OGH 9ObA18/11d

OGH9ObA18/11d25.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gillinger und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. A***** M*****, vertreten durch Mag. Gregor Royer, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei B ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wegen 47.628,21 EUR brutto sA und 2.540 EUR netto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Dezember 2010, GZ 11 Ra 106/10b-15, womit das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. September 2010, GZ 7 Cga 31/10d-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Laut schriftlichem Dienstvertrag vom 24. 6. 2009 war der Kläger ab 1. 10. 2009 bei der Beklagten und der A***** GmbH beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war zunächst auf ein Jahr befristet. Als gehaltauszahlende Stelle wurde im Dienstvertrag die Beklagte bestimmt. Mit Schreiben vom 5. 1. 2010 erklärte der Kläger, nachdem er das Gehalt für Dezember 2009 trotz Nachfristsetzung nicht erhalten hatte, seinen vorzeitigen Austritt. Mit der vorliegenden Klage macht er gegen die Beklagte an Gehalt, Sachbezügen, anteiligen Sonderzahlungen, Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung die Beträge von 47.628,21 EUR brutto sA und 2.540 EUR netto sA geltend. Das Erstgericht bejahte die Berechtigung des Klagebegehrens. Die von der Beklagten erhobene Berufung blieb ohne Erfolg. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin stützt die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision auf die Gefahr „unlösbarer Verwicklungen“, weil der Kläger mit der vorliegenden Klage nur die Beklagte - und nicht auch die A***** GmbH als zweite Arbeitgeberin - in Anspruch genommen habe. Im vorliegenden Verfahren sei auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu entscheiden; die Klage wäre daher richtigerweise gegen beide Arbeitgeber zu richten gewesen. Zufolge Vorliegens einer einheitlichen Streitpartei iSd § 14 ZPO sei die Klage abzuweisen.

Die von der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen können auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gelöst werden. Unlösbare Verwicklungen infolge bloßer Inanspruchnahme der Beklagten sind im vorliegenden Fall nicht zu befürchten. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt nicht vor.

Vorauszuschicken ist, dass die Vereinbarung der Beschäftigung eines Arbeitnehmers im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei mehr als einem Arbeitgeber in der Praxis zwar die Ausnahme bildet, aber nach Lehre und Rechtsprechung nicht unzulässig ist (vgl Krejci in Rummel, ABGB³ § 1151 Rz 144; Rebhahn in ZellKomm § 1151 ABGB Rz 14; Löschnigg, Arbeitsrecht11 Rz 4/047; Kreil, Arbeitsverhältnisse im Konzern 75 f; 9 ObA 257/98d ua). Die Zulässigkeit der Beschäftigung bei mehreren Arbeitgebern aufgrund eines einheitlichen Arbeitsvertrags wurde im vorliegenden Verfahren auch weder von den Parteien, noch von den Vorinstanzen in Frage gestellt. Die Beklagte nahm jedenfalls gegenüber dem Kläger die Arbeitgeberfunktion wahr. Davon geht auch die Revisionswerberin aus, die zwar beanstandet, dass vom Kläger nicht auch die A***** GmbH geklagt wurde, aber nicht in Frage stellt, dass sie als Arbeitgeberin in Anspruch genommen wird. Der tiefere Sinn der gegenständlichen Konstruktion mehrerer Arbeitgeber, etwa das Bestehen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eines Konzerns auf Arbeitgeberseite, wurde von der Beklagten nicht offengelegt, kann aber dahingestellt bleiben. Das Klagebegehren zielt ohnehin nicht auf eine Gestaltung des Arbeitsverhältnisses ab; geltend gemacht werden lediglich verschiedene Geldansprüche aus dem mit Dienstvertrag vom 24. 6. 2009 begründeten Verhältnis und aus dessen Beendigung. Dass das gegenständliche Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet wurde, ist zwischen den Parteien unstrittig; umstritten war lediglich, ob es durch vorzeitigen Austritt (Standpunkt des Klägers) oder durch einvernehmliche Auflösung (Standpunkt der Beklagten) beendet wurde. Diese Frage wurde von den Vorinstanzen als bloße Vorfrage des Leistungsbegehrens - (vgl 1 Ob 191/09h = EvBl 2010/59 [Parapatits] ua) - dahin geklärt, dass sie auf der Grundlage der getroffenen Tatsachenfeststellungen von einem vorzeitigen Austritt des Klägers ausgingen.

Ob die Regelung der von der Beklagten im Dienstvertrag übernommenen Rolle als „gehaltauszahlende Stelle“ gar dahin auszulegen ist, dass sich von vornherein nur die Beklagte zur Zahlung des Entgelts verpflichtete, kann hier dahingestellt bleiben. Zum einen nahm der Kläger mit der vorliegenden Klage ohnehin nur die Beklagte in Anspruch; zum anderen würden mehrere Unternehmer, die sich gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung verpflichtet haben, gemäß § 348 UGB im Zweifel als Gesamtschuldner haften. Der Kläger wäre daher auch bei einer Auslegung des Inhalts, dass beide Arbeitgeber zur Entgeltzahlung verpflichtet waren, berechtigt, nur einen von mehreren Gesamtschuldnern in Anspruch zu nehmen (§ 893 ABGB; Koziol/Welser II13 137 ua). Der Fall einer „Gesamthandschuld“ liegt entgegen der Annahme der Revisionswerberin nicht vor (vgl zu den einzelnen Fallgruppen der Gesamthandschuld P. Bydlinski in KBB³ § 891 Rz 4 ua). Es liegt hier weder der Fall vor, dass die geforderten Geldleistungen von einem einzelnen Schuldner gar nicht erfüllt werden können, noch sind die Leistungen aus einem gesamthänderischen Sondervermögen zu erbringen; es wurde auch keine Erfüllung „durch die gesamte Hand“ vereinbart.

Eine einheitliche Streitpartei liegt gemäß § 14 ZPO dann vor, wenn sich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen erstreckt. Die einheitliche Streitpartei ist nicht immer eine notwendige Streitgenossenschaft, sondern dann, wenn kraft Gesetzes die Klage nur von oder gegen alle Rechtsgenossen gemeinsam eingebracht werden kann. Ansonsten ist die Frage nach einer notwendigen Streitgenossenschaft nach dem materiellen Recht zu entscheiden. Es handelt sich um eine Frage der Sachlegitimation. Eine notwendige Streitgenossenschaft wird angenommen, wenn wegen Nichterfassung aller Teilhaber die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch verschiedene Entscheidungen entsteht, was nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (vgl 1 Ob 191/09h; RIS-Justiz RS0035479 ua).

Wie bereits erwähnt, ist im vorliegenden Fall nicht das gemeinsame Rechtsverhältnis der Beklagten und der A***** GmbH zum Kläger Gegenstand des Klagebegehrens, sondern es sind Geldansprüche des Klägers aus diesem Rechtsverhältnis, sodass Urteile, die nur gegenüber der Beklagten Geldansprüche bejahen, keine Unverträglichkeit in ihren Wirkungen nach sich ziehen (vgl 9 ObA 257/98d; 1 Ob 191/09h ua). Die Solidarverpflichtung aus einem Vertragsverhältnis schafft keine einheitliche Streitpartei (RIS-Justiz RS0035606 ua). Die Gefahr unlösbarer Verwicklungen besteht entgegen der Befürchtung der Revisionswerberin nicht.

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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