (8 ObS 182/99v). Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die ihm durch den Handelsvertreter geschaffenen Verdienstchancen im Einzelfall über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus keinen Bestand haben oder haben werden, liegt hingegen beim Unternehmer (RIS-Justiz RS0106003).
7. Nach diesen Grundsätzen ist dem Berufungsgericht beizupflichten, dass die Unternehmensgruppe der Beklagten Vorteile in Form von Folgegeschäften nach Vertragsbeendigung aus den vom Kläger hergestellten Geschäftsbeziehungen zieht. Dem Bestehen eines Ausgleichsanspruchs dem Grunde nach steht der Markenwechsel bei den betroffenen Produkten nicht entgegen, hat die Beklagte doch für diese Folgegeschäfte die vom Kläger geschaffenen Geschäftsverbindungen genutzt, womit der Kläger zumindest mittelbar verdienstlich für die nach 2004 mit den von ihm gebrachten Kunden getätigten Geschäftsabschlüsse geworden ist.
8.1. Der von der Rechtsmittelwerberin angeführte Fall, dass der Unternehmer die vom Handelsvertreter neu geschaffenen Geschäftsverbindungen durch eigenes Bemühen zusätzlich für den Absatz anderer von ihm vertriebener Produkte nutzt (wofür mangels Provisionsverlusts beim Handelsvertreter kein Ausgleichsanspruch zusteht: vgl Nocker, Ausgleichsanspruch Rz 301 und Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts II8 214), liegt hier nicht vor. Der Markenwechsel bei der Unternehmensgruppe der Beklagten betraf nämlich Substitutionsgüter und war keine Erweiterung des Angebotssortiments über die vom Kläger provisionsberechtigt verkauften Produkte hinaus.
8.2. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters scheitert aber weder an einer Umstellung des Vertriebssystems des Unternehmers nach Vertragsbeendigung durch künftige Belieferung des Großhandels anstatt des Endverbrauchers, noch durch einen Wechsel des Zulieferers. Beide Änderungen hätten nämlich bei aufrechtem Vertragsverhältnis zum vollständigen Verlust der Provisionseinnahmen beim Handelsvertreter geführt, welcher Umstand als Vertragsverletzung zu beurteilen gewesen wäre, die den Handelsvertreter berechtigt hätte, die entgangene Provision als Schadenersatz nach § 12 HVertrG geltend zu machen (vgl Nocker aaO Rz 538).
9. Dass ihre Folgegeschäfte mit den vom Kläger gewonnenen neuen Kunden infolge des Markenwechsels eines besonderen Aufwands bedurft hätten oder dass ihre Verdienstchancen aus diesen neuen Geschäftsbeziehungen im Einzelfall über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus keinen Bestand hatten, hat die insoweit behauptungspflichtige Beklagte nicht vorgetragen; solches ist auch aus den Feststellungen nicht ersichtlich. Nur in letzterem Fall wäre die Stammkundeneigenschaft der vom Kläger vermittelten Neukunden erloschen und müsste durch den Unternehmer erst wieder neu begründet werden. Für solche Geschäftsabschlüsse wäre dann die Tätigkeit des früheren Handelsvertreters nicht verdienstlich für den erneuten Geschäftsabschluss.
10. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, entspreche der Billigkeit (§ 24 Abs 1 Z 3 HVertrG), begegnet unter den Umständen des Einzelfalls (vgl RIS-Justiz RS0112590) keinen Bedenken. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Beendigung des Handelsvertretervertrags durch sein Verhalten herbeigeführt hätte (vgl Nocker aaO Rz 435).
11. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.
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