Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil wie folgt zu lauten hat:
„Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 7.080 EUR samt 9,97 % Zinsen seit 1. 12. 2006 zu bezahlen und die Prozesskosten zu ersetzen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit 6.956,63 EUR (darin 645,77 EUR USt und 3.082 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ließ am 19. 7. 2005 ihren Pkw zur Reparatur eines Motorschadens zur Werkstatt des Beklagten bringen. Am 24. 11. 2005 hatte der Beklagte - nach mehreren Verzögerungen - die Reparatur fertiggestellt (Erneuerung des Zylinderkopfes samt diverser Anbauteile) und forderte die Klägerin zur Abholung auf. Die Geschäftsführerin der Klägerin meinte, dass sie das Fahrzeug jetzt nicht brauche, es sei ohnehin ein Sommerfahrzeug und sie habe momentan nicht genug Geld. Der Beklagte wartete zunächst zu. Im Dezember 2005 forderte er die Klägerin neuerlich auf, das Fahrzeug abzuholen. Im Jänner 2006 ersuchte die Klägerin den Beklagten, ihr das Fahrzeug zu bringen. Der Beklagte kam diesem Wunsch nach. Er wies darauf hin, dass nach etwa 1.000 km ua die Zylinderkopfschrauben nachgezogen werden müssten, was die Klägerin in einer anderen Werkstatt nach etwa 2.000 km durchführen ließ. Am 25. 6. 2006 trat erneut ein Motorschaden auf. Die Klägerin forderte den Beklagten auf, das Fahrzeug im Rahmen der Gewährleistung zu reparieren. Der Beklagte zerlegte das Fahrzeug, konnte jedoch keine Schadensursache feststellen und verweigerte in der Folge die Reparatur. Der Fahrzeugwert betrug im Dezember 2006 8.580 EUR, der Wrackwert 1.500 EUR, die Reparaturkosten für die Motorreparatur 14.963 EUR.
Die Klägerin begehrt unter Berufung auf Schadenersatz und Gewährleistung - nach Klagsausdehnung - 7.080 EUR sA (Zeitwert minus Wrackwert). Die vom Beklagten vorgenommene Reparatur sei mangelhaft gewesen. Sie habe den Wagen im Jänner übergeben erhalten; der Mangel sei im Juni, also innerhalb der 6-Monats-Frist des § 924 ABGB hervorgekommen.
Der Beklagte bestritt die Mangelhaftigkeit seiner Reparaturleistung. Diese sei auch nicht zu vermuten, weil die 6-Monats-Frist des § 924 ABGB aufgrund des Annahmeverzugs der Klägerin bereits Ende November 2005 zu laufen begonnen habe und im Juni 2006 bereits abgelaufen gewesen sei.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es hielt fest, dass nicht festgestellt werden könne, ob die Reparatur durch den Beklagten mangelhaft gewesen sei. § 924 zweiter Satz ABGB stelle auf die tatsächliche Herrschaft über das Objekt ab, sodass es unerheblich sei, ob die Klägerin in Annahmeverzug gewesen sei. Die 6-Monats-Frist sei daher zum Zeitpunkt des Hervorkommens des Mangels noch nicht abgelaufen gewesen, weshalb die Mangelhaftigkeit der Reparatur bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des reparierten Fahrzeugs zu vermuten sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof noch nicht mit dem Problem befasst habe, ob der Annahmeverzug des Käufers oder Bestellers, der selbst nicht als Konsument anzusehen sei, iSv § 924 Satz 2 ABGB Einfluss auf den Beginn der Gewährleistungsfrist habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Der Beklagte argumentiert, dass es unbillig sei, dem säumigen Übernehmer zu ermöglichen, die 6-Monats-Frist der Vermutung der Mangelhaftigkeit für die Dauer seiner Säumnis zu verlängern. Der streitgegenständliche Motorschaden habe sich daher etwa einen Monat nach Ablauf der 6-monatigen Gewährleistungsfrist ereignet, weshalb die Klägerin den Nachweis eines Mangels im Zeitpunkt der Übergabe zu erbringen habe. Dieser Nachweis sei ihr nicht gelungen.
Die Klägerin hält dem den Gesetzeswortlaut entgegen. Das Abstellen auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Übergabe für den Beginn der Gewährleistungsfrist sei ständige Rechtsprechung. Im Übrigen hätten die Vorinstanzen nicht festgestellt, dass sich die Klägerin in Annahmeverzug befunden habe.
Hiezu wurde erwogen:
1. § 924 ABGB idF BGBl I 2001/48 (Gewährleistungsrechtsänderungsgesetz [GewRÄG]) lautet:
„Der Übergeber leistet Gewähr für Mängel, die bei der Übergabe vorhanden sind. Dies wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, wenn der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkommt. Die Vermutung tritt nicht ein, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.“
2. Im vorliegenden Fall ist zu klären, ob die tatsächliche Übergabe auch dann für die Gewährleistung maßgebend sein soll, wenn der „Übernehmer“ im Annahmeverzug war. Dazu bedarf es zunächst einer näheren Untersuchung der Grundlagen der aktuellen gesetzlichen Regelung.
3. Zur Rechtslage vor dem GewRÄG 2001 wurde judiziert, dass Gewährleistungsansprüche und auf Gewährleistung gegründete Einwendungen erst nach Übergabe des Kaufobjekts oder dann erhoben werden können, wenn der Käufer in Annahmeverzug geraten, wenn die Gefahr auf ihn übergegangen ist (RIS-Justiz RS0018460). Im Falle des Annahmeverzugs wurde daher auf den Gefahrenübergang und nicht auf die tatsächliche Übergabe als für die Gewährleistung entscheidenden Zeitpunkt abgestellt.
4. Mit dem GewRÄG 2001 wurde das Gewährleistungsrecht an die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie (RL 1999/44/EG) angepasst. Die RL beschränkt sich grundsätzlich auf das Verbrauchergeschäft, konkret auf den so genannten „Verbrauchsgüterkauf“. Sie regelt den Verkauf beweglicher körperlicher Sachen durch einen Unternehmer an einen Verbraucher.
Art 3 Abs 1 der RL lautet: „Der Verkäufer haftet dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes besteht.“
Art 5 Abs 3 der RL lautet: „Bis zum Beweis des Gegenteils wird vermutet, dass Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art des Gutes oder der Art der Vertragswidrigkeit unvereinbar.“
Erwägungsgrund 14 der RL lautet: „Die Bezugnahmen auf den Zeitpunkt der Lieferung bedeuten nicht, dass die Mitgliedstaaten ihre Vorschriften über den Gefahrübergang ändern müssen.“
Der österreichische Gesetzgeber hat die RL im Allgemeinen Teil des Schuldrechts umgesetzt, sodass die Neuregelung auch Werkverträge erfasst (RV 422 BlgNR 21. GP 7).
Die EB zur RV des GewRÄG 2001 (RV 422 BlgNR 21. GP 14) führen zu § 924 ABGB aus, dass es auch in Zukunft zulässig sein solle, im Einzelfall - etwa bei Annahmeverzug des Übernehmers oder im Fall des Versendungskaufs - auf den Zeitpunkt des Gefahrenübergangs abzustellen. Die Richtlinie wolle - siehe den Erwägungsgrund 14 - in diesen Bereich nicht eingreifen.
5. In diesem Sinne wird auch in der Lehre einhellig vertreten, dass zwar grundsätzlich auf den Zeitpunkt der körperlichen Übergabe abzustellen sei, in bestimmten Einzelfällen allerdings, so beispielsweise beim Versendungskauf und eben im Falle eines Annahmeverzugs der Gefahrenübergang der fristauslösende Zeitpunkt sei (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II13 [2006] 77; Ofner in Schwimann, ABGB3 § 924 Rz 2; Reischauer, Probleme der Beweislastregeln des § 924 ABGB, JBl 2010, 217 [218]; Welser/Jud, Die neue Gewährleistung [2001] § 924 Rz 5; Dullinger, Schuldrecht Allgemeiner Teil [2008] Rz 3/82; Faber, Handbuch zum neuen Gewährleistungsrecht [2001] 83 f; Kathrein in Pirker-Hörmann/Hammerl, Das neue Gewährleistungsrecht [2004] 21; Kolmasch, Das neue Gewährleistungsrecht [2001] 42; Kletecka, Gewährleistung neu § 924 Rz 8).
6. Der Senat schließt sich der einhelligen Meinung der Lehre an, wonach im Falle eines Annahmeverzugs der Gefahrenübergang der die Frist des § 924 ABGB auslösende Zeitpunkt ist. In diesem Sinne vgl auch schon 9 Ob 3/09w, wonach maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Mangel vorliegt, grundsätzlich der Zeitpunkt der tatsächlichen Übergabe ist, es sei denn, die Gefahr wäre schon vorher auf den Erwerber übergegangen.
7. In der Entscheidung 4 Ob 157/09f hat der Senat - unter Berufung auf 8 Ob 124/08f - ausgesprochen, dass § 924 Satz 2 ABGB nicht die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels an sich berührt (sondern nur den Zeitpunkt der Mangelhaftigkeit). Die Beweislast dafür, dass die übergebene Sache bzw Leistung aus Werkvertrag überhaupt mangelhaft ist, trägt somit (weiterhin) der Übernehmer der Sache bzw Leistung.
8. Ob daran angesichts der Kritik Reischauers (Probleme der Beweislastregeln des § 924 ABGB, JBl 2010, 217) festzuhalten ist, kann hier offen bleiben. Im vorliegenden Fall kommt es nämlich nicht darauf an, ob die Klägerin die Beweiserleichterung des § 924 Satz 2 ABGB grundsätzlich (für die Frage des Vorliegens des Mangels an sich) in Anspruch nehmen kann, weil ihr dies schon aufgrund ihrer - durch den Annahmeverzug bewirkten - Fristversäumung verwehrt ist: Die mit dem Annahmeverzug (November 2005) in Gang gesetzte 6-monatige Vermutungsfrist war bei Hervorkommen des Mangels im Juni 2006 bereits abgelaufen. Die Klägerin hat daher in jedem Fall die Mangelhaftigkeit der Reparatur durch den Beklagten zu beweisen.
9. Soweit die Klägerin in der Revisionsbeantwortung ausführt, die Vorinstanzen hätten nicht festgestellt, dass sie sich in Annahmeverzug befunden habe, ist dem entgegen zu halten, dass es sich dabei um eine rechtliche Beurteilung handelt. Die Tatsacheninstanzen haben festgestellt, dass der Beklagte die Reparatur abgeschlossen und die Klägerin davon verständigt und zur Abholung des Wagens aufgefordert hatte. Diese Feststellungen reichen zur rechtlichen Begründung des Annahmeverzugs hin: Es lag eine Holschuld vor (§ 905 Abs 1 ABGB) und die Klägerin beging durch die Nichtabholung des Wagens eine Verletzung ihrer Obliegenheit zur Abnahme (vgl Koziol in KBB3 § 1419 ABGB Rz 2). Bei Holschulden genügt ein mündliches Leistungsanbot (Mair in Schwimann, ABGB-TaKomm § 1419 Rz 2).
10. Annahmeverzug liegt vor, wenn der Gläubiger die vom Schuldner zur rechten Zeit, am gehörigen Ort und auf die bedungene Weise angebotene Leistung nicht annimmt (10 Ob 2035/96d; 7 Ob 2356/96p). Dabei ist es ausreichend, dass die nicht angenommene Leistung prima facie mangelfrei ist (vgl S. Lorenz in MüKo BGB5 III [2008] § 476 Rz 10, wonach für die Anwendung der Vermutungsregel bei verweigerter Annahme das Angebot einer mangelfreien Leistung zu fingieren sei; ähnlich Rebhahn/Kietaibl in Schwimann, ABGB3 § 1167 Rz 25).
11. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die Leistung des Beklagten (das reparierte Fahrzeug) nicht wegen behaupteter Mängel, sondern deswegen nicht abgenommen, weil sie das Fahrzeug zunächst nicht brauchte. Diesfalls spricht daher nichts dagegen, vom Anschein eines ordnungsgemäßen Angebots der Leistung auszugehen.
Würde man im Zusammenhang mit den Voraussetzungen des Annahmeverzugs vom Verkäufer/ Werkunternehmer auch dann den vollen Beweis der mangelfreien Leistung verlangen, wenn der Käufer/ Werkbesteller die Annahme bloß aus (vorübergehendem) Mangel an Interesse an dieser Leistung ablehnt - ohne eine substanziierte Mängelbehauptung aufzustellen -, so hätte dieser es in der Hand, den Beginn der Vermutungsfrist des § 924 ABGB willkürlich hinauszuschieben.
Der Beklagte hat der Klägerin die Leistung (den reparierten Wagen) somit ordnungsgemäß angeboten. Die Klägerin war folglich ab Ende November 2005 im Annahmeverzug.
12. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass die Frist des § 924 zweiter Satz ABGB zu laufen beginnt, wenn der Käufer oder Werkbesteller in Annahmeverzug gerät; auf die (spätere) tatsächliche Übergabe kommt es in diesem Fall nicht an. Für den Annahmeverzug ist es - im Zusammenhang mit der Beurteilung des Fristbeginns - ausreichend, dass die nicht angenommene Leistung prima facie mangelfrei ist. Damit war die Frist im Anlassfall bei Auftreten des Mangels bereits abgelaufen. Aus diesem Grund musste die Klägerin beweisen, dass im maßgebenden Zeitpunkt (dh bei Eintritt des Annahmeverzugs) ein Mangel vorlag. Dieser Beweis ist ihr nicht gelungen.
Der Revision des Beklagten war daher Folge zu geben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die nicht aufgetragenen Schriftsätze waren mit TP 2 zu bewerten.
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