OGH 7Ob161/11v

OGH7Ob161/11v28.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei DI A***** R*****, vertreten durch Putz & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH, Wien, wegen jeweils 17.571,77 EUR (sA), über die „außerordentliche“ Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Mai 2011, GZ 3 R 42/10h-91, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. März 2010, GZ 35 Cg 42/04x (35 Cg 8/08b)-87, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Der Kläger und Widerbeklagte (im Folgenden Kläger) hat im Auftrag der Beklagten und Widerklägerin (im Folgenden Beklagte) für diese Planungs- und Prüfingenieurtätigkeiten durchgeführt. Er begehrte zuletzt als Entgelt für von der Beklagten zusätzlich beauftragte Arbeiten 17.571,77 EUR. Die Beklagte wendete vor allem ein, die betreffenden Leistungen hätten Projektänderungen betroffen, für die dem Kläger nach dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Werkvertrag keine Vergütung zustehe. Die Planungsleistungen des Klägers seien mangelhaft gewesen. Die Kosten der Behebung dieser Mängel von 17.571,77 EUR habe ihr der Kläger zu ersetzen. Diese Forderung wurde zum Gegenstand der von der Beklagten erhobenen Widerklage gemacht, die mit der Klage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurde.

Das Erstgericht erachtete das Klagebegehren als berechtigt, das Widerklagebegehren hingegen als nicht berechtigt und erkannte die Beklagte daher schuldig, dem Kläger 17.571,77 EUR zu bezahlen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichts erhobene „außerordentliche“ Revision der Beklagten legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshofs vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der geltenden Rechtslage:

Zunächst ist festzuhalten, dass im Fall von Klage und Widerklage auch bei Verbindung beider Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung die Streitwerte nicht zusammenzurechnen sind und die Zulässigkeit der Revision daher jeweils gesondert zu prüfen ist (RIS-Justiz RS0042626; RS0037252; Kodek in Rechberger 3 § 502 Rz 2; Zechner in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 502 ZPO Rz 168, jeweils mwN).

Sowohl im Verfahren über die Klage als auch über die Widerklage beträgt der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 17.571,77 EUR. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist daher jeweils nach § 508 ZPO zu beurteilen. In den in § 508 Abs 1 ZPO angeführten Fällen, in denen der Entscheidungsgegenstand - wie hier - zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und in denen das Gericht zweiter Instanz ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig sei, ist auch ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig (§ 502 Abs 3 ZPO). Nach § 508 Abs 1 ZPO kann allerdings in einem solchen Fall eine Partei einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist die ordentliche Revision auszuführen. Der mit dieser verbundene Antrag ist gemäß § 508 Abs 2 ZPO binnen vier Wochen beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Berufungsgericht zu behandeln (RIS-Justiz RS0109623). Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei - wie hier die Beklagte - ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Dies gilt auch, wenn es als „außerordentliche“ Revision bezeichnet wird und an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist. Dieser darf darüber nur entscheiden, wenn das Berufungsgericht nach § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623 und RS0109501). Dies gilt auch dann, wenn der Revisionswerber in dem Schriftsatz nicht im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Ausspruchs des Berufungsgerichts gestellt hat, weil dieser Mangel nach § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RIS-Justiz RS0109623).

Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen, das das Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen haben wird.

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