OGH 3Nc24/11a

OGH3Nc24/11a27.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C. ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Carl Benkhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch die Greiml & Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, wegen 12.000 EUR sA, AZ 22 Cg 195/11t des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag, die Rechtssache an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu delegieren, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin mit Sitz in Wien begehrt vom in Graz ansässigen Beklagten nicht näher aufgeschlüsselten Werklohn. Sie habe über gesonderten Auftrag des beklagten Unternehmers vom 28. September 2009 die Sanierung der Straßenfassade des in seinem Eigentum stehenden Hauses in Wien 15 mängelfrei durchgeführt, und zwar durch Abwaschen der Fassade, Ausbessern des Putzes, Grundieren und zweimaligen Farbanstrich. Daraus ergebe sich für Oktober 2009 vereinbarungsgemäß ein fälliger Werklohn von 12.000 EUR. Ohne jede Differenzierung nach dem Beweisthema bot die Klägerin ua 15 Zeugen mit Anschriften in Wien und Niederösterreich an (ON 1 und 9). Die Klage wurde ursprünglich beim Handelsgericht Wien eingebracht, von diesem wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen, über Antrag der Klägerin an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien überwiesen und sodann aufgrund der Unzuständigkeitseinrede des Beklagten und Antrag der Klägerin an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz überwiesen.

In der Folge beantragte die klagende Partei die (Rück-)Delegierung des Verfahrens an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (ON 13). Dies führe zu einer wesentlichen Verkürzung des Verfahrens, zur Erleichterung des Gerichtszugangs und zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreits, weil sich das verfahrensgegenständliche Bauwerk in Wien befinde; dort sei auch der Wohnort sämtlicher Zeugen. Außerdem bliebe dadurch dem zu bestellenden Bausachverständigen eine (wiederholte) Anreise nach Graz erspart; schließlich habe auch die klagende Partei ihren Sitz im Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien. Dazu komme, dass über Veranlassung des Beklagten die Staatsanwaltschaft Wien in einem Strafverfahren eine Bausachverständige bestellt habe.

Der Beklagte bestreitet in seinem Einspruch das Klagevorbringen dem Grunde und der Höhe nach, weil alle Leistungen bereits bezahlt seien, und wendet Unschlüssigkeit der Klageforderung ein. Die Klägerin habe insgesamt elf Klagen gegen den Beklagten, die gleichen Leistungen betreffend, überreicht. Zum Delegierungsantrag wurde er nicht gehört.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz befürwortete die Delegierung im Wesentlichen mit der Begründung, die in Wien ansässige Klägerin biete neben der Parteieneinvernahme 16 Zeugen mit Anschriften in Wien oder dessen Nahbereich an; auch das streitgegenständliche Objekt befinde sich in Wien; bei der Staatsanwaltschaft Wien sei ein vermutlich präjudizielles Strafverfahren anhängig. Aus verfahrens-, kosten- und zeitökonomischen Gründen erscheine daher eine Durchführung der notwendigen Tagsatzungen in den zahlreichen Verfahren in Wien angemessen.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt. Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegation soll stets den Ausnahmefall darstellen. Durch großzügige Handhabung der Möglichkeiten der Delegation soll nicht eine Durchlöcherung der Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden. Gegen den Widerstand des Prozessgegners hat eine Delegation nur dann zu erfolgen, wenn ihre Zweckmäßigkeit klar erkennbar ist (4 Nc 23/11m mwN).

Im vorliegenden Fall kann schon deshalb keine Rede davon sein, die Delegierung des Verfahrens nach Wien werde jedenfalls zu einer Vereinfachung, Beschleunigung und/oder Verbilligung des Verfahrens führen, weil die Klägerin den Klagebetrag bisher weder ausreichend und nachvollziehbar aufgeschlüsselt noch klargestellt hat, es sei ein Pauschalwerklohn vereinbart worden. Abgesehen davon wird zunächst im Prozess zu klären sein, welche Vereinbarung(en) zwischen den Streitteilen getroffen wurden. Mangels jeder Differenzierung ihres Beweisanbots durch die Klägerin ist aber im jetzigen Verfahrensstadium völlig unklar, welche Beweismittel zu diesem vorrangigen Thema angeboten und aufzunehmen sein werden.

Jedenfalls derzeit ist somit noch gar nicht absehbar, ob es jemals zur Durchführung des gesamten Beweisverfahrens und deshalb zur Notwendigkeit einer Befundaufnahme in Wien und der Einvernahme von (zahlreichen) Zeugen aus Wien (und Umgebung) kommen wird. Welche Bedeutung das in Wien geführte Strafverfahren für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Delegierung haben soll, ist nicht nachvollziehbar.

Bei dieser Prozesslage bedarf es einer Nachholung einer Äußerung des Beklagten (dessen ablehnende Haltung ohnehin aus den Parallelverfahren bekannt ist) zum Delegierungsantrag iSd § 31 Abs 3 JN ausnahmsweise nicht, weil eine solche Äußerung zu keiner weiteren Erkenntnis führen könnte (vgl RIS-Justiz RS0113776).

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