OGH 1Ob90/11h

OGH1Ob90/11h26.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Christa K*****, 2.) Johannes S*****, beide Bundesrepublik Deutschland, beide vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen 10.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 19. Oktober 2010, GZ 37 R 303/10y-18, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 2. Juni 2010, GZ 19 C 419/09z-13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 816,50 EUR (darin enthalten 136,08 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger sind die gesetzlichen Erben des am 16. 11. 2006 verstorbenen Günter Josef K***** und haben im Verlassenschaftsverfahren nach ihm eine bedingte Erbserklärung abgegeben. Dieser war zusammen mit den Klägern nach der am 11. 4. 2001 verstorbenen Dietlinde K***** (als gesetzliche Erben) erbberechtigt. Zum Zeitpunkt der Abwicklung des Verlassenschaftsverfahrens nach Dietlinde K***** waren die erbberechtigten Angehörigen noch nicht bekannt.

Im Verlassenschaftsverfahren nach Dietlinde K***** gab eine Bekannte der Erblasserin unter Berufung auf ein mündliches Testament eine bedingte Erbserklärung ab. Die beklagte Republik Österreich bestritt in einer Stellungnahme vom 1. 2. 2002 die Rechtswirksamkeit dieser mündlichen Verfügung und schloss letztlich einen Vergleich ab, nach dem ihr die Testamentserbin 138.192,42 EUR als Abschlag für das Heimfallsrecht auszahlte. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass es nach der Verstorbenen doch erbberechtigte Angehörige gab, erklärte sich die beklagte Partei bereit, den ihr aus der Verlassenschaft zugekommenen Vergleichsbetrag an die Kläger auszuzahlen. Die beklagte Partei überwies 128.192,42 EUR an die Kläger und behielt 10.000 EUR für die Tätigkeit der Finanzprokuratur in der Verlassenschaftssache ein.

Die Kläger begehrten unter Berufung auf die Zusage der beklagten Partei die Zahlung des restlichen Betrags von 10.000 EUR.

Die beklagte Partei wendete ein, wegen ihres Einschreitens sei es zur Vereinbarung einer Abschlagszahlung für das Heimfallsrecht gekommen, wodurch die Kläger erst in den Genuss eines Teils des Nachlasses gelangen haben können. Die Frist zur Anfechtung des mündlichen Testaments durch die Kläger sei im Zeitpunkt deren Ausfolgungsantrags bereits abgelaufen gewesen, sodass ihr Einschreiten die nachträgliche Geltendmachung des gesetzlichen Erbrechts ermöglicht habe und daher zum Nutzen der Kläger erfolgt sei. Sie habe Anspruch auf Abgeltung ihres Aufwands im Verlassenschaftsverfahren.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die beklagte Partei habe ausschließlich im eigenen Interesse gehandelt, weswegen die Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag ausgeschlossen seien. Es sei keine Rechtsgrundlage ersichtlich, wonach die Kläger zur Leistung des klagsgegenständlichen Betrags verpflichtet gewesen wären, weswegen auch das Vorliegen eines Verwendungsanspruchs nach § 1042 ABGB zu verneinen sei. Nach § 331 ABGB seien nur jene Aufwendungen zu ersetzen, die der redliche Besitzer während seiner Besitzdauer auf die Sache gemacht habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ letztlich über Antrag der beklagten Partei nach § 508 ZPO die Revision zu, weil zur Frage, ob deren Einschreiten im Hinblick auf eine mögliche Verjährung des Rechts der gesetzlichen Erben zur Geltendmachung ihrer Ansprüche der Testamentserbin gegenüber eine nützliche Geschäftsführung darstelle, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Die Revision wendet sich ausschließlich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die beklagte Partei könne einen Anspruch auf den einbehaltenen Betrag weder aus notwendiger oder nützlicher Geschäftsführung noch aus § 331 ABGB ableiten, und macht geltend, dass die Kläger das (mündliche) Testament wegen Verjährung nicht mehr anfechten könnten, weswegen sie ohne ihr Einschreiten überhaupt keine Ansprüche mehr hätten.

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Allein der Umstand, dass eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu einem völlig gleichgelagerten Sachverhalt fehlt, bedeutet noch nicht, dass eine Rechtsfrage von der im § 502 Abs 1 ZPO umschriebenen erheblichen Bedeutung vorliegt (RIS-Justiz RS0110702).

Unter einer Geschäftsführung ohne Auftrag ist die eigenmächtige Besorgung der Angelegenheiten eines anderen in der Absicht, dessen Interessen zu fördern, zu verstehen (RIS-Justiz RS0019737; ähnlich 1 Ob 34/87 = SZ 60/235; RS0085741). Geschäftsführung ohne Auftrag wird zwar grundsätzlich auch in Fällen des Zusammentreffens von Eigen- und Fremdinteressen bejaht (Rummel in Rummel, ABGB³ § 1035 Rz 5 mit umfangreichen Judikaturnachweisen; RIS-Justiz RS0105636). Ist der für die Verfolgung fremder Interessen getätigte Aufwand aber von der eigenen Sphäre des Geschäftsführers nicht abtrennbar, scheidet Geschäftsführung ohne Auftrag aus (Koziol in KBB³ § 1035 Rz 5 mwN; Rummel aaO; RIS-Justiz RS0112478 [T3, 4]; RS0109200 [T7, T8], zuletzt 4 Ob 146/10i).

Die beklagte Republik hat im Verlassenschaftsverfahren die Gültigkeit des mündlichen Testaments bestritten und sich das behauptete Heimfallsrecht in einem Vergleich mit der Testamentserbin abgelten lassen. Dazu betont die Revisionswerberin selbst, dass es dadurch gelungen sei, den Vergleichsbetrag zu erlangen. Dass sie eigene Interessen verfolgte, ist somit unbestritten. Der damit verbundene Aufwand ist identisch mit jenem, von dem sie nunmehr behauptet, dass er in der Verfolgung von Interessen der wahren Erben angefallen sei. Schon daran scheitert eine Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag, sodass die Vorinstanzen einen darauf gestützten Anspruch der Beklagten zu Recht verneinten. Auf die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Frage kommt es daher nicht an.

Ist kein zur Erbfolge Berechtigter vorhanden oder erwirbt niemand die Erbschaft, fällt die Verlassenschaft als ein erbloses Gut dem Staat anheim (§ 760 ABGB). Wurden die abhandlungsrechtlichen Vorschriften eingehalten, hat der Staat auf der Basis der früheren Rechtslage die Stellung eines redlichen Erbschaftsbesitzers (RIS-Justiz RS0102752). § 824 Satz 1 und §§ 330, 331 ABGB schützen den redlichen Erbschaftsbesitzer (Weiß in Klang III², 1075). Gegenstand des Besitzes ist die Verlassenschaft als Gesamtheit der vererbbaren Rechte und Pflichten (§§ 531 f ABGB). Als Empfängerin einer Abschlagszahlung im Streit mit der testamentarischen Erbin ist der beklagten Partei nie die Rechtsposition einer (redlichen) Erbschaftsbesitzerin zugekommen. Auch mit ihrer nicht belegten (6 Ob 646/93 sagt zu dieser Frage nichts; OLG Wien 12 R 141/94 betraf den Fall eines tatsächlich ausgefolgten Nachlasses) Behauptung, sie habe wie ein redlicher Besitzer Anspruch auf Abgeltung ihrer in Verfolgung des Heimfallsrechts getätigten Aufwendungen, macht sie damit keine erhebliche Rechtsfrage geltend.

Die Revision erweist sich damit insgesamt als nicht zulässig und ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass deren Revisionsbeantwortung eine Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt.

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