OGH 9Ob89/10v

OGH9Ob89/10v25.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** H*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei *****Z***** GmbH, *****, vertreten durch Zöchbauer Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, wegen 235.000 EUR sA, infolge der Rekurse der klagenden Partei und der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. September 2010, GZ 4 R 175/10z-13, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. April 2010, GZ 14 Cg 27/09v-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Rekurse der klagenden Partei und der beklagten Partei werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.498,04 EUR (darin 416,34 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.082,24 EUR (darin 347,04 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte schloss als Herausgeberin der Zeitung ***** am 17. 9. 2007 mit A***** P*****, C***** Projektentwicklung, eine Kooperationsvereinbarung, in der die Beklagte Werbeleistungen im Wert von 420.000 EUR exklusive USt zusagte, während sich ihr Vertragspartner verpflichtete, ein C***** Haus (Modell K*****) im Wert von 235.000 EUR exklusive USt samt Bild-, Logo- und Textmaterial für die Integration in die Marketing-Gewinnspielseiten der Beklagten zur Verfügung zu stellen. Die Klägerin ging bei dem in der Folge von der Beklagten veranstalteten „Traumhaus“-Gewinnspiel als Gewinnerin hervor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren der Klägerin, mit dem sie den Geldwert des gewonnenen Hauses in der Höhe von 235.000 EUR sA begehrt, statt.

Das Berufungsgericht hob über Berufung der Beklagten das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung fehle, wen bei einem derartigen Gewinnspiel das „Konkursrisiko“ desjenigen treffe, aus dessen Sphäre die versprochene Sache zur Verfügung zu stellen sein werde.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Berufungsentscheidung erhoben beide Parteien Rekurse wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die Klägerin begehrt die Abänderung der Berufungsentscheidung im Sinne der Klagestattgebung. Die Beklagte begehrt die Abänderung im Sinne der Klageabweisung.

Die Klägerin pflichtet der Begründung der Zulässigkeit des Rekurses durch das Berufungsgericht bei. Die Beklagte brachte zur Zulässigkeit ihres Rekurses nichts Besonderes vor. Beide Parteien bestreiten in ihren Rekursbeantwortungen die Zulässigkeit des jeweils gegnerischen Rekurses und beantragen dessen Zurückweisung. Die Klägerin meint, die von der Beklagten aufgeworfenen Rechtsfragen seien vom Obersten Gerichtshof längst beantwortet worden; die Beklagte vermag in den Ausführungen der Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage zu erblicken.

Gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss des Berufungsgerichts ist der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO (soweit hier relevant) nur dann zulässig, soweit das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen und wenn es dabei ausgesprochen hat, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist. Das Berufungsgericht darf die Zulässigkeit des Rekurses gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nur dann aussprechen, wenn es die Voraussetzungen für gegeben erachtet, unter denen nach § 502 ZPO die Revision zulässig ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall - wie die Parteien in ihren Rekursbeantwortungen (für den jeweils gegnerischen Rekurs) zutreffend erkennen - nicht vor. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rekurse an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz nicht gebunden (§ 526 Abs 2 Satz 2 ZPO). Die Zurückweisung der Rekurse wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

Vor dem Eingehen auf die vom Berufungsgericht und der Klägerin als erheblich angesehene Frage des „Konkursrisikos“ ist nochmals auf die von Vorinstanzen übereinstimmend bejahte Zulässigkeit der Klage aus dem gegenständlichen „Gewinnspiel“ einzugehen. Insoweit ortet die Beklagte zwar keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, bezweifelt aber immer noch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts.

Die Zweifel der Beklagten sind unbegründet. Ob das für die Abgrenzung von Spiel und Wette von anderen Rechtsgeschäften typische aleatorische Element überwiegt, hängt von den nicht revisiblen Umständen des Einzelfalls ab. Wie im „Ö3-Mehrscheinchenspiel“ (2 Ob 251/06h) ging das Berufungsgericht auch beim vorliegenden „Gewinnspiel“ mit vertretbarer Begründung davon aus, dass das aleatorische Element nicht überwogen habe. Dass die Beklagte ihre Zusage erfüllen muss, war von vornherein klar. Unbestimmt war lediglich, an wen dies zu geschehen hat (vgl Krejci in Rummel, ABGB³ §§ 1267-1274 Rz 45; Karner in KBB³ §§ 1267-1274 Rz 5; Nowotny in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 1267 Rz 20; 5 Ob 624/59 = RZ 1960, 81 ua). Das Einsenden von Teilnahmekarten war im hohen Maße möglich und von der Beklagten gewollt. Nachdem die Klägerin aufgrund täglicher Ziehungen aus den eingesendeten Teilnahmekarten von der Beklagten einen „Hausschlüssel“ erhalten hatte, suchte sie über Einladung der Beklagten zusammen mit 43 weiteren Gewinnern von „Hausschlüsseln“ die Schlussveranstaltung auf. Bei dieser wurde schließlich der Schlüsselcode der Klägerin gezogen, worauf sie als Gewinnerin festgestellt wurde. Der Umstand, dass es vom Zufall abhing, wessen Schlüsselcode gezogen wird, macht das vorliegende „Gewinnspiel“ nicht zu einem Glücksvertrag mit der Rechtsfolge der Unklagbarkeit nach § 1271 ABGB (vgl 5 Ob 624/59 = RZ 1960, 81; 2 Ob 251/06k; RIS-Justiz RS0015889 ua). Aus den „Wertungen des Glücksspielgesetzes“, das Nummernlotterien (§ 32 GSpG) und Tombolaspiele (§ 33 GSpG) als „Glücksspiele“ qualifiziere, ist entgegen der Auffassung der Beklagten für die Frage der Klagbarkeit nach § 1271 ABGB nichts Wesentliches zu gewinnen. Das Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl 1989/620, ist vor allem von ordnungs- und finanzpolitischen Zielen geprägt (vgl Strejcek/Bresich, GSpG 1989, 24; Buchta, Glücksspiel in Österreich und Europarecht 7 ua). Überzeugend grenzt Grassl-Palten (in FS Bydlinski, Zum Anwendungsbereich des § 1271 ABGB 153 [157 ff]) den Geltungsbereich des § 1271 ABGB nach seinem telos ab. Sie weist nach, dass § 1271 ABGB auf jene Gattung von Glücksverträgen abzielt, bei denen der Spieltrieb „den gesunden Menschenverstand vernebelt“. Wer demnach „vernünftige“ wirtschaftliche Absichten verfolgt, handelt mutmaßlich nüchternen Sinns und geht daher kein größeres Risiko ein als bei Abschluss anderer Verträge; § 1271 ABGB passt in derartigen Fällen nicht. Diese Bestimmung ist auf Glücksverträge im engeren Sinn zugeschnitten, die geeignet sind, „schädliche Leidenschaften“ zu wecken (Grassl-Palten in FS Bydlinski 153 [173]).

Diese Gefahr besteht hier sichtlich nicht. Zutreffend ging daher das Berufungsgericht vom Vorliegen einer Auslobung der Beklagten iSd § 860 ABGB aus (Bollenberger in KBB³ § 860 Rz 1 f; RIS-Justiz RS0013912; RS0105782 ua), die kein unklagbares Spiel nach § 1271 ABGB zum Gegenstand hatte. Die nach Erbringung der geforderten Leistungen durch Los ausgewählte Klägerin hatte daher nach der Schlussveranstaltung einen klagbaren Anspruch auf die von der Beklagten ausgelobte „Belohnung“, nämlich eine „neue Villa *****“ im Wert von 235.000 EUR. Richtig weist die Beklagte darauf hin, dass die Auslobung gemäß § 860a ABGB im Rahmen des „Auslobungsprozesses“ bis zur Vollendung der Leistung widerrufen werden kann. Mit „Leistung“ ist allerdings nicht die Belohnung des Auslobenden, sondern der Beitrag des Teilnehmers gemeint (siehe § 860 ABGB). Der Versuch der Beklagten, nach dem Erscheinen der Klägerin bei der Schlussveranstaltung, der letzten „Leistung“ der Klägerin im Rahmen des „Auslobungsprozesses“, den ursprünglichen Inhalt der Auslobung insbesondere durch Einführung einer Befristung zu modifizieren, ist daher zum Scheitern verurteilt. Überflüssig sind auch die Überlegungen der Klägerin zu § 5j KSchG. Wesentlich für die Anwendung dieser Bestimmung ist, dass der Unternehmer durch die Gestaltung seiner Zusendung den Eindruck eines Gewinns hervorgerufen hat (Kathrein in KBB³ § 5j KSchG Rz 2 ua). Es geht hier weder um die „Zusendung“ einer Gewinnzusage, noch um den bloßen „Eindruck“ eines Gewinns.

In der nun vom Berufungsgericht und der Klägerin als erheblich aufgeworfenen Frage des „Konkursrisikos“ geht es nicht darum, dass die Auslobende oder die Teilnehmerin in Konkurs gegangen wäre. Die Überlegungen beziehen sich vielmehr darauf, dass über das Vermögen eines von der Auslobenden in Aussicht genommenen Lieferanten der Belohnung der Konkurs eröffnet wurde. Dadurch soll die Lieferung der Belohnung unmöglich geworden sein.

Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann nur dann vorliegen, wenn die Entscheidung gerade von deren Lösung „abhängt“; die maßgebende Rechtsfrage muss „präjudiziell“ sein (Kodek in Rechberger, ZPO³ § 508a Rz 1; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 Rz 60; 9 Ob 74/10p ua). Dies ist bezüglich des „Konkursrisikos“ im vorbeschriebenen Sinn schon deshalb nicht der Fall, weil die zugrundeliegenden Überlegungen im gegenwärtigen Verfahrensstadium bloß hypothetisch sind.

Eine Leistung ist nach ständiger Rechtsprechung unmöglich iSd § 920 ABGB, wenn ihr ein dauerhaftes Hindernis entgegensteht. Ein solches ist anzunehmen, wenn nach der Verkehrsauffassung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden kann. Besteht jedoch eine ernst zu nehmende, irgendwie ins Gewicht fallende Chance, dass die Leistung zumindest zu einem späteren Zeitpunkt wieder möglich sein wird, so liegt nicht Unmöglichkeit, sondern Verzug vor (vgl P. Bydlinski in KBB³ § 920 Rz 1 f; RIS-Justiz RS0109496 ua). Auf Verzug (§ 918 ABGB) hat sich die Klägerin bisher nicht erkennbar berufen.

Als Belohnung wurde von der Beklagten ein in der Zeitung ***** abgebildetes Haus ausgelobt, das wie folgt beschrieben wurde: „Ihr Traumhaus mit Luxus-Ausstattung. Gewinnen Sie die neue 'Villa *****' von C***** im Wert von sagenhaften 235.000 Euro: das Niedrigenergie-Haus mit Luxus-Ausstattung. Ihr Haus enthält eine Komplettküche von A***** und ein Luxus-Bad“. Die Parteien stimmen darin überein, dass im vorliegenden Fall nicht ein bereits spezifiziertes Haus vor der Übergabe untergegangen ist, sondern dieses Haus erst herzustellen war, wobei das Grundstück von der Klägerin beigestellt werden sollte. Die Unmöglichkeit der Leistung wird aus dem Umstand abgeleitet, das über das Vermögen der U***** GmbH am 9. 1. 2009 der Konkurs eröffnet wurde. Warum aus dem Konkurs eines Dritten, der am 13. 7. 2009 vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz wieder rechtskräftig aufgehoben wurde, die Unmöglichkeit der Lieferung der Belohnung durch die Beklagte folgen soll, wurde bisher nicht nachvollziehbar dargelegt. Die ehemalige Gemeinschuldnerin war nicht einmal der von der Beklagten in der Kooperationsvereinbarung vom 17. 9. 2007 in Aussicht genommene Partner, der das Haus zur Verfügung stellen sollte. Dort war nur von der natürlichen Person A***** P*****, C***** Projektentwicklung, als Kooperationspartner der Beklagten die Rede. Nähere Erläuterungen zu dieser Diskrepanz fehlen. Eine konkrete Auslegung der Auslobung bezüglich der Bedeutung des Passus „von C*****“ ist bisher ebenfalls nicht erfolgt. In diesem Zusammenhang ist auch nicht erörtert worden, ob und weshalb nicht nach dem Inhalt der Auslobung die Lieferung des beschriebenen Hauses ohnehin durch jeden qualifizierten Unternehmer in Frage kommt.

Im Rekursverfahren kann somit noch nicht davon ausgegangen werden, dass das ausgelobte Haus mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht geliefert werden kann. Damit erweisen sich aber die auf der Unmöglichkeit der Leistung aufbauenden Überlegungen des Berufungsgerichts und der Parteien als voreilig und spekulativ. Mit hypothetischen Annahmen kann keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet werden.

Zutreffend erkannte das Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluss, dass Erörterungsbedarf besteht, weshalb die Klägerin von der Beklagten nicht die zugesagte Belohnung, sondern einen Geldbetrag fordert. Dem ist vom Obersten Gerichtshof nicht entgegenzutreten. In diesem Zusammenhang werden die Parteien auch Gelegenheit haben, die angebliche Unmöglichkeit der Leistung und deren Folgen nachvollziehbar darzulegen.

Dass das zwischen den Parteien durch die Auslobung begründete Verhältnis nicht ohne weiteres durch Vereinbarungen mit Dritten wirksam verändert werden kann, bedarf keiner besonderen Erörterung. Da es aber diesbezügliche Ansätze auf beiden Seiten gab, besteht ebenfalls Erörterungsbedarf, zumal bezüglich der sich in diesem Zusammenhang sogleich stellenden Vollmachtsfrage bisher kein Vorbringen erstattet wurde. Bis zur Klärung, wer mit wem in wessen Namen was zufolge entsprechender Vollmacht wirksam vereinbart hat, ist es müßig, Fragen der Novation und sonstiger „Vertragsänderungen“ zu erörtern. Schon gar nicht kann daraus eine erhebliche Rechtsfrage, von der die Entscheidung „abhängt“, abgeleitet werden.

Zusammenfassend sind die Rekurse der Parteien mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen (§ 526 Abs 2 Satz 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit der Rekurse gegen einen Aufhebungsbeschluss gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (9 Ob 29/08t ua). Die Parteien haben in den Rekursbeantwortungen auf die Unzulässigkeit des jeweils gegnerischen Rekurses hingewiesen.

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