OGH 3Ob83/11v

OGH3Ob83/11v9.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Helmut Heiger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Hornek Hubacek Lichtenstrasser Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 12. Oktober 2010, GZ 44 R 378/10d-31, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 28. April 2010, GZ 2 C 16/09w-22, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

In teilweiser Stattgebung der von der Oppositionsbeklagten erhobenen Berufung änderte das Berufungsgericht das Ersturteil dahin ab, dass es aussprach, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten ab 1. Jänner 2009 bis auf Weiteres in dem 619 EUR übersteigenden Umfang erloschen ist. In Ansehung der Unterhaltszeiträume Oktober 2008 bis Dezember 2008 bestätigte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichts, das den Anspruch hinsichtlich eines 1.046 EUR übersteigenden Rückstands für die Monate Oktober und November 2008 und den Unterhaltsanspruch für Dezember 2008 in einem 693 EUR monatlich übersteigenden Betrag für erloschen erklärte.

Über Zulassungsbeschwerde der Oppositionsbeklagten erklärte das Berufungsgericht nachträglich die ordentliche Revision mit der Begründung für zulässig, dass es seine rechtliche Beurteilung auf eine unrichtige Wiedergabe erstinstanzlicher Feststellungen zur Unterhaltsbemessungsgrundlage des Klägers gestützt habe.

Der Kläger, dem vom Berufungsgericht die Erstattung der Revisionsbeantwortung freigestellt wurde, beteiligte sich am Revisionsverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Grundsätzlich zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass dem Berufungsgericht insofern ein Fehler unterlaufen ist, als es irrtümlich die der Beklagten ausbezahlte Pension zur Bemessungsgrundlage des unterhaltspflichtigen Klägers hinzurechnete, dafür aber ebenfalls unrichtig ab Jänner 2009 Pensions- und Krankenversicherungsbeiträge von der Bemessungsgrundlage abzog, obwohl aus dem Gesamtzusammenhang der erstgerichtlichen Feststellungen in Verbindung mit der eingeholten Dienstgeberauskunft (ON 20) ersichtlich ist, dass diese Zahlungen vom (ehemaligen) Dienstgeber des Klägers geleistet wurden.

Allerdings wirkt sich dieser dem Berufungsgericht unterlaufene Verfahrensmangel nicht nachteilig für die Beklagte aus:

1. Das tatsächlich verfügbare monatliche Einkommen des Klägers betrug bis Dezember 2008 1.638,50 EUR (2.660,85 EUR brutto abzüglich 1.022,35 EUR Pensionsversicherung) und ab Jänner 2009 1.467,59 EUR monatlich. Die Beklagte bezog 2008 eine Eigenpension von monatlich 306 EUR und 2009 von monatlich 316 EUR.

2. Unter Anrechnung der vom Kläger bezogenen Abfertigung (gesetzliche Abfertigung 53.529,58 EUR und 25.212,54 EUR laut Sozialplan) auf die statistische Restlebensdauer des Klägers läge der der Beklagten zustehende gesetzliche Unterhalt (Unterhaltsverpflichtung des gemäß § 55 EheG iVm § 61 Abs 3 EheG schuldig geschiedenen Klägers 40 % des Nettogesamteinkommens der Streitteile abzüglich des Eigeneinkommens der Beklagten; s dazu Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR (2011) § 94 ABGB Rz 209, 215 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung) noch unter dem vom Berufungsgericht ermittelten Betrag. Dies blieb vom Kläger unangefochten.

3. Die in der Revision gegen die vom Berufungsgericht gewählte Anrechnungsmethode vorgetragenen Argumente zeigen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

3.1 Bei der Einbeziehung einer Abfertigung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage kommt es auf die Umstände des konkreten Einzelfalls an (RIS-Justiz RS0047428 [T1]). Eine Aufteilung des Gesamtbetrags auf jenen Zeitraum, der den in der Abfertigung enthaltenen Monatsentgelten entspricht, kann ebenso gerechtfertigt sein wie eine Zuschussrechnung zur Erhaltung des früheren monatlichen Durchschnittseinkommens oder schlechthin die Verteilung auf ein Jahr oder auf einen sonstigen längeren Zeitraum bis hin zu einem Zeitraum, der der statistischen Lebenserwartung des Unterhaltspflichtigen entspricht (7 Ob 211/02h mwN). Welcher Zeitraum dabei angemessen ist, richtet sich nach den Lebensverhältnissen der Beteiligten und den Umständen des Einzelfalls (7 Ob 186/08s mwN).

3.2 Angesichts der festgestellten Lebensverhältnisse des Klägers, der bis zu seinem voraussichtlichen Pensionsantritt aufgrund der „Hacklerpension“ im Jahr 2012 auch unter Zugrundelegung der richtigen Bemessungsgrundlage über nicht unbeträchtliche Überbrückungsleistungen verfügt, ist die Vorgangsweise des Berufungsgerichts, nicht nur die Abfertigung aus dem Sozialplan, sondern auch die gesetzliche Abfertigung auf die statistische Restlebenserwartungsdauer des Klägers aufzuteilen, nicht zu beanstanden: Bei wirtschaftlicher Betrachtung und unter Einbeziehung der Erfahrungen des täglichen Lebens ist davon auszugehen, dass die Gesamtabfertigung vom Kläger - dessen Pensionshöhe aufgrund der „Hacklerpension“ nicht feststeht - nicht als Überbrückungsleistung, sondern dazu verwendet wird, auf Dauer einen höheren Lebensstandard - von dessen Kontinuität letztlich auch die unterhaltsberechtigte Beklagte profitiert - zu sichern. Dabei ist hervorzuheben, dass in Ansehung der Abfertigung von einer „Überbrückungshilfe“ hier schon deshalb nicht ausgegangen werden kann, weil keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger auf den Arbeitsmarkt zurückkehren wird.

3.3 Ob nach Abschluss eines Unterhaltsvergleichs bei Änderung der Verhältnisse die im Vergleich festgelegte Relation zwischen Einkommenshöhe und Unterhaltshöhe beibehalten werden soll oder die Neubemessung völlig losgelöst von der vergleichsweisen Regelung erfolgen soll, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und wirft - von einer hier nicht vorliegenden krassen Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage auf. Ändern sich mehrere Bemessungsparameter, ist regelmäßig mit einer von den Vergleichsrelationen losgelösten Neubemessung des Unterhalts vorzugehen (2 Ob 253/08g; 2 Ob 90/09p ua). Hier hat sich nicht nur das Einkommen des Klägers, sondern auch jenes der Beklagten geändert. Unter diesen Umständen hält sich die vom Berufungsgericht vorgenommene Neubemessung des der Beklagten zustehenden Unterhaltsanspruchs im Rahmen der wiedergegebenen Rechtsprechungsgrundsätze. Dass aber eine Neubemessung des Unterhaltsanspruchs losgelöst von der zugrundeliegenden Vereinbarung auch dazu führt, dass eine ursprünglich vereinbarte Wertsicherung nicht zu berücksichtigen ist, ist Konsequenz der Neubemessung des Unterhalts.

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