OGH 4Nc3/11w

OGH4Nc3/11w2.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der beim Handelsgericht Wien zu AZ 11 Cg 242/09i anhängigen Rechtssache der klagenden Partei B***** M*****, vertreten durch Mag. Wolf Martin, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei B***** Versicherung-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, wegen 36.000 EUR sA, über den Delegierungsantrag der beklagten Partei gemäß § 31 Abs 2 JN folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache wird anstelle des Handelsgerichts Wien das Landesgericht Innsbruck bestimmt.

Text

Begründung

Beim Handelsgericht Wien ist zu AZ 11 Cg 242/09i seit 2. 12. 2009 ein Verfahren anhängig, in dem der Kläger mit Wohnsitz in Tirol die Beklagte mit Sitz in Wien gemäß § 1330 Abs 2 ABGB auf Unterlassung kreditschädigender Äußerungen in Anspruch nimmt. Nach dem Standpunkt des Klägers, eines selbständigen Versicherungskaufmanns, war er aufgrund eines Partneragentur-Vertrags vom Juni 2006 Partneragent der Beklagten; diese habe vom Kläger an sie vermittelten Versicherungsnehmern mitgeteilt, dass Ereignisse vorgefallen seien, die die Beklagte dazu gezwungen hätten, das Agenturverhältnis mit dem Kläger fristlos zu kündigen.

Nach dem Standpunkt der Beklagten war der Kläger Vertragspartner (Subagent) der Versicherungsagentur VAM von Werner H***** mit dem Auftrag, hauptsächlich der Beklagten Versicherungsverträge zu vermitteln; dieses Vertragsverhältnis habe die VAM am 14. 8. 2009 beendet. Der Kläger sei im Zuge seiner Vermittlungstätigkeit gegenüber seinen Kunden ausschließlich als Agent der Beklagten aufgetreten und habe ein Verhalten zu vertreten, das bei Vorliegen eines direkten Agenturverhältnisses zwischen den Streitteilen jedenfalls eine fristlose Vertragskündigung gerechtfertigt hätte. Die Beklagte habe daher gute Gründe für die beanstandete Information ihrer Kunden gehabt, diese entspreche auch der Wahrheit.

Das Erstgericht verbot der Beklagten mit einstweiliger Verfügung vom 11. 1. 2010 (ON 13), bestätigt vom Oberlandesgericht Wien vom 19. 5. 2010 (ON 18), die vom Kläger vermittelten Versicherungsnehmer direkt zu kontaktieren und ihnen mitzuteilen, dass Ereignisse vorgefallen seien, die die Beklagte dazu gezwungen hätten, das Agenturverhältnis mit dem Kläger fristlos zu kündigen.

Im Hauptverfahren fand bisher eine Verhandlung in der Dauer einer halben Stunde statt, in der Vorbringen erstattet und Urkunden vorgelegt wurden. Die Beklagte brachte vor, beim ASG Innsbruck sei ein präjudizielles Verfahren zwischen ihm und Werner H***** wegen der Auflösung des Agenturverhältnisses anhängig, und beantragte, diesen Akt beizuschaffen und das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Verfahrens zu unterbrechen (ON 19).

Mit Schriftsatz vom 11. 1. 2011 (ON 21) beantragte die Beklagte die Einvernahme von 56 Zeugen mit Wohnsitz in Tirol zum Beweis dafür, dass Ereignisse vorgefallen seien, die die Beklagte gezwungen hätten, das Agenturverhältnis mit dem Kläger fristlos zu kündigen.

Mit Schriftsatz vom 11. 1. 2011 (ON 22) beantragte die Beklagte, der Oberste Gerichtshof möge die Rechtssache im Hinblick auf den Wohnort der beantragten Zeugen aus Zweckmäßigkeitsgründen gemäß § 31 JN zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck delegieren.

Der Kläger sprach sich gegen eine Delegierung aus, weil damit eine Verfahrensverzögerung verbunden sei (ON 25).

Das Erstgericht sprach sich für eine Delegierung aus; eine Absicht der Beklagten zur Verfahrensverzögerung sei bisher nicht erkennbar (ON 26).

Rechtliche Beurteilung

Der Delegationsantrag ist berechtigt.

1. Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zu einer Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreits beitragen kann. Dies ist ua dann der Fall, wenn das Beweisverfahren oder der maßgebliche Teil desselben vor dem erkennenden Gericht durchgeführt werden kann, weil die Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bedeutsamer erscheint als die Einhaltung der örtlichen Zuständigkeitsordnung (RIS-Justiz RS0046333 [T3]). Zweckmäßigkeitsgründe in diesem Sinn bilden der Wohnort der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen oder die Lage des Augenscheinsgegenstands (RIS-Justiz RS0046540; RS0053169 [T12]).

2. Die Rechtssache weist mit Ausnahme des Sitzes der Beklagten keinen Bezug zu Wien auf: Auf Parteienvernehmung der Beklagten wurde verzichtet, der Kläger und sein Vertreter wohnen in Tirol, der Vertreter der Beklagten im Sprengel des Oberlandesgerichts Innsbruck. Auch der Zeuge H***** und die zuletzt namhaft gemachten 56 Zeugen wohnen in Tirol. Damit ist die Anreise aller Personen, deren Vernehmung in Frage kommt, sowie beider Parteienvertreter nach Innsbruck wesentlich kürzer und damit kostengünstiger als eine Anreise nach Wien. Der Streitwert ist niedrig. Unter diesen Umständen ist dem Delegierungsantrag stattzugeben.

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