OGH 13Os123/10b

OGH13Os123/10b17.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kirnbauer als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Werner D***** und einen anderen Angeklagten wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Werner D***** und Alfons D***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 29. Juni 2010, GZ 26 Hv 140/08d-79, sowie die Beschwerde des Angeklagten Alfons D***** gegen die ihm nach § 26 Abs 2 FinStrG erteilte Weisung (§ 498 Abs 3 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Werner D***** und aus deren Anlass werden das Urteil, das im Übrigen (in Ansehung des Einzelunternehmens Werner D*****) unberührt bleibt, im Schuldspruch betreffend Abgabenhinterziehung für die C***** Gesellschaft m.b.H., demzufolge auch in den Strafaussprüchen und die - verfehlt durch Urteil erteilte - Weisung (§ 26 Abs 2 FinStrG), aufgehoben, im Umfang der Urteilsaufhebung eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Der Angeklagte Alfons D***** mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde sowie seiner Beschwerde und beide Angeklagten mit ihren Berufungen werden auf diese Entscheidung verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Werner D***** zurückgewiesen.

Dem Angeklagten Werner D***** fallen auch die durch die Erledigung seiner Nichtigkeitsbeschwerde entstandenen Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Werner D***** und Alfons D***** mehrerer Finanzvergehen (hinsichtlich des Letzteren richtig: eines Finanzvergehens) der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.

Danach haben im Bereich des Finanzamts Innsbruck vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht (im Urteilsspruch nach Steuerarten und Jahren aufgeschlüsselte) Verkürzungen bewirkt:

Werner D***** als Einzelunternehmer an Umsatzsteuer für die Jahre 1996 bis 2000 von insgesamt 191.945,20 Euro und an Einkommensteuer für die Jahre 1998 bis 2000 von insgesamt 29.502,79 Euro;

sowie Werner D***** (als bloß faktischer Geschäftsführer) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Alfons D***** der C***** Gesellschaft m.b.H. für das Jahr 2000 an Umsatzsteuer von 108.376,03 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen haben Werner D***** aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO sowie Alfons D***** aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen. Derjenigen des Werner D***** kommt teilweise Berechtigung zu.

Der Schuldspruch wegen Abgabenhinterziehung für die C***** Gesellschaft m.b.H. beruht im Wesentlichen auf der Feststellung, für das Jahr 2000 seien „steuerfreie Umsätze für Ausfuhrlieferungen von ATS 8.947.720,00 erklärt“ worden. Demgegenüber seien jedoch „im Jahr 2000 keine steuerfreien Ausfuhrlieferungen“ erfolgt, sondern „im Inland tatsächlich Umsätze in Höhe zwischen EUR 5 Mio. und EUR 6 Mio. getätigt“ worden, „welche - um sie nicht der Umsatzsteuer unterwerfen zu müssen - als Exportgeschäft dargestellt“ worden seien (US 8). Diese Konstatierung stützten die Tatrichter - unter Verwerfung der leugnenden Verantwortung der beiden Angeklagten - auf die „Erhebungen der Finanzbehörden“, deren Zollabfrage insbesondere ergeben habe, „dass es im Jahr 2000 keinen derartigen Export nach Slowenien gegeben“ habe, weshalb „Inlandsgeschäfte in diesem Ausmaß“ anzunehmen seien (US 13).

In diesem Zusammenhang wendet der Angeklagte Werner D***** in seiner Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu Recht ein, dass sich das Erstgericht mit den diesen Vorwurf betreffenden Angaben des als Zeugen vernommenen Betriebsprüfers Franz B***** nicht beweiswürdigend auseinandergesetzt hat. Dieser gab nämlich an, nicht zu wissen, ob „es in Österreich tatsächlich eine Lieferung im Umfang dieses Erlöses“ gegeben habe, eine solche Annahme sei „spekulativ“ (ON 62 S 33).

Dieser Begründungsmangel macht eine Kassation des davon betroffenen Schuldspruchs bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) unumgänglich, weshalb das darauf bezogene weitere Rechtsmittelvorbringen dieses Angeklagten keiner Erörterung bedarf.

Mit der aufgezeigten Nichtigkeit ist auch der Schuldspruch in Ansehung des Angeklagten Alfons D***** behaftet; zu seinen Gunsten war daher gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO vorzugehen.

Es erübrigt sich somit auch das Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten, der mit seinen Rechtsmitteln, ebenso wie der Angeklagte Werner D***** mit seiner Berufung, auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen war.

Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs Feststellungen zu sämtlichen Tatbestandsmerkmalen in objektiver und subjektiver Hinsicht, zudem insbesondere auch zu den eine Umsatzsteuerpflicht auslösenden Vorgängen und dem daraus abgeleiteten Verkürzungsbetrag zu treffen sowie - unter dem Aspekt mängelfreier Begründung - dessen Berechnungsgrundlagen nachvollziehbar (vgl hingegen US 8) darzustellen haben.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Werner D***** im Übrigen:

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf Einholung eines „graphologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass die Unterschrift auf der sogenannten Scheinrechnung nicht vom Angeklagten stammt“ (ON 78 S 15 f), Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt. Ob die inkriminierten Scheinrechnungen tatsächlich vom Beschwerdeführer selbst unterfertigt wurden (was im Übrigen gar nicht festgestellt wurde - vgl US 5), stellt nämlich - wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat (ON 78 S 16) - keinen für die Geltendmachung daraus resultierender Vorsteuer erheblichen Umstand dar (vgl RIS-Justiz RS0116503). Behaupteten Verstößen gegen die Vorschriften des § 238 StPO hätte der Beschwerdeführer durch gerade darauf bezogene Antragstellung in der Hauptverhandlung begegnen können (RIS-Justiz RS0121628; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 315 f).

Angesichts der Feststellung, wonach der Beschwerdeführer Steuererklärungen unterfertigte, von deren Unrichtigkeit er wegen der ihm bekannten Existenz zugrunde liegender Scheinrechnungen wusste (US 5), betrifft auch die Frage, wer diese Rechnungen dem Steuerberater (persönlich) übergeben hat (vgl US 4 f), keine entscheidende Tatsache, weshalb die darauf bezogene Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) schon im Ansatz fehl geht (RIS-Justiz RS0117499).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in diesem Umfang schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten Werner D***** beruht auf § 390a StPO.

Stichworte