Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten der Rekursbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung
Mit gesonderten Klagen vom 11. 12. 2008 begehrte der Kläger gegen den Beklagten beim Bezirksgericht Favoriten 5.458,02 EUR sA (6 C 1706/08x) sowie 3.120,40 EUR sA (6 C 1713/08a). Als Klagegrund wurden Honorarforderungen für anwaltliche Leistungen angeführt. Dazu wies der Kläger daraufhin, dass er zwei getrennte Klagen einbringe, weil damit eine Ersparnis der Gesamtkosten verbunden sei. Im Verfahren stellte sich heraus, dass in der „Gesamtabrechnung“ des Klägers auch Rückzahlungsbeträge für dem Beklagten gewährte Darlehen enthalten sind. Der Beklagte bestritt die Klagebegehren und wendete darüber hinaus Gegenforderungen in Höhe von 1.302,50 EUR und 2.532,90 EUR ein.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (ohne Zuordnung zu den beiden gesonderten Klagen) teilweise statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 4.559,90 EUR sA. Das Mehrbegehren von 4.018,52 EUR sA wies es ab.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien statt, hob das angefochtene Urteil des Erstgerichts zur Gänze auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen lasse sich der berechtigte Forderungsbetrag des Klägers nicht ableiten. Insbesondere könne nicht beurteilt werden, welcher Honorarbetrag tatsächlich angemessen sei. Dem Erstgericht werde daher der Auftrag erteilt, zunächst ein Gutachten eines Sachverständigen der Rechtsanwaltskammer zur Frage des angemessenen Honorars einzuholen. In der Folge werde ein Buchsachverständiger die Gesamtabrechnung des Klägers einschließlich der offenen Darlehensforderungen zu überprüfen haben. Im fortgesetzten Verfahren seien auch die vom Beklagten eingewendeten Gegenforderungen zu berücksichtigen. Einen Zulassungsausspruch nahm das Berufungsgericht in seinen Aufhebungsbeschluss nicht auf.
Mit Schriftsatz vom 20. 10. 2010 (ON 38) stellte der Kläger einen Antrag auf „Urteilsergänzung“. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei nicht notwendig. Das Berufungsgericht werde daher zu erläutern haben, welche Sach- und Rechtsfragen durch Gutachten zu klären seien. Unrichtig sei, dass nicht nachvollzogen werden könne, welche Honorare dem Kläger zustünden. In dieser Hinsicht habe das Berufungsgericht die Rechtsfrage nicht abschließend beantwortet. Es habe auch die Einwendungen des Klägers in seiner Berufungsbeantwortung nicht behandelt.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht den Ergänzungsantrag des Klägers ab. Entgegen den Ausführungen des Klägers sei über alle Ansprüche entschieden worden, weil das Urteil des Erstgerichts zur Gänze aufgehoben worden sei. Da keine Ansprüche übergangen worden seien, sei der Ergänzungsantrag des Klägers nicht berechtigt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht die Urteilsergänzung aufzutragen.
Mit seiner „Revisionsrekursbeantwortung“ beantragt der Beklagte, den Rekurs des Klägers zurück- bzw abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs erweist sich als unzulässig.
1. Gegenstand der Ergänzung gemäß § 423 ZPO sind alle Urteile, ferner auch die Urteile und (wie hier) Beschlüsse des Berufungsgerichts im Rechtsmittelverfahren. Gemäß § 430 ZPO ist § 423 ZPO auch auf die Ergänzung von Beschlüssen sinngemäß anzuwenden (M. Bydlinski in Fasching/Konecny 2 § 423 ZPO Rz 6).
2.1 Nach der bisherigen, allerdings älteren Rechtsprechung ist der eine (Urteils-)Ergänzung ablehnende Beschluss des Berufungsgerichts - anders als jener des Rekursgerichts zufolge § 528 ZPO - mit Rekurs bekämpfbar. In der Entscheidung 2 Ob 162, 170/62 (EvBl 1962/399) wurde dazu ausgeführt, dass die Bestimmungen des § 423 ZPO für alle Instanzen gelte, weshalb sich die Anfechtbarkeit des eine Ergänzung des Urteils ablehnenden Beschlusses nach § 514 ZPO richte. In der Entscheidung 1 Ob 546, 551/95 (MietSlg 47.651 = wobl 1996/42) wird lediglich auf den Rechtssatz aus der Entscheidung EvBl 1962/399 verwiesen.
Die dargestellte Rechtsprechung wird von der herrschenden Meinung kritisiert. Nach M. Bydlinski (aaO Rz 18) sind nicht nur abweisliche Beschlüsse des Berufungsgerichts über Berichtigungsanträge, sondern auch solche über Ergänzungsanträge nicht unter die Ausnahmetatbestände des § 519 Abs 1 ZPO zu subsumieren und damit unbekämpfbar. Zechner (in Fasching/Konecny 2 § 519 ZPO Rz 93 f) vermisst eine Begründung, warum die Anfechtung des im Berufungsverfahren ergangenen Abweisungsbeschlusses nicht nach § 519 ZPO ausgeschlossen sein soll, obgleich die Abweisung eines solchen Ergänzungsantrags in der erschöpfenden Aufzählung bekämpfbarer Entscheidungen nicht enthalten sei. Versage das Berufungsgericht die zufolge behaupteten Übergehens eines Anspruchs beantragte Urteilsergänzung aus meritorischen Gründen, so sei die analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO lediglich dann geboten, wenn der Beschluss nicht den Kostenpunkt betreffe und eine endgültige Verweigerung des Rechtsschutzes nach sich ziehe. Letzteres sei zu bejahen, wenn dem Belasteten nicht mehr die ordentliche oder außerordentliche Revision offen stehe, um den erörterten Entscheidungsfehler zu rügen.
2.2 Der erkennende Senat hält die Kritik in der Lehre und insbesondere die Ausführungen von Zechner für überzeugend. Die Entscheidung EvBl 1962/399 lässt bei bereits vergleichbarer Rechtslage eine Auseinandersetzung mit der Rechtsmittelbeschränkung des § 519 ZPO gänzlich vermissen. Auch wenn die Bestimmung des § 423 ZPO für alle Instanzen gilt, handelt es sich bei der angefochtenen Entscheidung um einen Beschluss des Berufungsgerichts (vgl RIS-Justiz RS0041452).
Die dargestellte bisherige Rechtsprechung wird daher nicht aufrecht erhalten. Vielmehr unterliegt auch ein Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem ein Ergänzungsantrag gemäß § 423 ZPO abgewiesen wird, der Regelung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO über die Anfechtbarkeit berufungsgerichtlicher Beschlüsse.
2.3 Das Berufungsgericht hat seinen Abweisungsbeschluss darauf gestützt, dass es keinen Anspruch (Sachantrag) übergangen habe. Damit hat es jedenfalls auch meritorisch über den Ergänzungsantrag des Klägers entschieden.
Von einer Verweigerung des Rechtsschutzes hinsichtlich eines angeblich versehentlich übergangenen Sachentscheidungsbegehrens (Bydlinski aaO Rz 3) kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Das Berufungsgericht hat den Berufungen beider Parteien stattgegeben und die angefochtene Entscheidung des Erstgerichts zur Gänze aufgehoben. Damit hat das Erstgericht neuerlich über sämtliche Sachanträge, die dem Verfahren zugrunde liegen, zu entscheiden. Vom Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts werden sowohl die Klagebegehren des Klägers als auch die Einwendungen betreffend die Gegenforderungen durch den Beklagten zur Gänze erfasst und damit - im aufhebenden Sinn - auch erledigt.
3. Auch wenn das Berufungsgericht den Ergänzungsantrag mit Rücksicht auf dessen Inhalt mangels Vorliegens eines Ergänzungsfalls zurückgewiesen hätte (vgl Bydlinski aaO Rz 4 und 16), wäre der vorliegende Rekurs an den Obersten Gerichtshof unzulässig. Ein solcher Zurückweisungsbeschluss wäre gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO nur insoweit bekämpfbar, als es sich um eine Erledigung aus rein formellen Gründen handeln würde und der Antrag einen angeblich übergangenen Teil des Klagebegehrens zum Gegenstand hätte (vgl Zechner aaO Rz 96).
Im Anlassfall liegt eine derartige reine Formalerledigung, etwa weil der Antrag zu spät oder von einem nicht Berechtigten gestellt worden wäre (vgl Bydlinski aaO Rz 16), nicht vor. Eine Zurückweisung des Ergänzungsantrags könnte hier auch nicht mit der Teilzurückweisung einer Klage gleichgehalten werden, weil das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren über sämtliche Sachentscheidungsbegehren neuerlich zu entscheiden hat.
4. Zusammenfassend ergibt sich: Auch ein Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem ein Ergänzungsantrag gemäß § 423 ZPO zurück- oder abgewiesen wird, unterliegt der Bestimmung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO über die Anfechtbarkeit berufungsgerichtlicher Beschlüsse. Der Rekurs des Klägers erweist sich damit als unzulässig.
Die „Revisionsrekursbeantwortung“ des Beklagten war nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig, weil diese zur Unzulässigkeit des Rekurses nichts ausführt (RIS-Justiz RS0124565).
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