OGH 13Os114/11f

OGH13Os114/11f13.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Günther K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 19. Mai 2011, GZ 41 Hv 16/10h-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen die Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Günther K***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (I) und mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II/1 und 2) schuldig erkannt.

Danach hat er Anja N*****

(I) im Frühjahr oder Sommer 2009 in H***** mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich des Analverkehrs, genötigt, indem er sie auf ein Bett stieß, sodass sie darauf mit dem Bauch zu liegen kam, sich mit seinem Körpergewicht auf sie legte, seinen Penis in ihren After einführte und den Analverkehr an ihr vollzog, während er sie festhielt und mit seinem Körpergewicht weiterhin auf das Bett drückte, obwohl sie ihn wiederholt anflehte, von ihr abzulassen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) des Opfers, nämlich eine Anpassungsstörung mit Angstzuständen, Schlafstörungen und Beeinträchtigungen der Sexualität zur Folge hatte;

(II) am Körper verletzt, und zwar

1) am 30. April 2009 in Dornbirn, indem er mit seinem Auto losfuhr, als sie, weil sie aus dem Auto aussteigen wollte, den Sicherheitsgurt bereits gelöst und die Beifahrertür geöffnet hatte, wodurch sie aus dem Auto auf die Fahrbahn stürzte und Prellungen am Schädel, am rechten Ellbogen und im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie eine Beule am Hinterkopf und Rissquetschverletzungen am Ringfinger und an der rechten zweiten Zehe erlitt;

2) am 9. Oktober 2009 in H*****, indem er ihr zunächst eine Ohrfeige versetzte, sie anschließend zu Boden zerrte, am Kopf packte und diesen mehrere Male gegen den Boden schlug, wodurch sie Hämatome und eine Schwellung im Gesicht, eine Schädelprellung und eine Kratzverletzung am rechten Oberarm erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus den Gründen des § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.

Die Verfahrensrüge (Z 3) erblickt zu Unrecht einen „Widerspruch zwischen Urteilssatz und Urteilsgründen“, weil im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) die schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) in Form einer Anpassungsstörung mit Angstzuständen, Schlafstörungen und Beeinträchtigungen der Sexualität nur bei der Vergewaltigung (I) qualifizierend gewertet wurde, während die Entscheidungsgründe neben dieser auch die vom Schuldspruch II erfassten Taten als Ursache nennen (US 36 f). Ob der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO auf einer (hier ohnehin) zureichenden Tatsachengrundlage basiert, ist jedoch nicht Gegenstand des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 274).

Für die Zurechnung einer Erfolgsqualifikation (hier § 201 Abs 2 erster Fall StGB) zu einer Tat genügt - wie der Vollständigkeit halber angemerkt sei - grundsätzlich, dass diese neben anderen Ursachen (mit-)kausal ist (SSt 61/1; 12 Os 190/10y; 15 Os 9/11d; Kienapfel/Höpfel AT13 Z 10 Rz 5; Burgstaller in WK2 § 80 Rz 68). Steht (wie hier) fest, dass ein Verletzungserfolg Resultat mehrerer Taten ist, ohne dass deren eine als ausschließliche Ursache in Frage kommt, ist er nach ständiger Rechtsprechung nur bei einer Tat anzulasten (RIS-Justiz RS0120828; vgl auch Philipp in WK2 § 201 Rz 30).

Der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnte die beantragte zeugenschaftliche Vernehmung der Judith G***** ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten unterbleiben. Dass der Beschwerdeführer in früheren Beziehungen nicht gewalttätig war, nahmen die Tatrichter ohnehin zu seinen Gunsten als erwiesen an (US 28; RIS-Justiz RS0099135). Entgegen dem Beschwerdevorbringen war hingegen der Alkoholkonsum des Opfers gerade nicht Thema dieses Beweisantrags (vgl ON 22 S 58 iVm ON 34 S 7).

Mit dem Einwand der Mängelrüge, das Erstgericht ziehe „falsche Schlüsse“ aus dem psychiatrischen Sachverständigengutachten, wird keine der in § 281 Abs 1 Z 5 StPO genannten Anfechtungskategorien angesprochen. Im Übrigen handelt es sich bei der kritisierten Charakterisierung der Beziehung zwischen dem Opfer und dem Beschwerdeführer („sadomasochistische Kollusion“ - vgl US 14) bloß um eine sachverhaltsmäßige Bejahung von Umständen, die erkennbar keine notwendige Bedingung für die Feststellung entscheidender Tatsachen darstellt und daher nicht mit Mängelrüge bekämpft werden kann (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 391 und 410). Ebenso wenig kommt eine Anfechtung der Annahmen in Betracht, der Beschwerdeführer weise eine sadistische Veranlagung auf (US 7 und 31), und fehlende Gewalttätigkeiten seinerseits in früheren Beziehungen seien mit der (im Vergleich zum Opfer) unterschiedlichen Persönlichkeitsstruktur anderer Partnerinnen und der daraus sich ergebenden, je eigenen Beziehungsdynamik zu erklären (US 28).

Die Tatrichter haben sich mit den zahlreichen Zeugenaussagen zum behaupteten übermäßigen Alkoholkonsum des Opfers, denen nur unter dem Aspekt dessen Glaubwürdigkeit Erheblichkeit zukommen kann, ausführlich auseinandergesetzt (US 19 ff) und in diesem Zusammenhang keineswegs bloß auf die Ausführungen des Sachverständigen verwiesen, der keine Alkoholsucht diagnostizierte (vgl ON 14 S 59 ff), weshalb der Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Leere geht. Gleiches gilt für angeblich übergangene Zeugenaussagen, wonach das Opfer angekündigt habe, den Beschwerdeführer „fertig machen“ zu wollen (vgl US 17, wo auf diese behauptete Motivation inhaltlich eingegangen wird).

Hinsichtlich des Unterschieds des jeweiligen Tathergangs bei den vom Freispruch umfassten Vorwürfen einerseits und dem Schuldspruch andererseits sind die Entscheidungsgründe keineswegs „undeutlich“ (Z 5 erster Fall, der Sache nach vierter Fall). Demnach lag bei ersteren Fällen zunächst durchwegs Einwilligung des Opfers in den Geschlechtsverkehr vor, weshalb die Tatrichter es nicht als erwiesen ansahen, dass der Beschwerdeführer einen Widerstand des Opfers gegen die Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs in seinen Vorsatz aufgenommen hatte (US 6 ff). Beim Schuldspruch hingegen war der Widerstand des Opfers von vornherein gegeben und wurde vom Beschwerdeführer erkannt, der ungeachtet dessen unter Einsatz von Nötigungsmitteln den Analverkehr vollzog (US 9 f).

Die unmissverständliche Feststellung des Verletzungsvorsatzes (US 12) hinsichtlich des Schuldspruchs II/1 hat das Erstgericht - unter dem Aspekt objektiver Begründungstauglichkeit unbedenklich (RIS-Justiz RS0098671) - auf den Tathergang gestützt (vgl US 13). Im Übrigen bekämpft die Rüge mit dem Hinweis auf unerhebliche Abweichungen in den Aussagen des Opfers bloß die tatrichterlichen Feststellungen zum Tathergang nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die Konstatierungen zum Schuldspruch II/2 stützen sich ebenfalls auf die als glaubwürdig erachteten Angaben des Opfers und auf ein im Zusammenhang stehendes Ambulanzblatt des Krankenhauses Dornbirn (US 18 iVm ON 2 S 83). Mit (im Rahmen der Tatsachenrüge wiederholten) eigenständigen Erwägungen zu dessen Inhalt wird offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) nicht aufgezeigt.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) zieht aus von den Tatrichtern im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit des Opfers angeführten Prämissen (vgl US 18 ff: betreffend das Ausmaß dessen Alkoholkonsums, von ihm in der Vergangenheit angeblich erzählten Unwahrheiten oder die im Beweisverfahren thematisierte Neigung des Beschwerdeführers zu Analverkehr) für den Beschwerdestandpunkt günstige Schlussfolgerungen und zeigt damit keine erheblichen Bedenken im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes auf (RIS-Justiz RS0099674).

Soweit sich die Tatsachenrüge im Übrigen in Ansehung des Schuldspruchs I gegen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite richtet, argumentiert sie nicht „aus den Akten“.

Mit der Behauptung fehlender Feststellungen zum tatbestandsmäßigen Vorsatz in Ansehung der Schuldsprüche I und II/1 setzt sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) über die dazu getroffenen Konstatierungen (US 10 und 12) hinweg und verfehlt somit die gesetzmäßige Darstellung.

Die Sanktionsrüge (Z 11, der Sache nach Z 10; vgl Ratz WK-StPO § 281 Rz 666) wendet sich abermals gegen die Zurechnung der schweren Verletzungsfolge zur Vergewaltigung. Indem sie dabei unter eigenständiger Interpretation des Sachverständigengutachtens vermeint, dieses lasse die Annahme, eine einzige Vergewaltigung sei für die beim Opfer diagnostizierte Symptomatik ursächlich gewesen, nicht zu, geht sie nicht von den Urteilsfeststellungen (US 36 f) aus, sondern bekämpft diese abermals in unzulässiger Weise.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO - ebenso wie die angemeldete (ON 35 S 8), im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Schuldberufung - schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung gegen die Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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