OGH 9ObA125/11i

OGH9ObA125/11i21.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter DI Rudolf Pinter und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F***** S*****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwalts GmbH in Graz, wider die beklagte Partei P***** ZT GmbH, *****, vertreten durch Neger/Ulm Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 857,87 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31. August 2011, GZ 7 Ra 48/11z-14, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. März 2011, GZ 30 Cga 163/10i-10, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 297,40 EUR (darin 49,56 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, der bei der Beklagten vom 3. März 2008 bis 3. September 2010 im Fachbereich für Lärmtechnik für die Bearbeitung von Umweltverträglichkeitsprüfungen angestellt war, absolvierte während seines Dienstverhältnisses mehrere Fortbildungsveranstaltungen, für die der Beklagten auf den Kläger entfallende Kosten von insgesamt 1.550 EUR entstanden (1,5-tägige GIS-Software-Programm-Schulung; 25./26. November 2009: lerntechnische Fortbildung zur Lärmschutzrichtlinie Nr 3 Blatt 1; 21./22. Oktober 2009: Schalltechnik für das Anlageverfahren). Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass es sich dabei um Ausbildungskosten iSd § 2d Abs 1 AVRAG handelte.

Der Dienstvertrag des Klägers sah unter anderem vor:

„... die Firma übernimmt die notwendigen Kosten einer Ausbildung (Kurse, Seminare), des Aufenthaltes am Ausbildungsort und der Anschaffung der Lernmittel, über deren Höhe im Einzelnen Einvernehmen erzielt werden muss. … Die im Rahmen der notwendigen fachlichen Weiterbildung des Mitarbeiters erforderliche zusätzliche Ausbildung außer Haus wird in der Erwartung vorfinanziert, dass der Dienstnehmer nach Abschluss der Maßnahme noch mindestens drei Jahre im Betrieb verbleibt. Endet das Dienstverhältnis vor Ablauf dieser Zeit durch Selbstkündigung, grundlosen Austritt oder verschuldete Entlassung, so ist der Dienstnehmer zum Ersatz der im Detail festzulegenden Zusatzkosten im folgenden Ausmaß verpflichtet:

Bei Ausscheiden im ersten Jahr besteht volle Ersatzpflicht. Bei Ausscheiden im zweiten Jahr verringert sich die Ersatzpflicht auf zwei Drittel. Bei Ausscheiden im dritten Jahr verringert sich die Ersatzpflicht auf ein Drittel. ...“

Das Dienstverhältnis endete durch Kündigung des Klägers. Für die Fortbildungsveranstaltungen hatte er keine Kostenabrechnungen erhalten. Von der Höhe der Kosten erfuhr er erst durch deren Abzug im Zuge der Endabrechnung.

Soweit revisionsgegenständlich, begehrte der Kläger die Zahlung von 857,87 EUR brutto sA, da die Verrechnung der Ausbildungskosten mangels Zulässigkeit einer jährlichen Aliquotierung der Rückverrechnung und mangels schriftlicher Vereinbarung für jede einzelne Ausbildung unzulässig gewesen sei. Ein Anerkenntnis in seinem Kündigungsschreiben („Ich ersuche um schriftliche Bestätigung des Erhaltes meiner Kündigung sowie um Mitteilung der Höhe der rückzuerstattenden Ausbildungskosten.“) liege nicht vor.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte - auch unter Verweis auf das Kündigungsschreiben - ein, die Ansprüche ordnungsgemäß abgerechnet zu haben.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Eine jährliche Aliquotierung sei unwirksam. Auch aufgrund der vermögensschutzorientierten Fürsorgepflicht des Dienstgebers sei diesem die Verpflichtung zu überbinden, den Arbeitnehmer vor Seminarantritt mit konkreten Kosten einer allfälligen Rückerstattungspflicht zu konfrontieren. Alleine durch diese Transparenz werde ihm die Entscheidung ermöglicht, ob er auch unter dem Gesichtspunkt der Rückerstattungspflicht ein Seminar absolvieren will. Ein Anerkenntnis sei im Kündigungsschreiben nicht zu erblicken.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Zwar ging es von der Zulässigkeit einer jährlichen Aliquotierung der Kostenersatzpflicht aus, erachtete jedoch ebenfalls eine pauschale Vorwegvereinbarung des Rückersatzes von weder der Art noch der Höhe nach bestimmten Ausbildungskosten mangels Transparenz für den Arbeitnehmer als unzulässig. Die Revision wurde mit der Begründung zugelassen, dass Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer in Jahressprüngen vereinbarten Aliquotierung und einer pauschalen Vorwegvereinbarung des Ausbildungskostenrückersatzes fehle.

In ihrer dagegen gerichteten Revision begehrt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil auch in der Entscheidung 8 ObA 18/11x noch kein Anlass zur näheren Auseinandersetzung mit der Frage bestand, ob eine pauschale Vorwegvereinbarung des Rückersatzes von Ausbildungskosten möglich ist. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Zur Zulässigkeit einer in Jahressprüngen vereinbarten Aliquotierung wurde bereits in der Entscheidung vom 28. Juni 2011, 9 ObA 74/11i (= RIS-Justiz RS0127014), unter ausführlicher Darstellung der Literatur dargelegt, dass eine Klausel über den Ausbildungskostenrückersatz, wonach die Ausbildungskosten anteilig im ersten Jahr nach Beendigung der Ausbildung zur Gänze, im zweiten Jahr zu zwei Dritteln und im dritten Jahr zu einem Drittel dem Dienstgeber zu erstatten sind, nicht § 2d Abs 3 Z 3 AVRAG widerspreche. Zu diesem Ergebnis ist auch das Berufungsgericht gelangt. Einer weiteren Auseinandersetzung bedarf es dazu nicht.

2.1. Zur pauschalen Vorwegvereinbarung des Rückersatzes von Ausbildungskosten:

Gemäß § 2d Abs 1 erster Satz AVRAG sind Ausbildungskosten die vom Arbeitgeber tatsächlich aufgewendeten Kosten für jene erfolgreich absolvierte Ausbildung, die dem Arbeitnehmer Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die dieser auch bei anderen Arbeitgebern verwerten kann.

Gemäß Abs 2 erster Satz leg cit ist eine Rückerstattung nur hinsichtlich von Ausbildungskosten nach Abs 1 in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zulässig.

2.2. Zur Frage, ob diese schriftliche Vereinbarung für jede Ausbildung gesondert geschlossen werden muss („spezielle Ausbildungskostenklausel“) oder pauschal vorweg vereinbart werden kann („allgemeine Ausbildungskostenklausel“), werden unterschiedliche Auffassungen vertreten:

Reissner/Preiss, Die Neuerungen im Recht der Konkurrenzklausel und der Ausbildungskostenklausel, RdA 2006, 183, sind der Ansicht, dass die strikte Wortinterpretation - mit dem Verweis von Abs 2 erster Satz auf Abs 1 würde auf eine konkrete einzelne Ausbildung abgestellt - und Transparenzüberlegungen zwar für eine gesonderte Vereinbarung vor jeder Ausbildungsmaßnahme sprechen könnten. Wäre ein solches Ergebnis gewollt gewesen, hätte dies aber im Wortlaut oder zumindest in den Materialien zum Ausdruck kommen müssen. Dies spreche für die Zulässigkeit einer Vorwegvereinbarung zum Ausbildungskostenersatz.

Oberhofer, Ausbildungskostenrückersatz und Konkurrenzklausel neu, ZAS 2006/24, meint, dass eine Pauschalvereinbarung zumindest für alle nach der Verkehrssitte gemäß § 914 ABGB in einer bestimmten Branche üblicherweise zu absolvierenden Ausbildungen zulässig sein müsse, ansonsten bedürfe es einer speziellen Vereinbarung.

Eypeltauer, Offene Fragen des Ausbildungsksotenrückersatzes - eine Trilogie, ecolex 2007, 196, erachtet Vorwegvereinbarungen zwar für zulässig, dies aber nur hinsichtlich betragsmäßig angeführter Kosten für ihrer Art nach genannte Ausbildungen.

Ähnlich kann nach Heilegger, Rückersatz von Ausbildungskosten - pauschale Vorwegvereinbarung ungültig, infas 2010, 151, eine bereits im Arbeitsvertrag enthaltene Rückersatzklausel nur dann Wirksamkeit entfalten, wenn sie die konkrete Ausbildung sowie deren Kosten bereits genau benennt.

Nach Neubauer/Rath, Nochmals zu den Neuerungen bei der Konkurrenzklausel und beim Ausbildungskostenrückersatz, ASoK 2007, 46, und Wagnest, Nichtigkeit von Ausbildungskostenrückersatzklauseln, ASoK 2009, 324, ist eine pauschale Vorwegvereinbarung, mit der der Arbeitnehmer für jede zukünftige Ausbildungsmaßnahme zum Rückersatz verpflichtet wird, ohne dabei Einfluss auf die konkrete Art der Ausbildung nehmen zu können, jedenfalls unzulässig; für jede Ausbildung sei eine gesonderte schriftliche Vereinbarung zu fordern.

2.3. Die Erläuterungen (605/A XXII. GP Initiativantrag) verweisen für die Zulässigkeit und Wirksamkeit einer Rückzahlungsvereinbarung auf die ständige Rechtsprechung und herrschende Lehre, wonach die Rückzahlungsvereinbarung ua im Einzelfall weder in zeitlicher noch betragsmäßiger Wirkung das Kündigungsrecht des Arbeitnehmers in sittenwidriger Weise erschweren darf. Weiters wird festgehalten, dass die Rückforderung des Entgelts nur zulässig ist, wenn diese in einer „eigenen Vereinbarung“ geregelt ist.

2.4. Unter objektiv-teleologischen Aspekten kann der Zweck einer solchen schriftlich abzuschließenden Vereinbarung nur darin gesehen werden, für den Arbeitnehmer Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung zu schaffen. Ihm soll ersichtlich sein, auf welche Verpflichtungen er sich künftig einlässt, weil er nur so die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Dienstverhältnisses in jenem Zeitraum, für den eine Kostenerstattungspflicht vereinbart wurde, ermessen kann. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausführte, kann auch nur so eine sittenwidrige Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers vermieden werden.

2.5. Die Berücksichtigung dieses Gesetzeszwecks bedeutet aber, dass der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer noch vor einer bestimmten Ausbildung eine schriftliche Vereinbarung über die Pflicht des Arbeitnehmers zum Kostenrückersatz erzielen muss und aus der Vereinbarung auch die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungskosten hervorzugehen hat.

Ob eine solche Vereinbarung bereits im Arbeitsvertrag selbst enthalten sein muss (in dem die Festlegung einer bestimmten Ausbildung allerdings nicht in jedem Fall bereits möglich sein wird), ob darin vorerst die Rahmenbedingungen für den Ausbildungskostenrückersatz bei späterer schriftlicher Konkretisierung festgehalten sein dürfen oder ob die Vereinbarung auch erst vor der konkreten Ausbildung getroffen werden kann, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil die Beklagte mit dem Kläger - entgegen ihrer eigenen Vereinbarung im Dienstvertrag („ … über deren Höhe im Einzelnen Einvernehmen erzielt werden muss“) - zu keinem Zeitpunkt vor den Ausbildungsveranstaltungen eine schriftliche Vereinbarung getroffen hat, aus der die konkrete Kostenersatzpflicht des Klägers hervorginge.

In Ermangelung einer solchen sind die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht zum Einbehalt der anteiligen Ausbildungskosten berechtigt war.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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