Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall.
Die Klägerin stand seit 14. 10. 1991 als Hausarbeiterin in einem vertraglichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien. Mit Schreiben der Beklagten vom 19. 5. 2009 wurde die Klägerin entlassen. Auf das Dienstverhältnis der Klägerin fanden die Vertragsbedienstetenordnung 1995 (VBO 1995), LGBl 1995/50, und das Wiener Personalvertretungsgesetz (W-PVG), LGBl 1985/49, Anwendung.
Die Klägerin ficht die vorliegende Entlassung mangels Rechtfertigung und wegen Sozialwidrigkeit gemäß §§ 105, 106 ArbVG an. In der Revision macht sie geltend, dass der Kündigungsschutz des ArbVG neben dem W-PVG ergänzend anwendbar sei, und verweist darauf, dass die Bestimmungen des II. Teils des ArbVG gemäß § 33 Abs 1 ArbVG für Betriebe aller Art gelten. § 33 Abs 2 ArbVG enthalte keinen Vorbehalt, dass das ArbVG nicht zur Anwendung komme, wenn ein Land ein Personalvertretungsgesetz erlassen habe.
Richtig ist, dass der Wortlaut des § 33 Abs 2 Z 2 ArbVG zwar Behörden, Ämter und sonstige Verwaltungsstellen der Gemeinden von der Anwendung der Bestimmungen des II. Teils ausschließt, nicht jedoch die Betriebe der Gemeinden. In diesem Zusammenhang ist aber die besondere verfassungsrechtliche Kompetenzlage bei Gemeindebediensteten zu beachten. Seit der Änderung des Art 21 B-VG durch die B-VG-Novelle 1981, BGBl 1981/350, obliegt den Ländern unter anderem die Gesetzgebung in den Angelegenheiten des Personalvertretungsrechts der Gemeinden, und zwar auch dann, wenn sie in Betrieben tätig sind. Gemäß Art III Abs 1 der B-VG-Novelle 1981 blieben bundesgesetzliche Vorschriften in Angelegenheiten, die gemäß Art 21 Abs 2 B-VG in die Zuständigkeit der Länder fallen, als Bundesgesetze solange in Kraft, als nicht eine vom betreffenden Land erlassene Regelung der Angelegenheiten in Kraft getreten ist.
Das ArbVG kam somit in den einzelnen Ländern nur solange zur Anwendung, als die Länder keine entsprechenden Personalvertretungsgesetze für die Gemeindebediensteten erlassen haben. Wurde hingegen ein eigenes Gemeinde-Personalvertretungsgesetz durch den Landesgesetzgeber beschlossen, so kann dieses nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nicht durch einzelne Bestimmungen des ArbVG ergänzt werden (Rebhahn/Kietaibl in Tomandl, ArbVG § 33 Rz 3; Windisch-Graetz in ZellKomm, ArbVG § 33 Rz 3; Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, ArbVG4 § 33 Erl 4; 9 ObA 90/87; 9 ObA 151/08h, ZAS 2010/14 [Kühteubl]; RIS-Justiz RS0125258 ua). Dies ist in Wien seit der Erlassung des Wiener Personalvertretungsgesetzes (W-PVG) der Fall.
Die Revisionswerberin setzt sich mit den kompetenzrechtlichen Fragen nicht näher auseinander, sondern lehnt die vorstehend zitierte Rechtsprechung pauschal als „verfehlt“ ab. Einen überzeugenden Grund, weshalb der Oberste Gerichtshof von seiner bisherigen Rechtsprechung, mit der der Kompetenzbestimmung des Art 21 B-VG durch verfassungskonforme Auslegung des § 33 ArbVG Rechnung getragen wird, abgehen sollte, zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Soweit sie argumentiert, dass der Landesgesetzgeber aufgrund des aus § 3 ArbVG ableitbaren Günstigkeitsprinzips nicht das ArbVG „aufheben“ dürfe, ist sie auf den bereits erwähnten Art III Abs 1 der B-VG-Novelle 1981 zu verweisen. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin hob danach nicht der Landesgesetzgeber Bundesrecht auf, sondern der Bundesverfassungsgesetzgeber normierte, dass die bundesgesetzlichen Vorschriften in Angelegenheiten, die gemäß Art 21 Abs 2 B-VG in die Zuständigkeit der Länder fallen, als Bundesgesetze nur solange in Kraft bleiben, als nicht eine vom betreffenden Land erlassene Regelung der Angelegenheiten in Kraft getreten ist.
Soweit die Revisionswerberin die mangelnde Möglichkeit der Anfechtungsklage nach dem auf das Dienstverhältnis der Klägerin anwendbaren Wiener Landesrecht beklagt, ist sie darauf zu verweisen, dass die Schaffung unterschiedlicher Ordnungssysteme grundsätzlich im Gestaltungsspielraum des jeweils zuständigen Gesetzgebers liegt (vgl 9 ObA 149/07p mwN ua). Durch die Bindung des Dienstgebers an Kündigungsgründe (siehe § 42 Abs 2 Wiener VBO 1995) wird aber ohnehin ein Äquivalent zum sonst der Belegschaftsvertretung nach § 105 Abs 3 bis 6 ArbVG zustehenden Recht auf Anfechtung der Kündigung eingeräumt (vgl 8 ObA 204/99d ua). Das Dienstverhältnis wird in diesem Fall auch nicht durch eine ungerechtfertigte Entlassung beendet (RIS-Justiz RS0029163 [T1] ua). Der Fortbestand des Dienstverhältnisses ist mit Feststellungsklage geltend zu machen (9 ObA 80/05p ua), die sich die Klägerin in erster Instanz allerdings bloß vorbehalten hatte.
Verneint man die Anwendbarkeit der Bestimmungen des II. Teils des ArbVG auf das Dienstverhältnis der Klägerin zur Beklagten, dann kommt eine Klage auf Anfechtung der Entlassung gemäß §§ 105, 106 ArbVG nicht in Betracht. Soweit sich die Revisionswerberin darauf beruft, dass das Anfechtungsbegehren der Klägerin als (feststellendes) Begehren auf „Fortbestehen des Dienstverhältnisses“ zu verstehen gewesen wäre, zeigt sie keine erhebliche Rechtsfrage auf:
Richtig ist, dass ein Klagebegehren so zu verstehen ist, wie es im Zusammenhalt mit der Klageerzählung vom Kläger gemeint ist. Ein nur versehentlich unrichtig formuliertes Klagebegehren ist daher von Amts wegen richtig zu fassen (RIS-Justiz RS0037440 ua). Fragen der Auslegung des Vorbringens sind stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründen regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042828 ua). Auch damit im Zusammenhang stehende gerichtliche Erörterungen und die Beurteilung, inwieweit der Kläger auf einer bestimmten Fassung seines Klagebegehrens beharrt und daher kein bloßes Versehen vorliegt, hängen von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Das Berufungsgericht verwies zu diesem Thema darauf, dass die Fassung des gegenständlichen Klagebegehrens („Anfechtung einer Entlassung nach §§ 105, 106 ArbVG“) bereits in erster Instanz Gegenstand von Erörterungen war, wobei sich die Klägerin bei der gerichtlichen Protokollierung ihrer befristeten Anfechtungsklage ausdrücklich die künftige Stellung eines Begehrens auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses wegen Nichtvorliegens von Kündigungs- oder Entlassungsgründen nach der Wiener VBO vorbehielt. Auf die erstgerichtliche Erörterung, dass im vorliegenden Fall die Anwendbarkeit des ArbVG fraglich erscheine, reagierte die rechtsanwaltlich vertretene Klägerin weder mit einem weiteren Vorbringen noch mit einer Anpassung ihres Klagebegehrens. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass hier nicht von einem bloßen Versehen bei der Fassung des Klagebegehrens gesprochen werden könne, weshalb keine amtswegige Anpassung des Klagebegehrens in Betracht gekommen sei, ist nach der Lage des Falls vertretbar. Auch in der Revision liegt der Schwerpunkt des Vorbringens der Klägerin nicht auf einem allfälligen Versehen bei der Fassung des Klagebegehrens, sondern auf der Betonung der Zulässigkeit der Anfechtungsklage nach dem ArbVG unter ausdrücklicher Ablehnung der bisherigen einschlägigen Rechtsprechung.
Zusammenfassend ist die außerordentliche Revision der Klägerin mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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