OGH 12Os174/11x

OGH12Os174/11x20.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer, in der Strafsache gegen Halil D***** und weitere Beschuldigte wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, AZ 28 HR 267/11x des Landesgerichts Salzburg, über den Antrag des Hasan A***** auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO in Bezug auf Vorgänge des Ermittlungsverfahrens, die Beschlüsse des Landesgerichts Salzburg vom 3. Oktober 2011 (ON 61) und 4. Oktober 2011 (ON 59) sowie den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 14. Oktober 2011 (ON 83), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Bei der Staatsanwaltschaft Salzburg wird zu AZ 14 St 190/11p ein Ermittlungsverfahren (unter anderem) gegen den Jugendlichen Hasan A***** wegen des Verdachts der Verbrechen des Mordes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 75, 15 Abs 1 StGB geführt.

Mit Beschluss vom 3. Oktober 2011, AZ 28 HR 267/11x, setzte die Ermittlungsrichterin des Landesgerichts Salzburg die am 17. September 2011 über Hasan A***** verhängte Untersuchungshaft (ON 32) aus dem Haftgrund des § 173 Abs 6 StPO (§ 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a, b und d StPO) fort (ON 61).

Mit am selben Tag eingelangtem Schriftsatz lehnte Hasan A***** die Ermittlungsrichterin des Landesgerichts Salzburg als befangen ab (ON 58), weil schon die Durchführung der Haftverhandlung (erst) am 3. Oktober 2011 gegen die Bereitschaft der Richterin spräche, „den Standpunkt des Beschuldigten mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen“. Diesem Antrag gab der Präsident des Landesgerichts Salzburg mit Beschluss vom 4. Oktober 2011 mit der Begründung nicht Folge, dass unterschiedliche Rechtsauffassungen über den Bedeutungsgehalt des § 84 Abs 1 Z 5 StPO nicht zur Begründung einer Ausgeschlossenheit der befassten Richterin geeignet seien (ON 59).

Die (gegen beide Beschlüsse erhobene) Beschwerde des Hasan A***** (ON 65) wies das Oberlandesgericht Linz am 14. Oktober 2011 zu AZ 10 Bs 313/11t (314/11i, 315/11m) in Ansehung der Beschlussfassung des Präsidenten des Landesgerichts Salzburg vom 4. Oktober 2011 als unzulässig zurück (1./), in Ansehung der Beschlussfassung des Landesgerichts Salzburg vom 3. Oktober 2011 als unbegründet ab (2./) und ordnete seinerseits die Fortdauer der über Hasan A***** verhängten Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 6 StPO iVm § 35 Abs 1 zweiter Satz JGG an (ON 83).

Die Grundrechtsbeschwerde des Hasan A***** wurde mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 7. Dezember 2011, 12 Os 170/11h, abgewiesen.

Die - fristgerechte - in der Grundrechtsbeschwerde enthaltene, als „subsidiär“ bezeichnete „Anregung auf Erneuerung des Verfahrens“ richtet sich gegen Vorgänge des Ermittlungsverfahrens, die Beschlüsse des Landesgerichts Salzburg vom 3. Oktober 2011 (ON 61) und 4. Oktober 2011 (ON 59) sowie den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 14. Oktober 2011 (ON 83) und begehrt den Ausspruch, dass „die polizeilichen Ermittlungsergebnisse nichtig und die mitwirkenden Beamten befangen“ seien.

Rechtliche Beurteilung

Ein Erneuerungsantrag, der sich nicht auf eine Entscheidung des EGMR berufen kann, ist nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zulässig (RIS-Justiz RS0122228), muss aber allen gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß entsprechen (RIS-Justiz RS0122737). Weil die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur dann anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter, EMRK3 § 13 Rz 13, Rz 48; EGMR 12. 7. 2001, Ferrazzini gegen Italien, Nr 44759/98), muss auch ein Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darlegen, worin eine - vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende - Grundrechtsverletzung iSd § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei. Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen.

Insoweit der Antragsteller auf das als verletzt bezeichnete Grundrecht auf persönliche Freiheit (Art 5 MRK) Bezug nimmt, ist er darauf zu verweisen, dass diesbezüglich ausschließlich die Bestimmungen des GRBG zur Anwendung gelangen. Der überdies nicht näher substantiierte Einwand, sich (subsidiär) auf § 363a StPO zu stützen, versagt daher von vornherein.

Können - wie hier - die unter dem Gesichtspunkt des Art 6 MRK behaupteten Verfahrensmängel bei der Beweisgewinnung (durch Missachtung von Beschuldigtenrechten im Ermittlungsverfahren) im Hauptverfahren iSd Art 13 MRK wirksam ausgeglichen werden (RIS-Justiz RS0126370, RS0122737 [T22]; Ratz, ÖJZ 2010, 983 [984]), ist der Antrag gleichermaßen unzulässig, zumal es sich - nicht anders als bei einer Beschwerde an den EGMR - bei einem nicht auf ein Urteil dieses Gerichtshofs gestützten Erneuerungsantrag um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt.

Inwieweit die Begründung des Beschlusses des Präsidenten des Landesgerichts Salzburg vom 4. Oktober 2011, AZ 31 Ns 77/11v, das Fairnessgebot nach Art 6 Abs 1 MRK verletzen soll, legt der Antragsteller, der seinerseits jede Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung unterlässt, überhaupt nicht dar und verfehlt damit das Erfordernis deutlicher und bestimmter Bezeichnung (RIS-Justiz RS0124359).

Der Antrag war daher gemäß § 363b Abs 1 und Abs 2 Z 2 StPO als unzulässig zurückzuweisen.

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