OGH 13Os24/11w

OGH13Os24/11w7.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ilier G***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 zweiter, dritter und vierter Fall und 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ilier G***** gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 9. November 2006, GZ 9 Hv 82/06a-282, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Ilier G***** wegen des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (C), in der im Schuldspruch A dieses Angeklagten vorgenommenen Subsumtion nach § 130 erster und zweiter Fall StGB und in der zu A gebildeten Subsumtionseinheit sowie demzufolge auch im ihn betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.

Mit seiner Berufung wird Ilier G***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ilier G***** des Verbrechens des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 erster, zweiter, dritter und vierter Fall und 15 StGB (A) sowie des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (C) schuldig erkannt.

Danach hat er

(A) vom 13. September 2005 bis zum 12. Dezember 2005 an mehreren Orten in zahlreichen Angriffen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung anderer Mitglieder dieser Vereinigung gewerbsmäßig im Urteilstenor genannten Geschädigten fremde bewegliche Sachen in einem 50.000 Euro übersteigenden Gesamtwert durch Einbruch weggenommen und dies versucht sowie

(C) vom Jänner 2005 bis zum 12. Dezember 2005 in W***** sich an einer kriminellen Vereinigung als Mitglied beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Ilier G***** hat dagegen Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet, diese aber nicht ausgeführt. Da er auch bei der Anmeldung keinen der in § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO oder in § 281a StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnete, war die Beschwerde gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass zum Nachteil des Beschwerdeführers das Strafgesetz mehrfach unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Zum einen trifft das Erstgericht weder Feststellungen zum Vorsatz, sich an einer kriminellen Vereinigung als Mitglied (im Sinn des § 278 Abs 3 StGB, also durch Begehung einer strafbaren Handlung im Rahmen der kriminellen Ausrichtung oder durch wissentliche Förderung des Zusammenschlusses) zu beteiligen, noch zu jenem, die dem Schuldspruch A zu Grunde liegenden Taten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung zu verüben.

Hinzu kommt, dass § 278 Abs 1 StGB durch den einen höheren Strafsatz bedingenden Qualifikationstatbestand des § 130 zweiter Fall StGB verdrängt wird, wenn gleichzeitig alle Tatbestandsmerkmale der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung nur durch die Begehung einer strafbaren Handlung im Rahmen dieser Vereinigung erfüllt sind (Plöchl in WK² § 278 Rz 62). Dabei ist vom Scheinkonkurrenztypus der Spezialität auszugehen (RIS-Justiz RS0119763), weil die in Rede stehenden Deliktstypen insoweit im Verhältnis von Gattung und Art zueinander stehen (Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 32). Da die Feststellungen zu C gerade keine tatbildlichen Handlungen aufzeigen, die über die von A umfassten Diebstähle hinausgehen, tragen sie den Schuldspruch wegen des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB somit auch in objektiver Hinsicht nicht.

Schließlich ist zum Schuldspruch A auch die Annahme der Qualifikation nach § 130 erster Fall StGB neben jener nach § 130 dritter Fall StGB (in Bezug auf die hier in Rede stehende Schadensqualifikation) verfehlt, weil insoweit auch im - hier aktuellen - Fall von Realkonkurrenz die mildere Qualifikation durch die strengere infolge materieller Subsidiarität verdrängt wird (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 652; Kirchbacher in WK² § 148 Rz 10).

Da eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst mangels Behebbarkeit der aufgezeigten Fehler noch nicht einzutreten hat, war der Schuldspruch im bezeichneten Umfang schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zu kassieren (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter SatzStPO).

Dies hat auch die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge, worauf der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen war.

Im zweiten Rechtsgang wird entsprechend § 29 StGB die Subsumtionseinheit hinsichtlich aller Ilier G***** angelasteten Diebstähle neu zu bilden sein (RIS-Justiz RS0116734).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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