OGH 9Ob35/11d

OGH9Ob35/11d21.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** M*****, vertreten durch Dr. Harald Bösch, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Agrargemeinschaft Alpe V*****, vertreten durch Dr. Paul Sutterlüty, Dr. Wilhelm Klagian, Dr. Claus Brändle, MMag. Josef R. Lercher, Rechtsanwälte Partnerschaft in Dornbirn, wegen 113.387,09 EUR sA und Feststellung (5.000 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 10. März 2011, GZ 1 R 26/11z-52, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 15. November 2010, GZ 5 Cg 141/07a-48, sowie das vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wird.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung über die Parteifähigkeit der Beklagten vorbehalten.

Text

Begründung

Die beklagte Agrargemeinschaft Alpe V***** ist eine nicht regulierte Agrargemeinschaft mit 403 Mitgliedern. Sie verfügt über keine behördlich bewilligten Verwaltungsstatuten, ist aber im Alpkataster eingetragen. Ihr Obmann ist F***** V*****. Die agrargemeinschaftlichen Liegenschaften liegen in der KG *****, sind in EZ *****, GB ***** eingetragen und umfassen eine Gesamtfläche von 1.693,86 ha.

Für gewisse landwirtschaftliche Förderungen („Österreichisches Umweltprogramm [ÖPUL], Alpe und Behirtung“; „Einheitliche Betriebsprämie“ [EBP]) ist ua von Bedeutung, wie viel Fläche pro gealptem („gesömmertem“) Tier zur Verfügung steht. So kann im Rahmen des ÖPUL die volle Leistungsabgeltung bei sonstiger Kürzung nur dann erzielt werden, wenn pro aufgetriebener Großvieheinheit mindestens ein Hektar Futterfläche vorhanden ist.

Der Kläger, der etwa seit dem Jahr 2000 Tiere auf der Alpe hatte, vereinbarte auch im Jahr 2004 mit der Beklagten, Tiere zum „Sömmern“ auf die Alpe zu bringen, wofür ihm abzüglich einer Alpungsprämie insgesamt 1.046,78 EUR verrechnet wurden.

Er begehrte zuletzt die Zahlung von 113.387,09 EUR und die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden und künftige nachteilige Folgen. Aufgrund ihrer unrichtigen Angabe der Futterflächen der Alpe im Jahr 2004 (644 ha anstelle von 551 ha) habe er sanktionsweise Kürzungen seiner Förderungen erlitten, die ihn auch in Zukunft träfen.

Die Beklagte bestritt dies und wandte - soweit rekursgegenständlich - mit Schriftsatz ON 35 mangelnde Parteifähigkeit und Passivlegitimation ein, weil sie eine nicht regulierte Agrargemeinschaft ohne verbindliche Verwaltungsstatuten und ohne Rechtspersönlichkeit sei. Grundbücherliche Eigentümer der Alpe seien die einzelnen Miteigentümer. Gemäß § 32 Vbg FlVG, LGBl Nr 2/1979 idF LGBl 32/2006, seien lediglich Agrargemeinschaften, die von der Behörde genehmigte Satzungen haben, als Körperschaften öffentlichen Rechts anzusehen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte treffe kein wie immer geartetes Verschulden für eine Haftung gegenüber dem Kläger. Im Übrigen wäre das Klagebegehren schon mangels Passivlegitimation der Beklagten abzuweisen, da Agrargemeinschaften, die aus mindestens fünf Mitgliedern bestehen, dann Körperschaften öffentlichen Rechts seien, wenn sie von der Behörde aufgestellte oder genehmigte Satzungen haben. Darüber verfüge die Beklagte nicht.

Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung des Klägers das Ersturteil sowie das erstinstanzliche Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Die Frage, ob Agrargemeinschaften juristische Personen und damit parteifähig seien, sei anhand jener Bestimmungen zu beurteilen, die die einzelnen Bundesländer in Ausführung des Flurverfassungsgesetzes, BGBl 1951/103, erlassen haben. Dies werde in den einzelnen Landesgesetzen unterschiedlich geregelt. Während etwa im Bereich des Tiroler Flurverfassungsgesetzes 1996 § 34 Abs 3 Agrargemeinschaften ohne weitere Voraussetzungen als Körperschaften öffentlichen Rechts festlege, lasse die Textierung des § 32 des Vorarlberger Flurverfassungsgesetzes, LGBl Nr 2/1979 idF LGBl 32/2006, offen, ob Agrargemeinschaften, die - wie die Beklagte - aus mindestens fünf Mitgliedern bestehen, jedenfalls Körperschaften öffentlichen Rechts seien oder ob dies an die Voraussetzung geknüpft sei, dass sie von der Behörde aufgestellte oder genehmigte Satzungen haben. Allerdings spreche schon der Umstand, dass die Beklagte nicht Liegenschaftseigentümerin sei, sondern das Eigentum an der Alpe ihren Mitgliedern zukomme, dagegen, dass auch nicht regulierte Agrargemeinschaften Körperschaften öffentlichen Rechts und damit rechts- und parteifähig seien. Auch der Verwaltungsgerichtshof sei in seinem Erkenntnis vom 18. 10. 2007, VwGH 2005/15/0017, zum Ergebnis gelangt, dass eine Agrargemeinschaft erst durch die Genehmigung der Satzung durch die Behörde zur Körperschaft öffentlichen Rechts werde. Dies werde auch von Attlmayr in JBl 1996, 542 vertreten.

In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs seien die materiell-rechtlichen Konsequenzen des Vorliegens einer Agrargemeinschaft in Fällen zu prüfen gewesen, in denen zwar keine genehmigte Satzung vorgelegen sei, ein einzelnes Mitglied aber ungeachtet der Mitgliedschaft zur Agrargemeinschaft seine Rechte verfolgt habe. Wenn aus dem Umstand, dass eine satzungslose Agrargemeinschaft einer juristischen Person nahe komme, gefolgert worden sei, dass die Regeln der §§ 825 ff ABGB auf sie auch nicht dem Sinn nach angewandt werden könnten, so sei eine Frage des materiellen Rechts beantwortet worden, die keinen Rückschluss auf eine allfällige Parteifähigkeit einer Agrargemeinschaft erlaube. Dem Einwand des Klägers, der Beklagten müsse nach Treu und Glauben der Einwand einer allenfalls fehlenden behördlichen Regulierung verwehrt sein, weil sie selbst dazu gesetzlich verpflichtet sei, stehe entgegen, dass der Mangel der Parteifähigkeit (auch) von Amts wegen wahrzunehmen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO) und auch berechtigt.

1. Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist. Das sind alle natürlichen Personen, alle juristischen Personen sowie auch sonstige Gebilde, denen die Rechtsordnung nicht den Status einer juristischen Person, aber die Fähigkeit, vor Gericht zu klagen oder geklagt zu werden, verliehen hat (RIS-Justiz RS0035327; RS0110705). Dies trifft etwa auf Personengesamtheiten und Sondervermögen wie OG und KG (§§ 105, 161 Abs 2 UGB), die Wohnungseigentümer-gemeinschaft (§ 18 Abs 1 WEG 2002), die Insolvenzmasse (vgl § 373 Abs 2 ZPO), den ruhenden Nachlass, das Vermögen einer aufgelösten juristischen Person, die Organe der Arbeitnehmerschaft oder bestimmte Zweckvermögen zu (s nur Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht8 Rz 307).

2. Eine Agrargemeinschaft ist die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden ist (Stammsitzliegenschaften), sowie jener Personen, denen persönliche (walzende) Anteilsrechte zustehen (Norer, Handbuch des Agrarrechts [2005] 433).

Bereits in der Entscheidung 4 Ob 524/75 wurde festgehalten, dass die Agrargemeinschaft kein Miteigentumsverhältnis iSd §§ 825 ff ABGB darstellt. Ihr liegt vielmehr ein deutsch-rechtlich begründetes Nutzungsrecht zugrunde, das nicht einzelnen Personen, sondern bestimmten Höfen zugute kommen soll. Wesentliches Merkmal ist die realrechtliche Bindung des Nutzungsrechts an den Gemeinschaftsliegenschaften an bestimmte „Stammsitz“-(„Rücksitz“-)Liegenschaften. Die Agrar-gemeinschaft ist daher eine Sachgemeinschaft, bei der der jeweilige Eigentümer eines Hofs nutzungsberechtigt wird und die Anteile am Gemeinschaftsgut mit dieser Stammsitzliegenschaft verbunden sind. In diesem Sinn wird sie auch als „realrechtlich zweckgebundene Gemeinschaft“ charakterisiert, bei der die freie Verfügung der einzelnen Mitglieder über ihre Anteilsrechte weitgehend ausgeschlossen ist. Auch die Verwaltung kommt - anders als nach § 833 Satz 1 ABGB - nicht „allen Teilhabern insgesamt“ zu, sondern ist in der Regel Organen (Vollversammlung, Ausschuss, Obmann) übertragen, die gegebenenfalls die Agrargemeinschaft auch nach außen vertreten. Sofern die Agrargemeinschaft nicht schon als solche Rechtspersönlichkeit hat, wird ihr auch die Eigenschaft einer der juristischen Person angenäherten Gesamthandgemeinschaft zugemessen (4 Ob 524/75; vgl auch H. Böhm in Kletecka/Schauer, ABGB-ON [1.00] § 825 Rz 19; Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann, ABGB3 § 825 Rz 13, die von einer „Übergangsform“ zwischen Gesamthandgemeinschaft und juristischer Person sprechen).

3. Die Kompetenz zur gesetzlichen Regelung der Agrargemeinschaften ist gemäß Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG und dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz, BGBl 103/1951, den Ländern übertragen. Welche Rechtsqualität eine Agrargemeinschaft hat, ist daher anhand der einschlägigen Ausführungsgesetze der Länder zu beurteilen (vgl 4 Ob 524/75).

§ 32 des Vorarlberger Gesetzes über die Regelung der Flurverfassung (Flurverfassungsgesetz - FlVG), LGBl Nr 2/1979 idF LGBl 32/2006, bestimmt:

§ 32 (1) Die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften, an welche Anteilsrechte an einer agrargemeinschaftlichen Liegenschaft gebunden sind (Stammsitzliegenschaften), bildet einschließlich jener Personen, denen persönliche (walzende) Anteile zustehen, eine Agrargemeinschaft.

(2) Agrargemeinschaften, die aus mindestens fünf Mitgliedern bestehen, müssen von der Behörde aufgestellte oder von der Behörde genehmigte Satzungen (§ 73) haben. Sie sind Körperschaften öffentlichen Rechts.

Unstrittig ist, dass die vorliegende Agrargemeinschaft mangels behördlich genehmigter Statuten keine Körperschaft öffentlichen Rechts ist (vgl VwGH vom 18. 10. 2007, 2005/15/0017) und ihr nach dem VbG FlVG, LGBl 2/1979, auch sonst nicht der Status einer juristischen Person zukommt. Richtig weist der Rekurswerber jedoch darauf hin, dass dies noch nicht eine (Teil-)Rechts- und damit Parteifähigkeit der Beklagten ausschließt - was auch zutreffen kann, wenn sie bereits seit 1927 (s AS 271) bestehen sollte.

Aicher in Rummel, ABGB3, § 26 Rz 11, erachtet in seinen Ausführungen zur Rechtsfähigkeit verschiedener Personenverbände eine Agrargemeinschaft, der eine Satzung nicht verliehen ist, bei einem Mindestmaß an körperschaftlicher Organisation in Bezug auf Willensbildung und Vertretung durch Organe als realrechtlich zweckgebundene Gemeinschaft, „die einer juristischen Person zumindest nahekommt“. Für die Rechtsfähigkeit einer unregulierten Agrargemeinschaft ist daher jedenfalls ein solches Mindestmaß an körperschaftlicher Organisation vorauszusetzen, das entweder gesetzlich (vgl 4 Ob 524/75 zum TFLG 1969) oder zumindest gewohnheitsrechtlich fundiert ist.

Nicht den gleichen Aufschluss kann dagegen die grundbücherliche Eintragung bieten, weil aus historischer Sicht Agrargemeinschaften aufgrund ihrer Entwicklung im Zuge der Anlegung der Grundbücher in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts teilweise in Einzeleigentum überführt, teilweise aber auch unter Bezeichnungen wie „Nachbarschaft“ oder „Interessentschaft“ im Eigentumsblatt eingetragen wurden (vgl Norer aaO 433; ähnlich auch die Stellungnahme der Tiroler Landesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg 9336/1982: „Bei der Grundbuchsanlegung wurde einmal die Gemeinde, dann wieder eine Nachbarschaft, eine Fraktion, eine Interessentschaft, die Katastralgemeinde oder die Berechtigten als Miteigentümer eingetragen. Es lag allein im Gutdünken des zuständigen Grundbuchsbeamten, welchen Ausdruck er verwendete.“). Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der Bestimmung des § 4 lit c Vbg Teilungs- und Regulierungsgesetz, LGBl 115/1921, dem Vorläufergesetz des Vbg FlVG, wider, nach der solche Grundstücke als gemeinschaftliche galten, „die einer agrarischen Körperschaft, Interessentschaft, Nachbarschaft oder einer agrarischen Gemeinschaft (im Grundbuch oft als Miteigentum eingetragen) gehören“ und zu der schon im Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 24. 6. 1936, 3 Ob 347/35, zur Abweisung einer Klage von 147 grundbücherlichen Miteigentümern einer Alpgenossenschaft im Montafon ausgeführt wurde: „Es ist ohne Bedeutung, wenn im Grundbuche als Eigentümerin wohl die ganze Liegenschaft als D*****alp mit Alpbuch bezeichnet, aber nicht die Alpgenossenschaft als juristische Person, sondern bestimmte Personen angeführt sind. Denn unzweifelhaft ist die Alpgenossenschaft D***** iSd § 4 lit c des Teilungs- und Regulierungslandesgesetzes für Vorarlberg vom 11. Juli 1921, LBGl Nr 115/1921, als eine agrarische Körperschaft, Interessentschaft, Nachbarschaft oder agrarische Gemeinschaft anzusehen; nach dem klaren Wortlaut dieser Gesetzesstelle ist sie auch dann eine agrarische Körperschaft, wenn im Grundbuch Miteigentum eingetragen ist.“ (vgl Kühne, Zu Agrargemeinschaften in Vorarlberg, in Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber, Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 347 ff, 361).

Folglich muss jedenfalls für die Qualifikation einer historischen Agrargemeinschaft der grundbücherlichen Eintragung der Miteigentümer keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden.

4. In der bereits zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 524/75 war die Frage zu prüfen, ob die Aktivlegitimation für eine Eigentumsfreiheitsklage (Abwehr eines grenzüberschreitenden Garagenbaus) einer Tiroler Agrargemeinschaft ohne Statut oder dem betroffenen, zu einem 1/16-tel beteiligten Mitglied der Agrargemeinschaft zustand. Aus der dargelegten Konstruktion einer solchen Agrargemeinschaft wurde abgeleitet, dass eine Anwendung des von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsatzes, dass jeder Teilhaber einer Eigentumsgemeinschaft berechtigt sei, sich der zur Wahrung des Gesamtrechts dienenden Rechtsbehelfe zu bedienen, deren er zur Wahrung seines Anteilsrechts bedarf, bei einer Agrargemeinschaft nicht in Betracht komme. Übertrage das Gesetz die Vertretung der Gemeinschaft nach außen und damit auch die Wahrung des Gemeinschaftsinteresses gegenüber Dritten besonderen Organen, sei der Annahme eines selbstständigen Klagerechts der einzelnen Teilhaber von vornherein der Boden entzogen.

Im Umkehrschluss bedeutet dies freilich, dass einer solchen Agrargemeinschaft unter den genannten Voraussetzungen auch im Passivprozess die entsprechende Parteifähigkeit zuzugestehen ist.

Dagegen verfängt in diesem Punkt die Argumentation der Beklagten nicht, dass keine Vergleichbarkeit zwischen Tiroler und Vorarlberger Agrargemeinschaften ohne behördlich genehmigtes Statut bestehe, weil Tiroler Agrargemeinschaften gemäß § 34 Abs 3 TFLG 1978 jedenfalls Körperschaften des öffentlichen Rechts seien und das Vbg FlVG im Gegensatz zu § 34 TFLG 1969 bzw § 35 TFLG 1978 auch keine spezifischen Organisationsregelungen für Agrargemeinschaften enthalte. Denn wie dargelegt, ist die Parteifähigkeit einer Agrargemeinschaft nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass sie nicht den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts hat. Das Fehlen einer gesetzlichen Vorgabe zu ihrer Organisation kann wiederum dann nicht schaden, wenn der Gesetzgeber das Vorhandensein einer körperschaftlichen Organisation bereits vorausgesetzt hat.

5. Das Berufungsgericht hat sich zur Beurteilung der Parteifähigkeit der Beklagten dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. 10. 2007, 2005/15/0017, angeschlossen, dem die Frage der Körperschaftsteuerpflicht einer nicht regulierten Agrargemeinschaft zugrunde lag. Darin wurde ausgeführt, die Auffassung, dass die Eigenschaft einer Agrargemeinschaft als Körperschaft öffentlichen Rechts bereits an der Mindestanzahl von fünf Mitgliedern anknüpfe, stehe mit dem Gesetz nicht in Einklang; eine Agrargemeinschaft werde erst durch die Genehmigung der Behörde (§ 73 Abs 1 leg cit) zur Körperschaft öffentlichen Rechts. Das - dort erkannte - Nichtbestehen einer Körperschaftsteuerpflicht lässt allerdings keine Rückschlüsse auf die Parteifähigkeit von realrechtlich zweckgebundenen Gemeinschaften wie Agrargemeinschaften zu (vgl die auch schon vor der Handelsrechtsreform, BGBl I 120/2005, zwar parteifähige, jedoch nicht KöSt-pflichtige OG/KG).

Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. 6. 1994, 94/10/0051, wurde zwar ausgeführt, aus den - zwischen Agrargemeinschaften, denen iSd § 32 Abs 2 erster Satz FlVG eine Satzung verliehen wurde und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, nicht unterscheidenden - Vorschriften der §§ 33 Abs 1, 35 Abs 2 und 73 Abs 5 FlVG, folge, dass auch im Anwendungsbereich des Vorarlberger FlVG den „satzungslosen“ Agrargemeinschaften die Fähigkeit zukomme, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Allerdings weist die Beklagte zurecht darauf hin, dass den genannten Bestimmungen doch eine Differenzierung zwischen Agrargemeinschaften mit behördlich aufgestellten oder genehmigten Satzungen und jenen ohne eine solche Satzung zu entnehmen ist: Nach § 33 Abs 1 leg cit idF LGBl 29/2002 hat die Behörde festzustellen, welche Liegenschaften agrargemeinschaftliche sind und wem sie gehören, insbesondere, ob das Eigentum daran mehreren Teilgenossen als Miteigentum oder einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft zusteht. Nach § 35 Abs 2 leg cit entscheidet über Streitigkeiten, die zwischen Anteilsberechtigten an Agrargemeinschaften oder zwischen den Mitgliedern einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft und dieser oder ihren Organen aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen, die Behörde. Die Regelung des § 73 Abs 5 erster Satz leg cit zu den in den Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung, für die Bestellung und Enthebung eines Verwalters und für wichtige Veränderungen erforderlichen Stimmerfordernissen stellt schließlich nur auf solche Agrargemeinschaften ab, die nicht körperschaftlich eingerichtet sind.

6. Die Vorinstanzen und die Beklagte haben ihre Beurteilung auf § 32 Vbg FlVG, LGBl 2/1979, gestützt. Mit diesem LGBl wurde die mehrfach novellierte Fassung des Vbg Flurverfassungsgesetzes 1951, LGBl 4/1951, wieder-verlautbart.

Wie bereits angedeutet, gibt die Aktenlage Hinweise darauf, dass die Beklagte bereits geraume Zeit davor gegründet worden sein könnte (vgl die Aussage ihres Obmanns auf AS 271, dass die Statuten aus dem Jahr 1927 stammen). Die Übergangsbestimmung des § 111 Abs 1 Vbg FlVG, LGBl 2/1979, ordnet zwar das Außerkrafttreten des Vbg Teilungs- und Regulierungsgesetzes, LGBl 115/1921, an. Alleine daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits bestehende Agrargemeinschaften dann, wenn sie entgegen § 73 Abs 1 leg cit nicht um die Genehmigung der Behörde ansuchen, ihren aufrechten rechtlichen Status verlieren sollten. Derartiges geht auch nicht aus dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz, BGBl 103/1951, hervor.

7. Sollte die Beklagte bereits 1927 (oder davor) konstituiert worden sein, ist nun Folgendes festzuhalten:

Das Vbg Teilungs- und Regulierungsgesetz, LGBl 115/1921, stellte das Durchführungsgesetz zu den vom Reichsrat 1883 geschaffenen Rahmengesetzen für die Teilung und Regulierung der Agrargemeinschaften und die Kommassation von Grundstücken dar. Es sah zwar in § 4 lit c leg cit, wie gezeigt, auch Grundstücke „einer agrarischen Körperschaft, Interessentschaft, Nachbarschaft oder einer agrarischen Gemeinschaft (im Grundbuch oft als Miteigentum eingetragen)“ als gemeinschaftliche an, enthielt darüber hinaus aber keine Organisationsvorgaben und regelte auch die Frage der Rechtsfähigkeit von Agrargemeinschaften nicht. Aus der Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes geht jedoch hervor, dass Agrargemeinschaften vom Landesgesetzgeber als historische Institution vorgefunden und anerkannt wurden (s den historischen Abriss von LH Dr. Ender in der 5. Sitzung des Vbg Landtags am 6. Juli 1921, Protokoll S 5, in dem er ausführte, dass das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch im Jahre 1811 „vorwiegend auf dem Boden des römischen Rechtes stand und dessen Begriff des Eigentums übernommen hatte, der eine volle Herrschaft über bewegliches und unbewegliches Gut in sich begreift. Gemeinschaftseigentum war nach römischen Recht Miteigentum und auf Verlangen der Miteigentümer teilbar. Eine Berücksichtigung der Agrargemeinschaften und irgendwelche Regelung ihrer Rechtsverhältnisse kennt das bürgerliche Gesetzbuch nicht und es ist nur gut, dass die Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches auf den Gemeinschaftsbesitz und seine Benützung meist nicht angewendet wurden, sondern dass man diese Rechtsgebilde nach öffentlichem Rechte behandelte und dort dem Gewohnheitsrecht einen weiten Spielraum offen ließ.“).

Unter diesen Voraussetzungen muss es aber jedenfalls für die Parteifähigkeit einer historischen Agrargemeinschaft ohne behördlich genehmigtes Statut genügen, wenn sie über ein Mindestmaß an körperschaftlicher Organisation, eine Satzung und Organe (Vollversammlung, Obmann, ggf auch Ausschüsse) verfügt, die auch ihre Außenvertretung im Geschäftsverkehr, etwa zur Beantragung von Förderungen oder zum Abschluss von Sömmerungsverträgen, ermöglichen.

Da dieser Umstand nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen jedoch nicht abschließend beurteilt werden kann, ist dem Rekurs Folge zu geben und der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass die Rechtssache zur entsprechenden Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück verwiesen wird.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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