OGH 14Os16/11a

OGH14Os16/11a5.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kirnbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ljubisa T***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ljubisa T***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Dezember 2010, GZ 031 Hv 134/10s-33, und die Beschwerde des Angeklagten gegen einen gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien verwiesen.

Zur Entscheidung über die übrigen Berufungen und die Beschwerde werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Ljubisa T***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Bozidar J***** enthält - wurde Ljubisa T***** der Verbrechen des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall StGB (1) und des Raubes nach § 142 Abs 2 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er am 12. Oktober 2010 in Wien mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

1) in einverständlichem Zusammenwirken mit Bozidar J***** gewerbsmäßig die Polizeibeamten Markus H***** und Gerhard Z***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Verkauf eines Säckchens mit weißer Substanz und der Vorgabe, dass es sich dabei um hochwertiges Kokain handle, zur Übergabe von 50 Euro verleitet, wodurch diese im genannten Betrag am Vermögen geschädigt wurden;

2) Markus H***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), indem er diesen aufforderte, ihm 60 Euro zu geben, seine Hände zu Fäusten ballte, ihm sagte, dass er ihm ansonsten eine „pracken“ werde und ihm anschließend 60 Euro entriss, eine fremde bewegliche Sache abgenötigt, wobei der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer fremden Sache geringen Werts begangen wurde und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt.

Soweit die ohne Einschränkung angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde auch den Schuldspruch 1 wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall StGB umfasst, blieb sie mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§ 285d StPO).

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider hat das Erstgericht den - nach Abschluss des Betrugsgeschehens (1) entwickelten - Raubvorsatz des Angeklagten methodisch einwandfrei (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452) mit dem äußeren Geschehensablauf begründet (US 6). Beim (sowohl aus Z 5 als auch aus Z 9 lit a erhobenen) Vorwurf insoweit substanzlosen Gebrauchs der verba legalia (der Sache nach Z 9 lit a) macht der Beschwerdeführer nicht klar, warum den dazu getroffenen Feststellungen (vgl US 5) der erforderliche Sachverhaltsbezug mangeln sollte, womit die Beschwerde den gesetzlichen Anforderungen einer Rechtsrüge nicht gerecht wird. Die Eignung der Drohung, begründete Besorgnis einzuflößen, ist eine Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0092448; Jerabek in WK² § 74 Rz 34) und daher nicht aus der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO anfechtbar. Mit der Behauptung fehlender Verfahrensergebnisse für die Feststellung, wonach der Angeklagte „auf kürzeste Distanz bedrohlich an den Zeugen H*****“ herangetreten sei, wird Unvollständigkeit iSd Z 5, die nur vorliegt, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (für viele: RIS-Justiz RS0118316), nicht geltend gemacht. Im Übrigen haben die Tatrichter die kritisierte Konstatierung (US 4) aktenkonform auf die Schilderungen der Zeugen H***** und Z***** in ihrem über den Vorfall aufgenommenen Aktenvermerk (ON 2 S 13 unten) und deren im Wesentlichen damit übereinstimmenden Depositionen in der Hauptverhandlung (ON 32 S 17 ff) gestützt (US 6), was auch unter dem - in der Beschwerde andeutungsweise angesprochenen - Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden ist.

Mit dem Einwand, die Ankündigung des Angeklagten („eine pracken“) reiche „für sich allein nicht für die Erfüllung des Tatbestands des § 142 StGB aus“, übergeht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) prozessordnungswidrig die weiteren Urteilskonstatierungen (RIS-Justiz RS0099810), wonach sich der Angeklagte vor Abgabe der Äußerung aus kurzer Distanz vor dem Tatopfer bedrohlich „aufbaute“ und die Fäuste ballte (US 6).

In der eine Tatbeurteilung nach § 127 oder § 144 StGB anstrebenden Subsumtionsrüge (Z 10) leitet der Beschwerdeführer schließlich nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb die festgestellte Drohung mit Faustschlägen verbunden mit zumindest nicht unerheblichen gesundheitlichen Folgen (US 5) bloß als solche mit einer Misshandlung (vgl dazu Eder-Rieder in WK2 § 142 Rz 32) zu werten sei.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO - ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld - bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wegen des Strafausspruchs sowie über die (implizite) Beschwerde des Angeklagten kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einer nicht geltend gemachten, dem Angeklagten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit betreffend das Einziehungserkenntnis (§§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO):

Einziehung setzt nach § 26 Abs 1 StGB voraus, dass diese vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS-Justiz RS0121298; Ratz in WK2 § 26 Rz 6 und 12), von der in Betreff der eingezogenen, bei einem Betrugsgeschehen verwendeten „Säckchen mit dem weißen Pulver“ nicht ohne weiteres ausgegangen werden kann (vgl Ratz in WK2 § 26 Rz 13). Feststellungen dazu als (notwendige) Grundlage der Gefährlichkeitsprognose hat das Erstgericht, das die Maßnahme bloß mit der „angeführten Gesetzesstelle“ begründet hat (US 8), allerdings nicht getroffen (Ratz, WK-StPO § 285i Rz 4).

Diese Nichtigkeit war vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen aufzugreifen (§§ 285e erster Fall, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), weil die Staatsanwaltschaft Berufung zum Nachteil des Angeklagten erhoben hat und sich dessen Berufung bloß gegen den Strafausspruch richtet. Dem Berufungsgericht ist in einem solchen Fall zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung einer die vorbeugende Maßnahme betreffenden Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO zugunsten des Angeklagten nicht möglich (14 Os 83/10b, EvBl-LS 2010/162, 973; 14 Os 59/10y; Ratz, WK-StPO § 294 Rz 10 sowie § 295 Rz 7 und 14).

In Anbetracht der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien für die demgemäß vorbehaltene (vgl § 443 Abs 2 StPO), gesondert zu treffende Entscheidung über den Antrag auf Einziehung (§§ 445 Abs 3, 445a StPO), war mit Delegierung an dieses Gericht vorzugehen (§ 288 Abs 2 Z 3 letzter Satz; Tipold, WK-StPO §§ 443 Rz 98 ff; vgl RIS-Justiz RS0101479, RS0100318, RS0100271).

Der Kostenausspruch, der sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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