OGH 6Ob158/11w

OGH6Ob158/11w14.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen B***** Privatstiftung mit dem Sitz in W***** über den Revisionsrekurs des Vorstandsmitglieds Dr. J***** M*****, vertreten durch Hauser Milchrahm & Stadlmann Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 26. Mai 2011, GZ 28 R 296/10w-10, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 3. November 2010, GZ 74 Fr 10388/10f-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die B***** Privatstiftung ist zu FN ***** im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien eingetragen. Gemäß § 1 Abs 3 der Stiftungsurkunde sind M***** J***** und der Antragsteller, der außerdem alleinvertretungsbefugtes Mitglied des Stiftungsvorstands ist, Stifter. § 1 Abs 4 hält den Stifterwillen fest, wonach - sobald sich die gesetzliche Möglichkeit hierzu eröffnet - sowohl E***** M***** als auch J***** M***** und C***** M***** nachträglich die Stifterfunktion erhalten und damit befähigt werden sollen, sämtliche Stifterrechte, insbesondere Änderungs- und Widerrufsrechte, uneingeschränkt wahrzunehmen. Zum Zeitpunkt der Eintragung der Stiftung im Jahr 1996 waren J***** M***** und C***** M***** zwar bereits geboren, jedoch noch nicht geschäftsfähig.

Mit Notariatsakt vom 9. 9. 2010 sahen sich die beiden Stifter „veranlasst, die geltende Stiftungsurkunde im § 1 Abs 3 durch folgende Offenlegung zu bereinigen“, und änderten die Bestimmung dahin ab, dass als Stifter nunmehr sämtliche genannten Personen angeführt werden; § 1 Abs 4 entfalle hingegen ersatzlos. Als Begründung für diese Änderung werden die Offenlegungspflichten des § 13 KStG idF BGBl 34/2010 genannt.

Die Vorinstanzen wiesen den als „Offenlegung der verdeckten Treuhand“ bezeichneten Antrag ab. Das Rekursgericht sprach darüber hinaus aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen im Fall einer Errichtungstreuhand eine nachträgliche Übernahme der Stifterstellung durch den Treugeber zulässig ist.

In der Sache selbst verneinte das Rekursgericht diese Frage unter Hinweis auf die mit Errichtung der Privatstiftung eingetretenen Verselbstständigung des Vermögens und dessen Eigentümerlosigkeit; die Stiftung als Rechtsträger sei vom Stifter vollständig getrennt. Ein nachträglicher Erwerb der Stifterstellung widerspreche damit dem Wesen der Stiftung, die Aufnahme anderer Personen als die ursprünglichen Stifter in den Stifterkreis sei unzulässig. Da § 3 Abs 3 PSG verhindern wolle, dass Gestaltungsrechte zeitlich unbegrenzt eingeräumt werden, widerspreche auch diese Bestimmung der nachträglichen Aufnahme des Treugebers in den Stifterkreis; die Errichtungstreuhand werde zwar als zulässig angesehen, der Treugeber habe aber am Stiftungsakt nicht mitgewirkt. Da eine Errichtungstreuhand jederzeit nachträglich behauptet werden könnte, seien auch Fragen des Gläubigerschutzes zu berücksichtigen; der Stifter hätte es jederzeit in der Hand, durch diese Behauptung sein in die Stiftung eingebrachtes Vermögen dem exekutiven Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen beziehungsweise diesen erheblich zu erschweren, weil zuvor erst die Treuhandkonstruktion angefochten werden müsste. Daher wäre aus Gründen der Rechtssicherheit bei Errichtung des Treuhandverhältnisses jedenfalls die Einhaltung der selben Formvorschriften wie bei Errichtung der Stiftung zu verlangen; ein diesbezüglicher Notariatsakt sei hier aber nicht vorhanden. Schließlich seien zwei der nunmehr als Stifter einzutragenden Personen zum Zeitpunkt der Errichtung der Stiftung noch minderjährig gewesen; die Errichtung einer Stiftung durch solche Personen bedürfe aber der Einschaltung eines Kollisionskurators und der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Nach herrschender Auffassung ist die Errichtung einer Privatstiftung durch einen Treuhänder, der im eigenen Namen erklärt, die Privatstiftung errichten zu wollen und das Vermögen zu widmen, zulässig (etwa Csoklich in Csoklich/Müller/Gröhs/Helbich, Handbuch zum Privatstiftungsgesetz [1994] 13 [45]; Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, Privatstiftungsgesetz [1995] § 3 Rz 5; Ch. Nowotny, Stifterrechte - Möglichkeiten und Grenzen, JBl 2003, 778; Arnold, PSG² [2007] § 3 Rz 11).

Der Oberste Gerichtshof hat sich zwar zu dieser Frage noch nicht konkret geäußert (die Entscheidung 3 Ob 1/10h betraf eine Privatstiftung nach liechtensteinischem Recht). Jedenfalls seit Inkrafttreten des § 13 Abs 6 KStG idF BGBl 34/2010 mit 1. 7. 2010 ist diese Frage jedoch hinreichend beantwortet; der Gesetzgeber selbst spricht in dieser Bestimmung vom Auftreten eines Stifters über eine verdeckte Treuhandschaft.

2.1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass ein nachträglicher Beitritt einer Person als Stifter nicht in Betracht kommt (1 Ob 166/04z GeS 2004, 475 [Arnold]; 6 Ob 78/06y NZ 2007, 28); aus § 9 Abs 1 Z 5 PSG ergibt sich die Absicht des Gesetzgebers, die Person des Stifters bei Errichtung der Stiftung „ein für allemal klarzustellen“ (6 Ob 78/06y). Damit ist aber auch ein Verzicht des Stifters auf seine Stifterstellung unmöglich (6 Ob 78/06y; 6 Ob 18/07a GesRZ 2007, 346 [Arnold]).

Diese Rechtsprechung deckt sich mit der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung (Pittl, Der Stifter einer Privatstiftung und die ihm zustehenden Rechte, NZ 1999, 197; G. Nowotny, Die Anforderungen an die Stiftungsurkunde aus dem Blickwinkel des Firmenbuchgerichts, in Gassner/Göth/Gröhs/Lang, Privatstiftungen [2000] 137 [148 f]; Diregger/Winner, Fragen der Gestaltungsfreiheit im Privatstiftungsrecht am Beispiel der Änderung nach § 33 Abs 2 PSG, in Doralt/Kalss, Aktuelle Fragen des Privatstiftungsrechts [2001] 105; Arnold, PSG² [2007] § 3 Rz 13). Hingegen treten vor allem Ch. Nowotny (JBl 2003, 778; anders noch ders, Urkunden und Privatstiftung, in Gassner/Göth/Gröhs/Lang, Privatstiftungen [2000] 125 [133]), Kalss (in Doralt/Nowotny/Kalss, Privatstiftungsgesetz [1995] § 3 Rz 15) und H. Torggler (Ein Plädoyer für die „offene“ Privatstiftung, in FS Doralt [2004] 651) für die Zulässigkeit einer nachträglichen Stifterstellung ein.

2.2. Der Revisionsrekurs meint, diese Rechtsprechung lasse sich auf den Fall einer Errichtungstreuhand nicht anwenden, sei doch in diesem Fall die Stifterstellung den Errichtungstreugebern von vorneherein wirtschaftlich zugeordnet.

Er übersieht dabei, dass das Treuhandeigentum, welches der Treuhänder bei Errichtung der Privatstiftung dieser gewidmet hatte, dessen ungeteiltes Eigentum war und dass dem Treugeber lediglich obligatorische Ansprüche gegen den Treuhänder zustehen (vgl dazu Holzner in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 [2010] § 358 Rz 3 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Maßgeblich für die Stifterstellung ist aber die zivilrechtliche, nicht die wirtschaftliche Stifterstellung (Arnold, PSG² [2007] § 3 Rz 12); an der Errichtung der Privatstiftung war daher der Treugeber nicht beteiligt, auch wenn sie in seinem wirtschaftlichen Interesse erfolgte (Arnold aaO; ebenso Keller, Einflussnahme des Stifters [2006] 44).

Damit würde aber auch im Fall einer Errichtungstreuhand der Treugeber nachträglich in die Stifterstellung eintreten; dies ist nach ständiger Rechtsprechung nicht zulässig (1 Ob 166/04z; 6 Ob 78/06y).

3. Ch. Nowotny (JBl 2003, 778) hält im Fall einer Errichtungstreuhand den (späteren) Eintritt des Treugebers in die Stifterstellung auch im Außenverhältnis anstelle des Treuhänders - und zwar im Wege einer Änderung der Stiftungserklärung - für zulässig; der Treuhänder habe das Treugut herauszugeben, dies seien hier die Stifterrechte.

Dem ist entgegen zu halten, dass der Treuhänder auf diese Stifterrechte nur verzichten (6 Ob 18/07a), sie im Hinblick auf § 3 Abs 3 PSG jedoch nicht dem Treugeber abtreten, also ihm „herausgeben“ könnte. Außerdem weist Arnold (aaO Rz 12) zutreffend darauf hin, dass nach der genannten Bestimmung eine Auflösung der Treuhandschaft mit damit verbundener Übertragung der Stifterstellung nicht möglich ist; dieselben Gründe, die gegen den nachträglichen Erwerb einer Stifterstellung sprechen, stehen daher auch einer Übertragung der stiftungsrechtlichen Stifterstellung auf einen Treugeber entgegen.

4. Damit war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen. Einer weiteren Auseinandersetzung mit den Überlegungen des Rekursgerichts, dass „jedenfalls“ bei Begründung des Treuhandverhältnisses dieselben Formvorschriften eingehalten hätten werden müssen, wie sie für die Errichtung der Privatstiftung verlangt werden (Notariatsakt), bedarf es nicht.

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