OGH 5Ob161/11d

OGH5Ob161/11d25.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Erwin S*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Dr. Peter Mardetschläger und Mag. August Schulz, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei Anna S*****, vertreten durch Dr. Georg Uher, Rechtsanwalt in Mistelbach, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 21. Juni 2011, GZ 23 R 73/11i-26, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der beklagten (und widerklagenden) Partei (folgend nur: Beklagte) ist (nur) dahin zuzustimmen, dass nach bereits vorliegender Rechtsprechung die in einem Berufungsurteil enthaltene unrichtige Wiedergabe der Feststellungen des Erstgerichts eine Aktenwidrigkeit begründen kann (RIS-Justiz RS0116014). Diese wäre aber gegebenenfalls dadurch zu bereinigen, dass das Revisionsgericht die tatsächlichen Feststellungen seiner rechtlichen Beurteilung unterzieht. Überdies kann nur eine für das Urteil wesentliche Aktenwidrigkeit den Revisionsgrund nach § 503 Z 3 ZPO bilden (RIS-Justiz RS0043265). Letzteres ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil selbst das Erstgericht den von der Beklagten in der Revision relevierten - genauen - Zeitpunkt des Beginns der ehewidrigen Beziehung der klagenden und widerbeklagten Partei (folgend nur: Kläger), nämlich im „Herbst 2009, vor Weihnachten 2009 oder kurz darauf“ als rechtlich irrelevant dahingestellt ließ (Ersturteil S 14). Wenn dann das Berufungsgericht - ebenfalls ohne den exakten Zeitpunkten rechtliche Relevanz beizumessen - ausführte, dass der Kläger jene Frau, mit der er in der Folge eine ehebrecherische Beziehung eingegangen ist, im November 2009 kennengelernt und mit ihr um die Weihnachtszeit eine sexuelle Beziehung begonnen habe, dann ist darin jedenfalls kein entscheidungswesentliches Abweichen von den erstgerichtlichen Feststellungen zu erkennen. Dass letztlich diese ehebrecherische Beziehung des Klägers die schon bestandene, wohl bereits (sehr) weitgehende Zerrüttung der Ehe der Streitteile zur unheilbaren machte, davon sind beide Vorinstanzen übereinstimmend ausgegangen. Eine entscheidungswesentliche Aktenwidrigkeit liegt somit nicht vor.

2. Die Verschuldenszumessung bei der Scheidung erfolgt nach den Umständen des Einzelfalls und kann daher - von Fällen einer unvertretbaren Beurteilung abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage begründen (RIS-Justiz RS0119414). Eine solche Fehlbeurteilung ist hier den Vorinstanzen - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht unterlaufen, insbesondere liegt kein Abweichen von bestehender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, namentlich von der zu einem - nur vermeintlich - vergleichbaren Sachverhalt ergangenen Entscheidung 7 Ob 284/08b (EF-Z 2010/43 [Höllwerth]), vor. Der zuvor genannten Entscheidung lag nämlich ein Sachverhalt zugrunde, nach dem für die dort Beklagte der Auszug des Klägers überraschend gekommen war und die Beklagte die Differenzen mit dem Kläger bis dahin als nicht so belastend und keinesfalls als ehezerrüttend empfunden hatte. Der Auszug des Klägers und folgend dessen ehewidrige Beziehung galten deshalb dort als entscheidende Beiträge zur letztlich eingetretenen unheilbaren Zerrüttung der Ehe und waren Grund für die Annahme des überwiegenden Verschuldens des dortigen Klägers. Hier aber gab es zwischen den Streitteilen insbesondere seit 2008 immer wieder beiden Parteien zuzurechnende Auseinandersetzungen sowie Bösartigkeiten, nicht zuletzt auch eine körperliche Misshandlung des Klägers durch die Beklagte und bereits seit August 2007 keinen Geschlechtsverkehr mehr. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen hatte der Zerrüttungsprozess schon vor mehreren Jahren eingesetzt und die eheliche Gesinnung war bereits „sehr abgeschwächt“, als die Zerrüttung der Ehe infolge der ehewidrigen Beziehung des Klägers letztlich „unheilbar“ wurde. Wenn die Vorinstanzen unter diesen spezifischen Umständen dennoch kein überwiegendes Verschulden des Klägers erkannten, sondern vom gleichteiligen Verschulden beider Ehegatten ausgingen, dann liegt darin jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof als unvertretbar aufzugreifende Verschuldensabwägung.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision somit unzulässig und zurückzuweisen.

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