OGH 5Ob212/11d

OGH5Ob212/11d9.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Christoph M*****, geboren am *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter Tanja M*****, vertreten durch Mag. Anna-Maria Freiberger, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. August 2011, GZ 44 R 285/11d-59, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Mutter macht in ihrem Revisionsrekurs als erhebliche Rechtsfrage geltend, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Kriterien, nach denen im Einzelfall ein Übernachtungsbesuchsrecht zu einem Kind unter 6 Jahren stattfinden könne; damit zeigt die Mutter das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 62 Abs 1 AußStrG nicht auf:

1. Die Besuchsrechtsregelung ist eine vom Gericht unter Bedachtnahme auf das Wohl des Kindes nach den Umständen des Einzelfalls zu treffende Entscheidung (RIS-Justiz RS0047958 [T1]). Der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung, inwieweit einem Elternteil das Besuchsrecht eingeräumt werden soll, kann daher - weil eben grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig - keine Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommen, sofern nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (jüngst 1 Ob 207/10p). Letzteres ist hier aber nicht der Fall:

2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu 3 Ob 572/85 (EFSlg 49.951) erkannt:

„ ... kann aber ein Kind im Alter zwischen drei und sechs Jahren bei gutem Kontakt mit dem zu besuchenden Elternteil, bei ausreichender Nächtigungsmöglichkeit und gesicherter Aufsicht durchaus auch über ein Wochenende beim anderen Elternteil bleiben … . Es kann daher nicht gesagt werden, daß es auf jeden Fall dem Wohl des Kindes widerspricht, wenn ein jetzt schon vier Jahre altes Kind alle zwei Wochen beim Vater übernachtet, wo es nach den getroffenen Feststellungen sehr vertraut ist.“

3. Den zuvor dargestellten Grundsätzen sind die Vorinstanzen mit ihren Entscheidungen gefolgt. Die Behauptung der Mutter, das Kind stehe aufgrund seiner Entwicklungsverzögerung, die sich vorrangig in sprachlichen Defiziten äußert, einem Kind unter drei Jahren gleich, ist durch die Feststellungen des Erstgerichts nicht gedeckt. Für das Übernachtungsbesuchsrecht spricht vorliegend die sehr gute Beziehung zwischen Vater und Sohn sowie die Entfernung zwischen den Wohnorten der Eltern, die die Ausnützbarkeit eintägiger Besuche erschwert. Konkrete Gefahren für das Kind aus der Einräumung eines Übernachtungsbesuchsrechts sind dagegen nicht auszumachen.

Eine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG wird somit insgesamt nicht aufgezeigt; der Revisionsrekurs ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

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