OGH 8Ob74/10f

OGH8Ob74/10f25.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** S*****, als Masseverwalter im Konkurs der S*****gesellschaft m.b.H., *****, gegen die beklagte Partei W***** S*****, vertreten durch Dr. Lindmayr, Dr. Bauer und Dr. Secklehner, Rechtsanwälte in Liezen, wegen 116.886,10 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. März 2010, GZ 6 R 3/10v-50, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 12. November 2009, GZ 8 Cg 3/08z-40, sowie ein Teil des vorangegangenen Verfahrens für nichtig erklärt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu berücksichtigen.

Text

Begründung

Am 2. 10. 2007 brachte die S*****gesellschaft m.b.H. beim Erstgericht Klage auf Zahlung von 116.886,10 EUR samt Anhang ein, die sich auf Schadenersatz wegen vom Beklagten angeblich mangelhaft erbrachter Werkleistungen gründete.

Wegen Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Klägerin am 20. 3. 2008 fasste das Erstgericht einen Beschluss nach § 7 Abs 1 IO. Über Antrag des Rekurswerbers wurde das Verfahren in der Folge mit ihm als Masseverwalter im Konkurs der klagenden Partei wieder aufgenommen.

Der Beklagte bestritt die Aktivlegitimation des Masseverwalters, weil die Gemeinschuldnerin die Klagsforderung noch vor Konkurseröffnung verkauft habe. Die Forderung sei daher nicht Bestandteil der Masse, davon abgesehen könne schuldbefreiende Zahlung nur mehr an die Käuferin gefordert werden. Der Masseverwalter stellte daraufhin den Forderungsübergang außer Streit und änderte das Klagebegehren in der Tagsatzung vom 21. 9. 2009 dahin, dass nunmehr Leistung des Klagsbetrags an die Forderungskäuferin begehrt werde. Die Veräußerung der streitverfangenen Forderung habe jedoch keinen Einfluss auf seine Aktivlegitimation als Masseverwalter.

Das Erstgericht gab dem modifizierten Klagebegehren statt. Der Masseverwalter sei nach Eintritt in das Verfahren zur Geltendmachung der Forderung nach § 234 ZPO weiterhin aktiv legitimiert, auf den Zeitpunkt des Forderungskaufs komme es nicht an.

Das Berufungsgericht führte aus Anlass des Rechtsmittels des Beklagten Erhebungen zur Feststellung einer allfälligen Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 5 ZPO durch und ging aufgrund der eingeholten Stellungnahmen im angefochtenen Beschluss davon aus, dass der Kaufvertrag über die Klagsforderung zwischen der späteren Gemeinschuldnerin und der Käuferin bereits vor der Eröffnung des Konkurses am 20. 3. 2009 abgeschlossen wurde. Es hob das erstinstanzliche Urteil und das ihm zugrundeliegende Verfahren ab dem Eintritt des Masseverwalters als nichtig auf und verwies die Rechtssache zur Fortsetzung des Verfahrens mit der ursprünglich klagenden Gemeinschuldnerin an das Erstgericht zurück.

Zusammenfassend führte das Berufungsgericht aus, die Klagsforderung sei wegen des Verkaufs vor der Konkurseröffnung nie zu einem Bestandteil der Konkursmasse geworden, sodass dem Masseverwalter die Befugnis zur Prozessführung gefehlt habe. Ein Sanierungsversuch nach § 6 Abs 2 ZPO sei in diesem Fall nicht durchzuführen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei aber zulässig, weil keine einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Sanierbarkeit des Mangels der Prozessführungsbefugnis des Masseverwalters aufzufinden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Beklagten beantwortete Rekurs des Masseverwalters, mit dem die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses angestrebt wird, ist zulässig, weil sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts als korrekturbedürftig erweist (vgl auch Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 519 ZPO Rz 46). Der Rechtsmittelausschluss des § 6 Abs 3 ZPO kommt entgegen den Ausführungen der beklagten Partei nicht zum Tragen, weil das Rekursverfahren keine der in § 6 Abs 2 ZPO genannten gerichtlichen Verfügungen betrifft. Der Rekurs ist auch berechtigt.

Die Veräußerung einer in Streit verfangenen Sache oder Forderung hat auf einen anhängigen Prozess nach § 234 ZPO keinen Einfluss. Diese Bestimmung dient sowohl auf Klags- wie auch auf Beklagtenseite dem Schutz der Gegenseite des Veräußerers vor einem Verlust effektiven Rechtsschutzes und einem Wertloswerden des bisherigen Verfahrensaufwands sowie der Vermeidung von ungerechtfertigten Mehrfachprozessen (Klicka in Fasching/Konecny² III § 234 ZPO Rz 3). Die Anordnung, dass die Veräußerung der Sache oder Forderung keinen Einfluss auf den Prozess habe, bedeutet, dass das Gesetz sie für die Beurteilung der Aktivlegitmation ausblendet; § 234 ZPO überspielt hinsichtlich der Sachlegitimation des Veräußerers das materielle Recht und begründet eine gesetzliche Prozessstandschaft. Für alle anderen Anspruchsvoraussetzungen bleibt es hingegen bei der Maßgeblichkeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz. Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft des vom Veräußerer erstrittenen Verfahrensergebnisses erstrecken sich notwendigerweise auch auf den Erwerber der Sache oder Forderung (Klicka aaO, § 234 ABGB Rz 4).

Die Wirkungen der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Partei (§§ 6 ff IO), insbesondere ob der Gemeinschuldner selbst oder an dessen Stelle der Masseverwalter im Verfahren aufzutreten hat, sind von den Gerichten grundsätzlich in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beurteilen. Im Zweifel gilt, dass Ansprüche, von denen unklar ist, ob sie zur Masse gehören, vom Insolvenzverwalter vorläufig als Massebestandteile zu behandeln sind (§ 97 Abs 1 IO; Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht4 § 1 Rz 122). So lange die rechtliche Eigenschaft der Forderung iSd § 6 Abs 3 IO zweifelhaft ist, muss die Prozessführungsbefugnis des Masseverwalters im Interesse der Rechtssicherheit bejaht werden. Das mit dem Masseverwalter abgeführte Verfahren ist nur dann nichtig, wenn in materiellrechtlicher Hinsicht offenkundig ist, dass die geltend gemachte Forderung die Masse nicht berührt (4 Ob 27/98m; 1 Ob 159/01s - Auslandsvermögen; vgl auch Schubert in Konecny/Schubert, InsG § 6 Rz 12, 54, 60, § 7 Rz 27).

Ohne den Verkauf der klagsgegenständlichen Forderung wäre diese Bestandteil der Konkursmasse geworden. Da nach § 234 ZPO im bereits anhängigen Verfahren die Rechtsnachfolge auszublenden ist, bedeutet dies, dass der Gemeinschuldner in seiner prozessualen Stellung als Kläger weiter so zu behandeln ist, wie er ohne Forderungsverkauf zu behandeln gewesen wäre. Wäre die veräußerte Forderung Bestandteil der Masse gewesen, begründet dieser Umstand jedenfalls so lange die Prozessführungsbefugnis des Masseverwalters, als die Rechtsverfolgung nicht dem Gemeinschuldner nach § 119 Abs 5 IO überlassen wurde.

Die Prozessführungsbefugnis des Masseverwalters auf Klagsseite im Fall des § 234 ZPO findet ihre sachliche Rechtfertigung schließlich darin, dass der für die prozessverfangene Forderung eingenommene Kaufpreis an ihrer Stelle zum aktiven Bestandteil der Masse geworden ist. Die Erzielung eines stattgebenden Urteils im Aktivverfahren dient daher nicht nur der stellvertretenden Durchsetzung der Rechte des Erwerbers, sondern mittelbar auch der Verteidigung der Masse gegen Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüche des Erwerbers.

In Stattgebung des Rekurses war der angefochtene Beschluss daher ersatzlos aufzuheben. Das Berufungsgericht wird das Verfahren weiterhin mit dem Masseverwalter fortzusetzen und über die Berufung der beklagten Partei zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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