OGH 7Ob98/10b

OGH7Ob98/10b19.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner und Dr. Michael Pichlmair, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientin H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 29.967,36 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Dezember 2009, GZ 4 R 113/09f-19, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 17. Februar 2009, GZ 46 Cg 108/08i-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.680,84 EUR (darin 280,14 EUR USt) und der Nebenintervenientin die mit 1.400,70 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen wiesen die am 8. 8. 2008 vom Transportversicherer gegen den Spediteur eingebrachte Klage auf Rückersatz eines liquidierten Transportschadens wegen Verjährung nach § 64 AÖSp (innerhalb von sechs Monaten, ab Kenntnis des Berechtigten, spätestens ab Ablieferung des Gutes [am 11. 8. 2007]) ab.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, die Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig; diesen Ausspruch änderte es mit Beschluss vom 26. 3. 2010 dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte, weil die Klägerin „unter anderem“ die verjährungsrechtlich relevante Vorfrage aufwerfe, unter welchen Voraussetzungen auch dann eine Fixkostenspedition vorliege, wenn diverse Kosten variabel und im Vorhinein nicht bestimmt seien. Es fehlten höchstgerichtliche Leitlinien dazu, ab welcher Relation solche Kosten einen - der Annahme einer Fixkostenspedition entgegenstehenden - nicht mehr „nur geringen“ Anteil an den Gesamtbeförderungskosten erreichten, sowie dazu, welche Kostenpositionen überhaupt betroffen seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil die Klägerin darin nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt (RIS-Justiz RS0102059).

Die Revision gesteht ausdrücklich zu, dass auf das vorliegende Vertragsverhältnis österreichisches Recht anzuwenden ist (§ 65 lit c AÖSp), vertritt jedoch die Auffassung, der im Rahmen des multimodalen Transports auf der (letzten) Teilstrecke von Durban nach Pretoria eingetretene Transportschaden sei nach den zwingenden Bestimmungen der CMR zu beurteilen, welche nach § 439a UGB für alle nicht grenzüberschreitenden Straßentransporte zu gelten hätten, die nach österreichischem Recht zu beurteilen seien, also auch für rein innerstaatliche Transporte außerhalb Österreichs. Der Oberste Gerichtshof habe sich mit dieser Frage noch nie beschäftigt.

Demgegenüber hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 235/09y, die einen vergleichbaren Fall betraf (der nach österreichischem Recht zu beurteilende Schadensfall trat bei einem Transport auf einer Teilstrecke innerhalb der USA ein), bereits ausgeführt, dass die Anwendung der CMR in einer solchen Konstellation schon mangels eines grenzüberschreitenden oder inländischen (§ 439a Abs 1 HGB) Transports nicht in Betracht kommt (unter Hinweis auf de la Motte/Temme in Thume, CMR-Kommentar², Art 1 Rn 21). Dies wurde in der Entscheidung 7 Ob 145/10i, die sich ebenfalls mit den hier maßgebenden Fragen befasst, näher begründet wie folgt:

„Nach österreichischem Recht unterliegen den CMR Verträge über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Guts und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist (Art 1 Z 1 CMR). Weiters sind auf eine derartige entgeltliche Beförderung mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen auch die CMR anzuwenden, sofern der vertragliche Ort der Übernahme oder der vertragliche Ort der Ablieferung des Guts im Inland liegen (§ 439a UGB). Im vorliegenden Fall war der Transport auf der Teilstrecke, auf der der Schaden eingetreten ist, weder grenzüberschreitend noch ‘inländisch', weshalb die Anwendung der CMR nicht in Betracht kommt (7 Ob 235/09y). Für diese Auslegung des § 439a UGB spricht auch die klar dokumentierte Intention des Gesetzgebers, der das ‘Regelungsbedürfnis' zur Einführung des § 439a HGB (nunmehr UGB) ausdrücklich mit dem Fehlen zwingender Vorschriften für das Frachtgeschäft ‘im rein innerösterreichischen Straßengüterverkehr' begründet hat (ErlRV 1234 BlgNR XVII. GP 3). Auch Jesser, Anmerkungen zum Binnen-Güterbeförderungsgesetz, ecolex 1990, 600 unterstellt dieses Verständnis. Ebenso gehen Schütz in Straube, HGB³, § 439a Rz 7 und Csoklich in Jabornegg/Artmann, UGB², § 439a UGB Rz 5 von einem Regelungsinhalt aus, der die Anwendung der CMR auf nicht grenzüberschreitende Transporte im Ausland verhindert. Schütz meint, es liege eine Regelungslücke vor. Sachgerechter wäre ein Wortlaut des § 439a HGB, wonach die CMR (entsprechend eingeschränkt) auf alle näher beschriebenen Verträge anzuwenden seien, die nicht ohnedies schon nach Art 1 den CMR unterlägen. Csoklich will eine ungewollte Regelungslücke erkennen und tritt für eine Analogie ein.

Die Meinung, dass eine ungewollte Regelungslücke vorliegt, kann schon im Hinblick auf die ErlRV nicht geteilt werden. Der Gesetzgeber wollte demnach eindeutig nur den Transport für das (österreichische) Inland regeln. Diese zunächst in das HGB eingefügte Bestimmung wurde auch in das UGB übernommen. Die Anwendung der CMR auch im Inland ist ein österreichisches Spezifikum (diese Bestimmung fehlt zB im deutschen Recht), das sich aus den Motiven des Gesetzgebers erklären lässt. Eine durch Analogie zu schließende Regelungslücke ist nicht erkennbar.

Da die CMR auf Transporte im Ausland, die dort nicht grenzüberschreitend sind, nicht anwendbar sind, ist für den Teilstreckentransport auf die allgemeinen Bestimmungen des UGB zurückzugreifen. Nach den §§ 439 iVm 414 UGB verjähren zwar die Ansprüche aus dem Frachtvertrag innerhalb eines Jahres, doch kann die Verjährungsfrist durch Vereinbarung verkürzt werden. Durch die Vereinbarung der AÖSp, die in § 64 eine solche Verkürzung vorsehen, gilt daher für den vorliegenden Schadensfall eine sechsmonatige Frist. Diese war im Zeitpunkt der Klagseinbringung abgelaufen. Der Anspruch ist daher, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, verjährt.“

Da die Beurteilung, dass die Anwendbarkeit der CMR auf den vorliegenden Fall aus § 439a UGB nicht abzuleiten ist, der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entspricht, ist insoweit keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten.

Im Übrigen beruft sich die außerordentliche Revision auf eine Anwendbarkeit der Bestimmungen der CMR gemäß § 413 UGB. Auch damit wird jedoch keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt; ginge man nämlich - entgegen der Beurteilung der Vorinstanzen - davon aus, dass eine für die Annahme einer Fixkostenspedition erforderliche Vereinbarung zwischen Spediteur und Versender über einen „bestimmten Satz der Beförderungskosten“ getroffen wurde, würde dies lediglich bedeuten, dass der beklagte Spediteur ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers hätte (§ 413 Abs 1 Satz 1 UGB). Auf den vorliegenden Schadensfall wäre dann (zwar) Frachtrecht anzuwenden; weiterhin jedoch nicht die CMR:

Sind ihre Normen doch - wie bereits dargelegt - auf nicht grenzüberschreitende Transporte im Ausland unanwendbar, weshalb auf die allgemeinen Bestimmungen des UGB zurückgegriffen werden muss. Die Ansprüche aus dem Frachtvertrag verjähren zwar nach §§ 439 iVm 414 UGB innerhalb eines Jahres, doch kann die Verjährungsfrist durch Vereinbarung verkürzt werden. Genau dies geschah durch § 64 AÖSp. Da auch die vorliegende Klage zwar innerhalb einer einjährigen, nicht jedoch innerhalb der sechsmonatigen Frist von § 64 AÖSp erhoben wurde, ist der Anspruch jedenfalls verjährt.

Die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO sind daher auch in diesem Zusammenhang nicht erfüllt, weil sich die in der Zulassungsbegründung angeführten Fragen gar nicht stellen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte und die Nebenintervenientin haben auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen.

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