OGH 5Ob226/10m

OGH5Ob226/10m29.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Einschreiterin Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz, 6020 Innsbruck, Heiliggeiststraße 7-9, vertreten durch Dr. Paul Bauer, Dr. Anton Triendl und Mag. Robert Mader, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Ersichtlichmachung nach § 38 Abs 2 TFLG 1996 ob der Liegenschaft EZ 66 und anderer Liegenschaften je GB *****, über den Revisionsrekurs der Einschreiterin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 23. September 2010, AZ 54 R 110/10p, mit dem infolge Rekurses der Agrargemeinschaft R*****, vertreten durch deren Obmann Josef K*****, dieser vertreten durch Dr. Johann Lutz, Rechtsanwalt in Innsbruck, der Beschluss des Bezirksgerichts Hall i. T. vom 6. August 2010, TZ 2694/10-2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Vollzug und Verständigung der bereits im Beschluss des Erstgerichts genannten Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

Text

Begründung

Ob den Liegenschaften EZ 66, 120, 143, 162, 181 und 239 je GB ***** (auf welches GB sich fortan alle EZ beziehen) ist jeweils die Agrargemeinschaft R***** (fortan nur mehr: Agrargemeinschaft) als grundbücherliche Eigentümerin einverleibt.

Mit Bescheid der Einschreiterin als Agrarbehörde erster Instanz vom 12. 3. 2010, Zl. AgrB-R283/259-2010, wurde I. festgestellt, dass das Liegenschaftsvermögen der Agrargemeinschaft, soweit es das ursprüngliche Regulierungsgebiet, bestehend aus näher bezeichneten, (nur) in der EZ 120 vorgetragenen Grundstücken umfasst, Gemeindegut iSd § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 und die Agrargemeinschaft sohin eine Gemeindegutsagrargemeinschaft darstellt, sowie II. dass das übrige Liegenschaftsvermögen der Agrargemeinschaft kein Gemeindegut iSd § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 darstellt. Der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung gab mit seinem rechtskräftigen Erkenntnis vom 8. 7. 2010, Zl. LAS-1013/6-10, einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Agrargemeinschaft (nur) insoweit teilweise Folge als er hinsichtlich zweier Grundstücke der EZ 120 feststellte, dass diese nicht Gemeindegut darstellen; im Übrigen wies er die Berufung als unbegründet ab.

Die Einschreiterin begehrte mit ihrer beim Erstgericht am 4. 8. 2010 eingelangten Eingabe aufgrund ihres Bescheides vom 12. 3. 2010, Zl. AgrB-R283/259-2010, und des rechtskräftigen Erkenntnisses des Landesagrarsenats beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 8. 7. 2010, Zl. LAS-1013/6-10, amtswegig im Eigentumsblatt der Liegenschaften EZ 66, 120, 143, 162, 181 und 239 die Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ ersichtlich zu machen.

Das Erstgericht bewilligte die begehrten Ersichtlichmachungen.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs der Agrargemeinschaft Folge und wies das Begehren der Einschreiterin auf Ersichtlichmachung der Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ im Eigentumsblatt der genannten Liegenschaften ab. Rechtlich vertrat das Rekursgericht die Ansicht, das Hauptargument der Agrargemeinschaft, die begehrte Eintragung sei im Hinblick auf Art 5 und 7 StGG 1867 rechtswidrig und rechtlich unmöglich, weil damit geteiltes Eigentum (Ober- und Untereigentum) geschaffen werde, sei nicht berechtigt. Anmerkungen hätten nur den Zweck, über bestimmte Verhältnisse zu informieren und gesetzlich geregelte Rechtswirkungen herbeizuführen. Die bloße Anmerkung der Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ begründe aber keinen unbedingten Rechtserwerb oder -verlust. Der Rekurs der Agrargemeinschaft sei aber deshalb berechtigt, weil in den die Eintragungsgrundlage bildenden Entscheidungen der Agrarbehörden nur hinsichtlich einzelner Grundstücke der EZ 120 festgestellt worden sei, dass diese Gemeindegut iSd § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 seien, während das gesamte übrige Liegenschaftsvermögen der Agrargemeinschaft festgestelltermaßen kein Gemeindegut darstelle. Letzteres gelte durchwegs für die Liegenschaften EZ 66, 143, 162, 181 und 239, für welche schon aus diesem Grund die angestrebte Ersichtlichmachung ausscheide. In der EZ 120 seien zwar einzelne Grundstücke Gemeindegut, doch komme auch bei dieser Liegenschaft die Ersichtlichmachung der Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ hinsichtlich einzelner Grundstücke wegen der Unteilbarkeit des Eigentumsblatts nicht in Frage. Es sei daher auf Antragsabweisung zu entscheiden gewesen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Frage der Zulässigkeit der Ersichtlichmachung der mit (Tiroler) LGBl 2010/7 neu geschaffenen Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ im Eigentumsblatt noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der „Rekurs“ (richtig: Revisionsrekurs) der Einschreiterin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Bewilligung der begehrten Ersichtlichmachung. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Die Einschreiterin ist rechtsmittellegitimiert (vgl RIS-Justiz RS0116135; RS0006663; RS0006808 [T1]; RS0006805; RS0058963 [T4]).

2. Grundlage für die von der Einschreiterin begehrte Ersichtlichmachung sind die rechtskräftigen Bescheide der Agrarbehörden erster und zweiter Instanz, mit denen ausgesprochen wurde, dass näher bezeichnete Grundstücke der EZ 120 Gemeindegut iSd § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 sind und die Agrargemeinschaft eine Gemeindegutsagrargemeinschaft darstellt. Diese Entscheidungen fallen gemäß § 73 lit a bis d TFLG 1996 in die Zuständigkeit der Agrarbehörden (vgl auch VfGH 10. 12. 2010, B 639/10). Die Gerichte sind daher an diese gebunden und haben deren inhaltliche Richtigkeit nicht zu überprüfen (vgl RIS-Justiz RS0036880; RS0037078; RS0036981; RS0036975).

3. Die in Richtung des Art 5 und 7 StGG 1867 vorgetragenen Einwände der Agrargemeinschaft hat schon das Rekursgericht mit Recht verneint. Anmerkungen dienen zur Ersichtlichmachung bestimmter persönlicher Verhältnisse (§ 20 lit a GBG) bzw zur Begründung bestimmter gesetzlich vorgesehener Rechtswirkungen (§ 20 lit b GBG), haben aber selbst keine dingliche Wirkung im Sinn der Begründung, Umänderung oder Aufhebung bücherlicher Rechte (vgl Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht, § 20 GBG Rz 1). Die von der Agrarbehörde angestrebte Ersichtlichmachung, die - worauf noch zurückzukommen sein wird - einen dem § 20 lit a GBG entsprechenden Fall darstellt, kann daher keinen Eigentumseingriff bewirken.

4. Dem Rekursgericht ist dahin beizupflichten, dass die eingangs genannten Bescheide der Agrarbehörden nur hinsichtlich einzelner Liegenschaften der EZ 120 feststellen, dass diese Gemeindegut iSd § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 sind; dies rechtfertigt aber nicht die Ablehnung der von der einschreitenden Agrarbehörde begehrten Ersichtlichmachung:

Nach § 38 Abs 2 TFLG 1996 (idF LGBl 2010/7) ist (ua) bei Agrargemeinschaften, die iSd § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 auf Gemeindegut bestehen, im Eigentumsblatt die Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ ersichtlich zu machen. Dass die hier beteiligte Agrargemeinschaft jedenfalls auch auf Gemeindegut besteht, steht nach den vorgelegten Bescheiden der Agrarbehörden bindend fest. Daraus folgt deren Bezeichnung als „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ und zwar als Hinweis auf eine bestimmte Besonderheit in den „persönlichen Verhältnissen“ (§ 20 lit a GBG) der Eigentümerin (zu deren Besonderheiten vgl insbesondere §§ 33 Abs 5, 34 Abs 1 letzter HS, 35 Abs 7 und 8, 36 Abs 2, 37 Abs 6 bis 8, 40 Abs 1 bis 4 TFLG 1996) und nicht - wovon offenbar das Rekursgericht ausgeht - als Angabe über bestimmte Eigenschaften der Grundstücke des betreffenden Grundbuchkörpers. Damit harmoniert gerade die in § 38 Abs 2 TFLG 1996 angeordnete Eintragung im Eigentumsblatt der Liegenschaft und daraus folgt aber auch, dass aus dieser Ersichtlichmachung keinerlei Rückschlüsse über die (rechtliche Qualität einzelner) Bestandteile des Grundbuchkörpers (vgl § 7 AllgGAG; Kodek, aaO § 7 AllgGAG Rz 1) ableitbar sind, insbesondere keine Aussage darüber verbunden ist, ob einzelne Grundstücke des betreffenden Grundbuchkörpers Gemeindegut iSd § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 sind.

5. Zusammengefasst folgt also:

Die Ersichtlichmachung der Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ im Sinn des § 38 Abs 2 TFLG 1996 entspricht qualitativ einer Anmerkung gemäß § 20 lit a GBG, die lediglich erfordert, dass die betreffende Agrargemeinschaft (auch) auf Gemeindegut iSd § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 besteht. Da mit dieser Ersichtlichmachung (nur) „persönliche Verhältnisse“ der Eigentümerin ausgewiesen werden, ist diese auch dann zulässig, wenn der betreffende Grundbuchkörper keine oder nur einzelne Grundstücke enthält, die Gemeindegut iSd § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 sind. Aus der Ersichtlichmachung der Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ folgen keine Angaben über bestimmte rechtliche Verhältnisse einzelner Bestandteile des Grundbuchkörpers, insbesondere über deren Eigenschaft als Gemeindegut nach § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 (ebenso 5 Ob 228/10f und 5 Ob 229/10b).

Der Revisionsrekurs ist somit berechtigt, was zur Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts führt.

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