OGH 12Os70/11b

OGH12Os70/11b5.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juli 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Varga als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz G***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Franz G***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. Jänner 2011, GZ 15 Hv 111/09b-104, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Franz G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Sylvester F***** enthält, wurde Franz G***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (1/a), des Vergehens des Handels mit psychotropen Stoffen nach § 31a Abs 1 (richtig:) fünfter Fall SMG (2) sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG (4) schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz und anderen Orten vorschriftswidrig

1) a) im Zeitraum Herbst 2006 bis 20. März 2009 Suchtgift in einer insgesamt das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er zumindest 17.500 Substitol-Kapseln á 200 mg (mit einer Reinsubstanz von ca 0,15 g Morphin pro Kapsel, US 9), 490 g Cannabiskraut und 12 g Kokain in unzähligen Angriffen an Michael K*****, Jana H*****, Eva S*****, Manfred Si*****, Kerstin O***** und Daniela M*****, größtenteils durch gewinnbringenden Verkauf, übergab,

2) einen psychotropen Stoff in einer die Grenzmenge (§ 31b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er ab Dezember 2008 bis 20. März 2009 im Tausch gegen Cannabiskraut zumindest 1.200 Stück Somnubene-Tabletten - und zwar mit dem Wirkstoff Flunitrazepam in einer solchen Konzentration, dass 400 Tabletten die Grenzmenge von 0,4 g erreichen, vgl US 7 - an Tanja Ho***** übergab;

4) am 20. März 2009 Suchtgift, und zwar zwei Stück Substitol-Kapseln á 200 mg (mit 0,15 g Morphin pro Kapsel, US 9) bis zur Sicherstellung besessen.

Der dagegen aus Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz G***** kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Offenbar unzureichend ist eine Begründung dann, wenn sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (vgl Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 46; Ratz WK-StPO § 281 Rz 444).

Der Wille zur Tatbildverwirklichung in Teilmengen, der auch den an die bewusst kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt umfasste (US 7 und 9), wurde von den Tatrichtern aus dem vom Beschwerdeführer zugestandenen Gewinnstreben abgeleitet (US 15). Entgegen dem Vorbringen der gegen die Schuldsprüche 1) a) und 2) gerichteten Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), sind diese, vom Beschwerdeführer übergangenen Erwägungen aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Nach den dem Schuldspruch 1) a) zugrunde liegenden Feststellungen enthielten 67 Stück der gegenständlichen Substitol-Kapseln die in der Suchtgift-Grenzmengenverordnung festgesetzte Grenzmenge von 10 g Morphin (US 9). Demnach enthielt eine der Substitol-Kapseln ca 0,15 g reines Morphin.

Mit Blick auf den in objektiver Hinsicht unangefochten gelassenen Verkauf von 1.850 Substitol-Kapseln an Michael K***** (US 2 iVm US 4), der einer mehr als das 27-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge entspricht und daher die Subsumtion (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG bereits allein trägt, spricht das Kerstin O*****, Daniela M***** und Jana H***** betreffende - nominell verfehlt auch im Rahmen der Rechtsrüge erstattete - Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) keine entscheidende Tatsache an (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399).

Im Übrigen sind die Vorwürfe auch unbegründet. Lediglich der Vollständigkeit halber wird auf diese eingegangen. Mit den Angaben der Zeuginnen Kerstin O***** und Daniela M***** hat sich das Erstgericht auseinandergesetzt und auch dargelegt, warum es den ursprünglichen Depositionen vor der Polizei folgte (US 11 f und 13). Soweit die Rüge berücksichtigte Beweisergebnisse lediglich eigenständig bewertet, verkennt sie den von einer Schuldberufung verschiedenen Anfechtungsrahmen. Indem der Beschwerdeführer einzelne Elemente der logisch und empirisch einwandfreien Argumentationskette der Tatrichter herausgreift und etwa die zur Rufdatenüberwachung bzw die zum Teilgeständnis angestellten Erwägungen des Schöffensenats ohne Bezugnahme auf die Depositionen der als glaubwürdig erachteten Zeugen isoliert bekämpft, unterlässt er die gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394). Mit dem Einwand, die polizeilichen Hochrechnungen seien von den Vernommenen nicht überprüft worden, orientiert sich die Mängelrüge nicht an den von § 281 Abs 1 Z 5 vorgegebenen Anfechtungskategorien (zur Auseinandersetzung der Tatrichter mit den Kerstin O***** betreffenden Hochrechnungen siehe US 11 f unten).

Die vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) der zu 1) a) und 2) getroffenen Urteilsannahmen findet sich auf US 9 bis 15.

Der zu 1) a) erhobene Vorwurf (Z 9 lit a) substanzlosen Gebrauchs der verba legalia (vgl Ratz, § 281 Rz 8) zur Feststellung der Willensausrichtung des Angeklagten bei der Überlassung der Suchtgiftmengen in Teilmengen bestreitet den vom Erstgericht durch Bezugnahme auf die detailliert dargestellten Suchtgiftverkäufe (US 5 ff) hergestellten Sachbezug (US 9) und entzieht sich damit einer meritorischen Erwiderung (RIS-Justiz RS0099810).

Weil dem Angeklagten keine Gewerbsmäßigkeitsqualifikation (§ 28a Abs 2 Z 1 SMG) angelastet wurde, vermisst die Rüge (der Sache nach Z 10) zu Unrecht darauf bezogene Feststellungen.

Welche über US 7 und 9 hinausgehenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite für die Subsumtion des Tatgeschehens unter § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG bzw unter § 31a Abs 1 (richtig:) fünfter Fall SMG erforderlich gewesen wären, legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht deutlich und bestimmt dar.

Die Forderung nach einer Feststellung der Berechnungsmethode entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Dass eine sukzessive Tatbestandsverwirklichung bei gleichzeitiger Annahme eines an die bewusst kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekts entgegen der ständigen Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0088096) dem Tatbestand des § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG nicht genüge, wird von der Subsumtionsrüge (Z 10) ohne methodische Ableitung aus dem Gesetz bloß behauptet.

Soweit der gegen das ganze Urteil gerichtete Aufhebungsantrag auch den Schuldspruch 4) erfasst, ist auf die Beschwerde keine Rücksicht zu nehmen, weil der Nichtigkeitswerber insofern weder bei der Anmeldung noch im Rahmen der Ausführung der Beschwerde Nichtigkeitsgründe einzeln und bestimmt bezeichnete (§ 285 Abs 1 zweiter Satz iVm § 285a Z 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Anzumerken bleibt, dass mit der Ausfertigung des Urteils ohne gesetzliche Grundlage jene des Beschlusses auf Hinterlegung eines Sparbuchs verbunden wurde (US 3 und 16).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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