OGH 13Os12/11f

OGH13Os12/11f7.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Claudia M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Ing. Werner F***** und Karl S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 14. Oktober 2010, GZ 8 Hv 122/10f-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Ing. Werner F***** und Karl S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden - soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung - Ing. Werner F***** und Karl S***** jeweils (richtig:) des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (richtig: nur Letzterer iVm § 12 zweiter Fall StGB) schuldig erkannt (II/1 und 2).

Danach haben - gekürzt in der Fassung des erstinstanzlichen Schuldspruchs - (wissentlich und mit dem Vorsatz, dadurch den Bund an seinem Recht auf Richtigkeit des Melderegisters und auf dessen ordnungsgemäße Führung zu schädigen) in Z***** andere zur Ausführung strafbarer Handlungen bestimmt (II), und zwar

1) Ing. Werner F***** von Dezember 2006 bis August 2008 Claudia M***** und Elisabeth Me***** dazu, als Beamte, nämlich als in der Gemeinde Z***** mit dem Meldewesen befasste Bedienstete, ihre Befugnis, „im Namen der mit dem Meldewesen im übertragenen Wirkungsbereich zuständigen Gemeinde als deren Organ“ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich dadurch zu missbrauchen, dass sie in vier (im Urteil näher beschriebenen) Fällen unrichtige Meldedaten ins Melderegister eintrugen und an das zentrale Melderegister übermittelten sowie Vermerke über diese Meldungen ausstellten;

2) Karl S***** im Dezember 2006 und März 2007 Ing. Werner F*****, indem er diesen in zwei Fällen eindringlich um die Veranlassung der zu Punkt 1 beschriebenen Handlungen ersuchte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die von Ing. Werner F***** auf Z 4, 5, 9 lit a und b, 10 und 10a sowie von Karl S***** auf Z 5 und 9 lit a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, denen keine Berechtigung zukommt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ing. Werner F*****:

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) verfiel der Antrag auf (zusammengefasst) Vernehmung von „für das Meldewesen zuständigen“ Bediensteten anderer Gemeinden zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer „die ihm vorgeworfenen Taten nicht begangen hat“ (ON 24 S 72), zu Recht der Abweisung. Dass die Angeklagten vor den hier angelasteten Taten Erkundigungen bei anderen Gemeinden über die von Karl S***** berichtete Praxis sogenannter „Scheinmeldungen“ eingeholt hatten, nahm das Schöffengericht ohnehin als erwiesen an (US 8 f iVm US 16). Wie die Vernehmung von Bediensteten anderer Gemeinden darüber hinaus den „Nachweis des Nichtvorliegens der subjektiven Tatseite“ (vgl ON 24 S 73) beim Beschwerdeführer hätte erbringen sollen, ließ der Antrag nicht erkennen (RIS-Justiz RS0118444).

Die Aussagen des Zeugen Helmut K***** (ON 24 S 65) und der Angeklagten Elisabeth Me***** (ON 24 S 23 f; vgl auch ihre im Wesentlichen gleich lautenden Angaben vor der Polizei: ON 7 S 65) über die Durchführung derartiger Erkundigungen bei anderen Gemeinden stehen aus dem zuvor Gesagten den Feststellungen nicht entgegen und waren daher der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) reklamierenden Mängelrüge zuwider nicht gesondert erörterungsbedürftig. Dass die Angeklagten von anderen Gemeinden die Auskunft erhalten hätten, die dort geübte Praxis stehe mit dem Meldegesetz im Einklang, ist den ins Treffen geführten Aussagen im Übrigen nicht zu entnehmen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht dar, weshalb die Feststellung (US 12), der Beschwerdeführer habe gewusst, dass er Claudia M***** und Elisabeth Me***** zu wissentlichem Befugnismissbrauch veranlasst habe (vgl zur subjektiven Tatseite beim Bestimmungstäter: RIS-Justiz RS0108964; E. Fuchs/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch³ § 302 Rz 60), der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0088886) zuwider die (von der Kenntnis des Bestimmungstäters umfasste) Willenskomponente der unmittelbaren Täter nicht inkludieren soll (vgl auch Fuchs, AT I7 14/5).

Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken: Ein Bürgermeister, der in seiner Funktion als Meldebehörde (§ 13 Abs 1 MeldeG) Gemeindebediensteten Weisungen erteilt, handelt im Rahmen seiner (eigenen) Befugnis, als Organ des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, und ist demnach - bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 302 Abs 1 StGB - unmittelbarer Täter.

Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) setzt sich mit der Behauptung, der Beschwerdeführer habe im Rechtsirrtum (§ 9 StGB) gehandelt, in Widerspruch zu den gegenteiligen Urteilsannahmen (US 15 f). Welche Verfahrensergebnisse Feststellungen zu einer die Annahme entschuldigenden Notstands (§ 10 StGB) tragenden Sachverhaltsgrundlage indiziert hätten, wird prozessordnungswidrig nicht dargelegt.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) erschöpft sich in der nicht methodengerecht aus dem Gesetz (vgl etwa § 15 Abs 1 MeldeG über die [amtswegig vorzunehmende] Berichtigung des Melderegisters) abgeleiteten Rechtsbehauptung, die Meldebehörde habe keine Kompetenz zur „Prüfung des Wahrheitsgehaltes der Angaben im Meldezettel“, weshalb kein Befugnismissbrauch vorliege und „der im Urteil festgestellte Sachverhalt rechtlich als Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB“ zu qualifizieren sei.

Die auf dieser prozessordnungswidrigen Argumentation aufbauende Diversionsrüge (Z 10a) bedarf keiner Erörterung.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl S*****:

Mit der Verantwortung der Angeklagten Ing. Werner F***** und Elisabeth Me***** hat sich das Erstgericht ohnehin beweiswürdigend auseinandergesetzt (US 13 f), weshalb der Hinweis auf daraus isoliert herausgegriffene Passagen (ON 24 S 11, 15, 33 und 40) im Rahmen der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) reklamierenden Mängelrüge fehlschlägt. Zur gleichermaßen als übergangen reklamierten Aussage des Zeugen Helmut K***** (ON 24 S 62 f) kann auf die diesbezüglichen Ausführungen im Zusammenhang mit der Mängelrüge des Angeklagten Ing. Werner F***** verwiesen werden.

Indem die Rüge einwendet, die Feststellungen, der Beschwerdeführer habe Ing. Werner F***** eindringlich ersucht, (tatsachenwidrige) Anmeldungen zu veranlassen (US 8), und dieser habe wegen dieses Ersuchens die inkriminierten Weisungen erteilt (US 9), seien „aktenwidrig“ (Z 5 fünfter Fall), behauptet sie eine in den wesentlichen Teilen unrichtige Wiedergabe des eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalts einer Aussage oder Urkunde gar nicht (RIS-Justiz RS0099431). Weshalb neben den - mängelfrei begründeten - Konstatierungen zum Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale (vgl US 8 f, 11 f und 14) Ausführungen zur Frage, „worin der physische, technische, psychische oder intellektuelle Beitrag“ des Beschwerdeführers bestanden habe, erforderlich gewesen wären, zeigt das weitere Beschwerdevorbringen nicht auf.

Im Übrigen bezeichnet die Mängelrüge die Aussagen der Angeklagten Claudia M***** und Elisabeth Me***** als „Schutzbehauptungen“ und „äußerst widersprüchlich“ und bekämpft - gestützt auf eigene Beweiswerterwägungen - die tatrichterlichen Feststellungen bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die Feststellung zum Schädigungsvorsatz des Beschwerdeführers nimmt auf das Recht des Staates auf Richtigkeit der Eintragungen im Melderegister Bezug (US 12); „substanzloser Gebrauch der verba legalia“ liegt demnach der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zuwider nicht vor. Welche weiteren Konstatierungen darüber hinaus - auch zu seiner Wissentlichkeit in Bezug auf den (dem angefochtenem Urteil zufolge sogar: wissentlichen) Befugnismissbrauch der unmittelbaren Täter (vgl US 11 f) - zu treffen gewesen wären, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite hat das Erstgericht im Übrigen mit dem Hinweis auf von Claudia M***** und Elisabeth Me***** dem Beschwerdeführer gegenüber geäußerte Bedenken (US 14) einwandfrei begründet, sodass auch der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand fehlender oder offenbar unzureichender Begründung (der Sache nach Z 5 vierter Fall) ins Leere geht.

Soweit die weitere Rechtsrüge schließlich die in Ansehung des Ing. Werner F***** zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen mit Verweis auf vermeintliche Verfahrensergebnisse bekämpft, um daraus für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse abzuleiten, verfehlt sie den gerade im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt des materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Bleibt anzumerken, dass der in Missachtung des § 29 StGB gelegene Subsumtionsfehler - richtig wäre den Angeklagten jeweils nur ein Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB anzulasten gewesen (RIS-Justiz RS0121981) - per se keinen Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO darstellt (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 23). An die insoweit fehlerhafte Subsumtion ist das Berufungsgericht bei der Entscheidung über die Berufungen nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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