OGH 3Ob213/10k

OGH3Ob213/10k14.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Mag. M*****, über den namens der Betroffenen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs des Verfahrenssachwalters Dr. Alexander Schoeller, Rechtsanwalt, St. Pölten, Schießstattring 35/13, vertreten durch Mag. Michael Steininger, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 22. September 2010, GZ 23 R 345/10y-101, womit der namens der Betroffenen erhobene Rekurs des Verfahrenssachwalters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 25. Februar 2010, GZ 5 P 471/09b-80, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht eine inhaltliche Behandlung des Rekurses aufgetragen.

Text

Begründung

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 25. Februar 2010 wurde der zuvor zum Verfahrenssachwalter bestellte Revisionsrekurswerber zum Sachwalter für die Betroffene zur Vertretung vor Ämtern und Behörden bestellt.

Dem dagegen von der Betroffenen selbst am 17. März 2010 erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht nicht Folge (ON 85).

Der von der Betroffenen, vertreten durch den bestellten Verfahrenshelfer, erhobene außerordentliche Revisionsrekurs wurde mit Beschluss des Senats vom 4. August 2010 (AZ 3 Ob 130/10d) zurückgewiesen.

Den ebenfalls gegen den Bestellungsbeschluss namens der Betroffenen erhobenen Rekurs des Verfahrenssachwalters behandelte das Rekursgericht erst nach Zurückweisung des von der Betroffenen durch ihren Verfahrenshelfer erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurses mit dem nun angefochtenen Beschluss, mit welchem es den Rekurs im Wesentlichen mit der Begründung zurückwies, dass der Rekurs im Namen der Betroffenen erhoben worden und daher so zu behandeln sei, als hätte ihn die Betroffene selbst verfasst. Damit verstoße aber die (neuerliche) Rekurserhebung gegen den Grundsatz der „Einmaligkeit“ des Rechtsmittels. Über den Rekurs der Betroffenen sei bereits rechtskräftig entschieden worden. Einer neuerlichen Entscheidung stehe daher das Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs, den der Revisionsrekurswerber ausdrücklich unter Berufung auf seine Stellung als Verfahrenssachwalter namens der Betroffenen erhob.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt:

1. Zutreffend verweist der Revisionsrekurs darauf, dass § 127 AußStrG - der analog auch für die Befugnis zur Erhebung des Revisionsrekurses gilt (RIS-Justiz RS0124570) - ausdrücklich anordnet, dass der Rekurs im Bestellungsverfahren ua der betroffenen Person und dem Verfahrenssachwalter zusteht.

2. Räumt aber der Gesetzgeber neben dem Betroffenen auch anderen Personen selbständige, von einander unabhängige Verfahrensrechte ein, würde es dem mit dieser Anordnung verfolgten Gesetzeszweck, nämlich dem Betroffenen umfassenden Rechtsschutz einzuräumen, in Widerspruch stehen, wollte man den vom Rekursgericht herangezogenen Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels - der grundsätzlich auch im Außerstreitverfahren gilt (RIS-Justiz RS0007007) - bei Rekurserhebung sowohl des Betroffenen selbst als auch des Verfahrenssachwalters zur Anwendung bringen.

3. Da die Rekurslegitimation des Revisionsrekurswerbers als Verfahrenssachwalter zu bejahen ist, bedarf es keines Eingehens darauf, ob auch dem - noch nicht rechtskräftig bestellten (§ 43 Abs 1 iVm § 125 AußStrG) - Sachwalter Rekurslegitimation zusteht (bejahend 6 Ob 201/05k = SZ 2005/142; dieser E folgend Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts² [2010] 581; aA Zankl/Mondel in Rechberger, AußStrG § 127 Rz 2).

4. Zu § 28 Abs 1 erster Satz UbG hat der Oberste Gerichtshof bereits - unter Hinweis auf die Materialien zu § 127 AußStrG - ausgesprochen, dass der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels nicht gilt, wenn sowohl der Kranke selbst als auch der Patientenanwalt im Namen des Kranken Rechtsmittel erheben (8 Ob 167/08d = iFamZ 2009/164).

Die bereits erfolgte inhaltliche Behandlung des Rekurses der Betroffenen enthob das Rekursgericht somit nicht von der Verpflichtung, den später eingebrachten, aber rechtzeitigen Rekurs des Verfahrenssachwalters inhaltlich zu behandeln.

5. Aber auch das Argument des Rekursgerichts, über den Rekurs der Betroffenen sei bereits rechtskräftig entschieden, einer neuerlichen Entscheidung stehe daher das Prozesshindernis der Rechtskraft entgegen, ist nicht stichhältig:

Die Entscheidung des Rekursgerichts über den Rekurs der Betroffenen (und die Zurückweisung des von der Betroffenen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurses) bewirkte nicht die materielle Rechtskraft des erstgerichtlichen Bestellungsbeschlusses, weil der Eintritt der materiellen Rechtskraft voraussetzt, dass die Entscheidung gegenüber allen Parteien in formelle Rechtskraft erwachsen ist (Fasching/Klicka in Fasching/Konecny 2 III § 411 ZPO Rz 3). Das ist hier nicht der Fall, weil der rekurslegitimierte Verfahrenssachwalter rechtzeitig gegen den Bestellungsbeschluss Rekurs erhoben hatte.

6. Das Rekursgericht wird daher den Rekurs inhaltlich zu behandeln haben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte