OGH 3Ob6/11w

OGH3Ob6/11w13.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Florian Mitterbacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei B*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Martin Meier Rechtsanwalts-GmbH in Graz, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO; Streitwert 206.344,15 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 1. Dezember 2010, GZ 4 R 285/10v-27, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Wolfsberg vom 7. April 2010 (ausgefertigt am 17. Juni 2010), GZ 3 C 203/09d-23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin errichtete für die Beklagte eine Biomasseförderungsanlage um 6.888.530 EUR mit einem vereinbarten Haftrücklass von 10 %, für den eine Bankgarantie gegeben und auch abgerufen wurde. In insgesamt vier Schiedsverfahren ging es um Mängel der Anlage. Im dritten Schiedsverfahren wurden der Beklagten 206.344,15 EUR an Sanierungskosten zugesprochen, die exekutiv betrieben werden. Dagegen richtet sich die Oppositionsklage, gestützt auf eine Aufrechnung mit dem Anspruch der Klägerin auf den Haftrücklass (Zahlung der abgerufenen Bankgarantie). Die Vorinstanzen wiesen das Oppositionsbegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Der klagenden Partei gelingt es nicht, mit ihren Revisionsausführungen eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:

1. Es entspricht ständiger Judikatur zu § 35 Abs 1 EO, dass es bei Prüfung der Frage, ob von den Einwendungen im vorausgegangenen Verfahren nicht wirksam Gebrauch gemacht werden konnte, nicht auf die subjektiven Gründe ankommt, aus denen die Erlöschungsgründe des geltend gemachten Anspruchs nicht vorgebracht wurden, sondern darauf, ob ihre Verwendung objektiv aus verfahrensrechtlichen Gründen unmöglich war (RIS-Justiz RS0001416 [T2]). In einer Oppositionsklage können daher Gegenforderungen erhoben werden, wenn deren Geltendmachung im Titelverfahren nicht möglich war (RIS-Justiz RS0000786); es wird - unter wiederholter Ablehnung gegenteiliger Lehrmeinungen (vgl 3 Ob 290/05a = Zak 2006/414, 238 = ecolex 2006/355, 830) - gefordert, dass der Verpflichtete im Verfahren, welches zum Exekutionstitel führt, seine Kompensationsansprüche geltend macht (RIS-Justiz RS0000776 [T5]), woran weiter aus den schon mehrfach dargelegten Gründen festzuhalten ist. Auch schiedsgerichtliche Entscheidungen sind gerichtliche Entscheidungen iSd § 35 Abs 1 EO (RIS-Justiz RS0000765 [T3]).

2. Davon, dass der Klägerin die Geltendmachung einer Aufrechnung im Schiedsverfahren III prozessrechtlich nicht möglich gewesen sei, kann keine Rede sein:

In der Schiedsvereinbarung wurde die Anwendung der Regeln der ZPO auf den Schiedsprozess vereinbart (./1 Punkt 9.1). Der Klägerin stand daher die Erhebung einer Eventualaufrechnungseinrede iSd § 391 Abs 3 ZPO grundsätzlich frei, zumal seitens der Beklagten als Schiedsklägerin eine Geldleistungsklage erhoben wurde. Auch der Umstand, dass die Klägerin im Schiedsverfahren II die hier streitgegenständliche Gegenforderung (auf Bezahlung des Haftrücklasses) einklagte, dieses Schiedsverfahren bei Einleitung des Schiedsverfahrens III durch die Beklagte noch nicht beendet war und auch keine Verbindung der beiden Verfahren erfolgte, hinderte die Klägerin nicht an der Erhebung derselben Forderung im Weg der Eventualaufrechnungseinrede. Zwischen einer zur Aufrechnung eingewendeten Gegenforderung und einer selbständigen Klage zur Durchsetzung derselben Forderung besteht nämlich keine Streitanhängigkeit, sei es nun, dass die selbständige Klage zuerst eingebracht wurde oder zuerst die Kompensationseinrede und dann erst die Klage erhoben wurde (Mayr in Fasching/Konecny 2 § 233 ZPO Rz 16; RIS-Justiz RS0039174; 1 Ob 82/98k = RIS-Justiz RS0109746).

3.1. Das Berufungsgericht ist von der Fälligkeit des Anspruchs der Klägerin auf Bezahlung des Haftrücklasses schon während des Schiedsverfahrens III mit der Begründung ausgegangen, die Beklagte als Werkbestellerin habe schon bei dessen Einleitung die damit geltend gemachten gewährleistungs- oder garantiepflichtigen Mängel durch einen Dritten (infolge Verbesserungsverweigerung durch die Klägerin als Werkauftragnehmerin zu Recht) beseitigen lassen und das dafür erforderliche Deckungskapital begehrt; daher falle insoweit jeglicher Grund für die Einbehaltung eines Haftrücklasses weg.

Dieser Rechtsansicht tritt die Klägerin in der Revision im Wesentlichen nur damit entgegen, die Fälligkeit ihres nunmehr als Gegenforderung geltend gemachten Anspruchs sei erst mit der Entscheidung im Schiedsverfahren III eingetreten, in dem die Beklagte sämtliche ihr wider die Klägerin zustehenden Ansprüche (mit Ausnahme eines unter Verzicht darauf zurückgezogenen Anspruchs) erhoben habe; deshalb könnten ihr keine wie immer gearteten Forderungen gegen die Klägerin mehr zustehen, sodass sie nicht mehr mangelnde Fälligkeit einwenden könne.

3.2. Haftrücklass (also das vertragliche Recht des Bestellers, einen Teil des Werklohns zurückzubehalten) oder Haftrücklassgarantie (mit dem Zweck, den Begünstigten so zu stellen, als ob er die fragliche Summe noch gar nicht aus der Hand gegeben hätte) sollen die Gewährleitungsansprüche sichern und somit auch den Anspruch des Bestellers auf Verbesserung des mangelhaften Werks (RIS-Justiz RS0018098; RS0018099; RS0017002). Hat der Besteller den Mangel durch einen Dritten beseitigen lassen und begehrt das erforderliche Deckungskapital vom Unternehmer, dann fällt insoweit jeglicher Grund für die Einbehaltung eines Haftungsrücklasses weg (RIS-Justiz RS0018098 [T1]).

Waren daher - wie die Klägerin behauptet - alle der Beklagten ihr gegenüber zustehenden Gewährleistungs- und Garantieansprüche (deren Sicherung der Zweck des Haftrücklasses war) Gegenstand des - wie feststeht - im Wesentlichen auf Ersatz der Mängelbehebungskosten an die Beklagte gerichteten Schiedsverfahrens III, fiel der Sicherungszweck des (nach Ziehung der Rücklassgarantie - wieder - in Händen der Beklagten befindlichen) Haftrücklasses nicht erst mit der Entscheidung weg; vielmehr trat Fälligkeit des Anspruchs der Klägerin auf Zahlung des Haftrücklasses und damit die Möglichkeit der Einwendung der Gegenforderung - schon mit der Einforderung des Deckungskapitals nach erfolgter Ersatzvornahme ein, also spätestens mit Erhebung der Schiedsklage III. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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