OGH 8ObS14/11h

OGH8ObS14/11h30.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Richard Warnung und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J***** L*****, vertreten durch Dr. Peter Schaden und Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei IEF-Service GmbH, *****, wegen Insolvenz-Entgelt (12.224 EUR netto), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Mai 2011, GZ 7 Rs 23/11y-23, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1 Mit seinen Ausführungen zur behaupteten „Nichterledigung der Tatsachenrüge mit aktenwidriger Begründung“ vermag der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Eine Aktenwidrigkeit besteht nur bei einem Widerspruch zur Aktenlage (RIS-Justiz RS0043284).

Die Feststellung des Erstgerichts, der Geschäftsführer der späteren Schuldnerin habe dem Kläger ein Angestelltenverhältnis angeboten, wurde vom Berufungsgericht nicht übernommen.

Mit der Aussage, dass für ihn eine unselbständige Beschäftigung niemals ein Thema gewesen sei, erklärte der Kläger, warum er im Laufe der Tätigkeit für die spätere Schuldnerin keine Intentionen zeigte, von sich aus auf ein unselbständiges Dienstverhältnis zu dringen. Diese Aussage bezog sich keineswegs nur auf den Zeitraum, ab dem sich „das Beschäftigungsverhältnis des Klägers zur Schuldnerin zu einem echten Arbeitsvertrag gewandelt habe“. Schon nach dem Vorbringen des Klägers lagen während der gesamten Dauer des Dienstverhältnisses zur späteren Schuldnerin (ab Juli 2006) die Merkmale eines unselbständigen Dienstverhältnisses vor. Der Hinweis des Klägers, dass es als selbständiger Unternehmer leichter sei, eine Arbeit zu finden, war allgemein gehalten und bezog sich auch auf den Fall einer allfälligen Beendigung der Tätigkeit bei der Schuldnerin. Das Berufungsgericht hat die Aussage des Klägers somit zutreffend wiedergegeben.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass für die vom Kläger begehrte Ersatzfeststellung, wonach er die korrekte Behandlung seines Arbeitsverhältnisses begehrt habe, keine Beweisergebnisse vorliegen würden, betrifft die in dritter Instanz nicht mehr bekämpfbare Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0043371). Das Gleiche gilt für die Ausführungen zu der vom Kläger bekämpften Negativfeststellung betreffend die angebliche Nötigung zur Falschaussage gegenüber der Gebietskrankenkasse.

1.2 Auch mit dem behaupteten sekundären Feststellungsmangel gelingt es dem Kläger nicht, die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision zu begründen. Mit Rücksicht auf die Feststellungen des Erstgerichts zum Kenntnisstand des Klägers über die Qualifikation seines Beschäftigungsverhältnisses hat das Berufungsgericht zutreffend festgehalten, dass er keine gesetzmäßige Beweisrüge erhoben habe und ein sekundärer Feststellungsmangel nicht vorliege.

2.1 Soweit der Kläger seinen rechtlichen Überlegungen nur den von ihm gewünschten Sachverhalt zugrunde legt, ist die außerordentliche Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt.

2.2 Die Grundsätze zur sittenwidrigen Geltendmachung von Insolvenzentgelt durch vorsätzliche Schädigung des Fonds aufgrund einer ungewöhnlichen Vertragsgestaltung hat das Berufungsgericht zutreffend dargelegt. Dementsprechend ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ein Sittenwidrigkeitsurteil unter anderem dann gerechtfertigt, wenn durch die ungewöhnliche Vertragskonstruktion eine Ausbeutungssituation geschaffen wird und der Arbeitnehmer in einer einem Fremdvergleich nicht standhaltenden Weise entweder die Konstruktion bewusst zu seinem Vorteil beeinflusst oder aber die Ausbeutungssituation bewusst in Kauf genommen hat, ohne geeignete und zumutbare Gegenmaßnahmen zu ergreifen (8 ObS 2/11v mwN).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Anlassfall durch die Vorinstanzen erweist sich als nicht korrekturbedürftig. Der Kläger hat die Wahl des vertraglichen Mittels aus Eigeninitiative und Eigeninteresse bewusst mitbestimmt und mitgetragen. Schon vor den finanziellen Schwierigkeiten der späteren Schuldnerin hätte er in zumutbarer Weise versuchen können, die korrekte Abwicklung seines Beschäftigungsverhältnisses entsprechend den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten zu erreichen. Darüber hinaus hätte er anlässlich seiner förmlichen Einvernahme gegenüber der Gebietskrankenkasse die wahren Gegebenheiten schildern und von einer Falschaussage Abstand nehmen müssen. Darauf, dass er vom Geschäftsführer der späteren Schuldnerin zur Falschaussage genötigt worden sei, kann er sich nicht berufen. Nach den Feststellungen hatte er bis 20. 11. 2009 immer noch keinen Nachversicherungsantrag gestellt.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das Verhalten des Klägers halte einem Fremdvergleich nicht stand, sodass sich die Geltendmachung von Insolvenzentgelt als rechtsmissbräuchlich erweise, ist somit ohne weiteres vertretbar.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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