OGH 4Ob125/11b

OGH4Ob125/11b19.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** KG, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei „Ö*****“ ***** GmbH, *****, vertreten durch Zöchbauer Frauenberger Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 65.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. Juni 2011, GZ 3 R 41/11p-10, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß

§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das Rekursgericht hat ein Gewinnspiel der Beklagten, bei dem für eine vermögensrechtliche Leistung (erhöhtes SMS-Entgelt im Rahmen eines Mehrwertdienstes) die Möglichkeit von Bargewinnen in Aussicht gestellt wird, deshalb als Rechtsbruch iSd § 1 UWG durch Verstoß gegen das Glücksspielgesetz beurteilt, weil der Ausgang des Spiels vorwiegend vom Zufall, nämlich davon abhängt, ob der Teilnehmer, der zuvor ein Sudoku oder ein Kreuzworträtsel gelöst und die dabei ermittelten Gewinnzahlen (-buchstaben) per SMS weitergeleitet hat, als Gewinner ausgewählt wird. Es ist damit von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu vergleichbaren Fallkonstellationen (4 Ob 5/03v; 4 Ob 167/08z) nicht abgewichen.

2. Angesichts der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach ein Glücksspiel schon dann vorliegt, wenn der Spielerfolg in einer ersten Stufe ausschließlich vom Zufall abhängig ist und erst in einer zweiten Stufe des Spiels die Geschicklichkeit des Spielers zum Tragen kommt (VwGH 99/17/0214), kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf die Vertretbarkeit ihrer gegenteiligen Auslegung des § 1 Abs 1 GlücksspielG berufen, wonach hier ein erlaubtes Geschicklichkeitsspiel vorliege. Wie das Rekursgericht zutreffend aufzeigt, kann nämlich der hier gegebene umgekehrte Fall, dass erst die zweite Stufe des Spiels ausschließlich vom Zufall abhängt, nicht anders beurteilt werden als der vom Verwaltungsgerichtshof entschiedene Sachverhalt. So wie im Fall der zitierten Entscheidung ist auch im Anlassfall das gesamte Spiel eine Einheit, bei der die wesentliche Entscheidung, ob allenfalls ein Gewinn realisiert werden kann, zufallsabhängig herbeigeführt wird (vgl VwGH 99/17/0214).

3.1. Die Frage, ob eine irreführende Ankündigung im Einzelfall geeignet ist, einen Marktteilnehmer dazu zu veranlassen, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, begründet - von Fällen einer krassen Fehlbeurteilung abgesehen - keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (vgl RIS-Justiz RS0121680 [T2]).

3.2. Die Auffassung des Rekursgerichts, ein nicht zu vernachlässigender Teil der durch das Gewinnspiel der Beklagten angesprochenen Interessenten würde von einer Teilnahme Abstand nehmen, falls er von den Teilnahmebedingungen in Kenntnis gesetzt werde (vgl nur deren § 4 Abs 1 in Beil ./BB, wonach die Bedingungen der Zufallsziehung „zur Gänze im Verantwortungsbereich des Gewinnspielbetreibers“ - also völlig in dessen Belieben - liegen), ist keinesfalls unvertretbar.

3.3. Mag auch die Entscheidung, an einem Gewinnspiel teilzunehmen, nur die Vorstufe zu einer späteren Kaufentscheidung sein, reicht dies aus, um eine geschäftliche Entscheidung iSv Art 2 lit k der Richtlinie 2005/29/EG vom 11. 5. 2005 des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt annehmen zu können, weil das Bestreben des Unternehmers, der ein Gewinnspiel veranstaltet, letztlich auf eine solche Kaufentscheidung gerichtet ist, und weil die Tatbestände des Anhangs dieser Richtlinie Nr. 19 und Nr. 31 für diese Auffassung sprechen (Köhler, Zur richtlinienkonformen Auslegung der Transparenzgebote des § 4 Nr 4 und 5 UWG, wrp 2011, 1023, 1026).

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